Potsdamer Neueste Nachrichten 13.06.07


Den Anfang vom Ende gefeiert

Nach 16 Jahren in Provisorien wurde gestern der Grundstein für den Campus der Waldorfschule gelegt

Kleinmachnow - Seine ganze Schulzeit hat Johann Lieb improvisiert. Jetzt steht er vor dem Abitur, und der junge Mann macht nicht den Eindruck, als hätte ihm das „unstete Leben“ auf dem Kleinmachnower Seeberg geschadet. Im Gegenteil: Die zwölf Jahre, die Johann Lieb an der Waldorfschule gelernt hat, seien geprägt gewesen durch eine ungeheure „Kreativität“. Die provisorischen Baracken und Container, in denen die Schule bis heute untergebracht ist, habe die „Schule lebendig gehalten“, sie haben Lehrern, Schülern und Eltern Kraft für Veränderungen verliehen.

Diese sind inzwischen sichtbar. Auf dem Schulgelände hat sich ein meterhoher Sandberg aufgetürmt – der Aushub einer Baugrube, in der bereits das Fundament für ein Mehrzweckgebäude gegossen worden ist. Gestern wurde feierlich der Grundstein für den Bau gelegt – ein Anfang und Ende zugleich. 16 Jahre hat die von Berliner und Brandenburger Eltern und Lehrer gegründete Waldorfschule warten müssen, um ein festes Domizil bauen zu können. Es ist daher nur allzu wahr, wenn Bürgermeister Wolfgang Blasig meint, dass ihm die Vorstellungen der Waldorf-Initiative sehr vertraut sind – begleiteten sie ihn doch seine gesamte 14-jährige Amtszeit. Es ist wohl der reizvollen Lage geschuldet, die Gründungslehrerin Marie Kaiser bei der ersten Vor-Ort-Visite sofort erkannte, die die Waldörfer hartnäckig gegen alle Schwierigkeiten auf dem Seeberg sesshaft bleiben ließ. In der über viele Jahre kontrovers geführten Debatte zur Entwicklung und Nutzung des Seebergs sah sich die Waldorfschule wie die „Kugel in einem Roulettespiel“. Erst mit der Entscheidung, den Seeberg zu einem Bildungscampus zu entwickeln, bot sich die Perspektive, Teil dieses Vorhabens zu werden. Die Grundstücks-Verhandlungen mit der Berlin Brandenburg International School, der nunmehrigen Eigentümerin des Seebergs, und das Vorhaben, ein Schuldorf im Landschaftsschutzgebiet zu bauen, waren die letzten hürdenreichen Etappen der langen Odyssee.

Den ersten Stein hat man bewusst für das Mehrzweckgebäude gelegt. Unter dem Mangel eines Saals mit einer Bühne leidet die Waldorfschule, in der Musik, Tanz und Theater eine wichtige Rolle spielen, besonders stark. Zudem fördert das brandenburgische Bildungsministerium den Bau des Mehrzweckgebäudes als wesentliche Komponente der Ganztagsschule mit 700 000 Euro. Das in ökologischer Holzbauweise konzipierte Haus beherbergt drei Räume, die durch mobile Trennwände zu einem einzigen Saal wachsen können. Einer der drei Räume liegt höher und kann als Bühne genutzt werden.

Der dorfähnliche Schulcampus, den das Architekturbüro Löffler+Kerbl entworfen hat, besteht aus mehreren Gebäuden, die nach und nach realisiert werden sollen. Das Bautempo kann sich somit an den finanziellen Möglichkeiten der Schule orientieren. Zudem ermöglicht das abschnittsweise Bauen den Unterrichtsbetrieb während der gesamten Bauzeit. Der nächste Grundstein soll für das Gebäude gelegt werden, in dem künftig der künstlerisch-praktische Unterricht stattfindet. Für die architektonische Gestaltung hat die Waldorfschule mehrere Baukünstler zu einem Colloquium eingeladen.

Nach der langen Zeit des Wartens und in Vorfreude auf das neue Haus zelebrierten Lehrer und Schüler die gestrige Grundsteinlegung mit Musik, Gesang und feierlichen Reden. Die Zeit der Provisorien geht zu Ende. Doch wünscht sich der ehemalige Schüler Johann Lieb, dass die für die Visionen einer neuen Schule aufgebrachte „Kraft und Vitalität“ am Fuße des Seebergs weiterhin eine feste Adresse haben. Peter Könnicke