Potsdamer Neueste Nachrichten 16.06.07
Im Streit um ehemals jüdische Sommerfeld-Grundstücke wird Restitution verfassungsrechtlich geprüft
Kleinmachnow - Der
Streit um ehemals jüdisches Eigentum in Kleinmachnow gewinnt in der kommenden
Woche an Brisanz. In Leipzig wird ein Urteil darüber erwartet, ob das deutsche
Vermögensrecht im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot
steht. Es geht um die Frage, ob bei der Rückübertragung früheren jüdischen
Eigentums unterschieden werden muss zwischen Privat- und Betriebsvermögen.
Konkret: Müssen in der Kleinmachnower Sommerfeld-Siedlung auch Grundstücke rückübertragen
werden, die von der ehemaligen und später arisierten Siedlungsgesellschaft des
Bauunternehmer Adolf Sommerfeld verkauft worden sind?
Bislang war in diesen Fällen eine Restitution abgelehnt worden. Das Potsdamer
Verwaltungsgericht wies im Sommer 2005 die Klage des Berliner Geschäftsmanns
Christian Meyer auf Restitution eines Grundstücks zurück, das 1934 von der
arisierten Siedlungsgesellschaft an einen privaten Käufer veräußert wurde. Das
Grundstück gehörte zum Sommerfeld-Konzern, bis der jüdische Unternehmer vor den
Nationalsozialisten floh . Danach wurde die Firma eine Gesellschaft des Dritten
Reiches, Direktor und Geschäftsführer war ein aktives Mitglied der NSDAP und
der SS.
Nach heutiger Vermögensrechtssprechung
haben Unternehmen, deren Geschäftszweck die Parzellierung und der Verkauf von
Grundstücken war, keinen Anspruch auf Entschädigung oder Rückübertragung.
Begründet wird dies mit dem „Siedler- und Nutzerschutz“ der die berechtigten
Interessen der heutigen Nutzer sichern soll.
Dies würde für mehrere hundert Grundstücke in Kleinmachnow zutreffen, wenn
Meyer und dessen Anwalt Stefan Minden, ein renommierte Vermögensrechtler, nicht
verfassungsrechtliche Zweifel anmelden würden. Meyer, der die
Restitutionsansprüche 1997 von der Jewish Claims Conference (JCC) übernommen
hatte, verlangt, „Gleiches gleich zu behandeln“. Es verstoße gegen den Gleichheitgrundsatz,
so Rechtsanwalt Minden, wenn jüdische Bankhäuser und Brauereien Ansprüche auf
Wiedergutmachung haben, Baufirmen aber nicht. Und es sei eine
Ungleichbehandlung, wenn private Grundstücksverkäufer wie die jüdische Sabersky-Familie
in Teltow-Seehof Anspruch auf Restitution und Entschädigung haben, jüdische
Siedlungsfirmen aber nicht.
In Leipzig will das Bundesverwaltungsgericht nun Klarheit schaffen. Nachdem die
Potsdamer Richter eine Revision auf ihr Klage abweisendes Urteil nicht
zuließen, beschwerte sich Meyer erfolgreich in Leipzig: Die Bundesrichter haben
am kommenden Donnerstag zum Revisionverfahren geladen. Die Erwartungen sind
hoch: Die Verhandlung könne „Gelegenheit zur Klärung der grundsätzlich
bedeutsamen Rechtsfrage bieten“, heißt es am Bundesverwaltungsgericht. In
wenigen Tagen steht ein wichtiger Passus des deutschen Vermögensrechts auf dem
Prüfstein der Verfassung.
Kommen die Leipziger Richter zu dem Urteil, das zwischen Privat- und
Betriebsvermögen nicht unterschieden werden könne, könnte Meyer den gleichen
Anspruch auf Restitution geltend machen wie bei von Sommerfeld privat
verkauften Grundstücken. Verliert er, ist der nächste Etappenort des Klagewegs
bereits benannt: Karlsruhe. Dort würde Meyer dem Bundesverfassungsgericht die
Sommerfeld-Akte auf den Tisch legen. Notfalls würde er die Frage auch am
Europäischen Gerichtshof prüfen lassen. Bei einem Verkehrswert der umstrittenen
Grundstücke von 43 Millionen Euro ein lohnenswertes Unterfangen. Vor allem aber
würde es eine lange Zeit dauern, bis endgültig Rechtsfrieden hergestellt ist.
Zeit, die viele der heutigen Grundstücknutzer nicht haben: So lange die
Eigentumsverhältnisse unklar sind, gibt niemand Geld aus für fällige
Investitionen und Reparaturen. Daher spekuliert Meyer, dass sich die Nutzer von
den belastenden Restitutionsansprüchen freikaufen. Peter Könnicke