Potsdamer Neueste Nachrichten 20.04.07
Birken
in der Kirsch-Allee
Georg Heinze sorgt sich um die Zierkirschen in der Hohen Kiefer: Er warnt
vor "biologischer Vernichtung"
Kleinmachnow - Die
vorbeifahrende Radlerin schmunzelt leicht belustigt. Sieht vielleicht auch
wirklich drollig aus, wie der Mann mit der Schiebermütze, unter der die grauen
Locken hervorlugen, auf dem Bürgersteig steht und mit reichlich Gestik über
Bäume und Sträucher an der Hohen Kiefer doziert.
Georg Heinze ist eben engagiert, wenn es um Pflanzen geht. Wer will es dem einstigen
Gartenbaumeister mit fast 40 Berufsjahren verübeln. Vor einigen Jahren hat er
sich schützend vor die bedrohten Alteichen im alten Dorfkern gestellt. Unter
seiner Regie wurden vier Umweltmammutbäume von der Förster-Funke-Allee ins
Bäketal umgesetzt. Nun gilt es, die Zierkirschen an der Hohen Kiefern zu
retten.
Heinze ist so richtig in Fahrt. Soeben
hat er erzählt, wie er 1984 ungefragt von seinem damaligen Arbeitgeber, der
Gärtnerischen Produktionsgenossenschaft „Alpina“ zum ehrenamtlichen Ortsnaturschutzbeauftragten
(ONB) an die Gemeinde abdelegiert wurde. Dann erklärt er, dass der Grünstreifen
gegenüber dem katholischen Pfarrhaus in DDR-Zeiten deshalb kahl blieb, weil die
Stasi einen freien Blick auf die Kirchenleute brauchte. Und schließlich verkündet
er, dass er jetzt eine Dokumentation angelegt hat, die belegt, dass „die vom
Gemeindegrün keine Ahnung haben und gezielt falsch informieren“. Gemeint sind
die Mitarbeiter im Bauamt, die für die örtlichen Grünflächen zuständig sind. Er
nehme jetzt kein Blatt mehr vor den Mund, kündigt Gartenbaumeister a.D. Heinze,
an, um sogleich zu befinden: „Kleinmachnow als Ort für Wohnen im Grünen hat
andere Verwaltungsangestellte verdient.“
Der Grund, der zu diesem vernichtenden Urteil führt, befindet sich an der Hohen
Kiefer: eine Allee von Zierkirschen, die derzeit in schönster Blüte steht. Die
Pracht in Rosa beeindruckt die örtliche CDU so sehr, dass sie morgen zu einer
Wanderung zu der blühenden Landschaft einlädt. Heinze wird die Gelegenheit
nutzen und die Christdemokraten warnen – „vor einer zielgerichteten Verdrängung
und Vernichtung der Zierkirschen.“ Er wird von „biologischer Vernichtung“
sprechen, verursacht durch die „Unkenntnis“ im Gemeindeamt. Denn dort hat man
Anpflanzungen von Baum- und Strauchgehölzen mitten in die zweireihige
Zierkirschenanlage veranlasst, was diese im Laufe der Zeit zerstören wird. So
graben Birken, die ohne erkennbare Notwendigkeit gepflanzt wurden, den
Zierkirschen das Wasser ab. An einigen Stellen wird der Kampf der Gehölze bereits
bestens illustriert: Im Schatten einer stämmigen Birke kümmert eine 20-jährige
Zierkirsche kläglich dahin. Spindeldürr und ohne Blüten. Ihren Artgenossinnen
drohe das gleiche Schicksal, wenn in ihrer Nachbarschaft die neu gepflanzten
Birken heranwachsen. Auch Eiben, Ebereschen, Nadelbäume und Sträucher ranken
mitten in der Zierkirschenallee. Sie wirken wie Fremdkörper, wie Graffiti auf
einer schmucken Fassade. Im Protokoll einer Sitzung des Kleinmachnower
Umweltausschusses, in dem Heinze bereits vor zwei Jahren Sorge und Unmut
kundtat, ist eine Erklärung des Bauamts zur Sache notiert. Es wird erfreut auf
die „verschiedenen Blüharten und -formen mit unterschiedlicher Farbgebung“
verwiesen, die Gehölze werden als „wichtiger Staub- und Sichtschutz“ verteidigt.
„Sichtschutz wovor?,“ fragt indes Heinze. „Vor den Zierkirschen?“ Während das
Bauamt den Misch-Masch mit einer Farbvielfalt rechtfertigt, sieht Heinze den
einzigartigen Alleencharakter verlorengehen. Auf eine Antwort, weshalb die
Birken, Eschen und Sträucher überhaupt in die Kirsch-Allee gepflanzt wurden und
wer für die Pflege der Anlage zuständig ist, warte Heinze bis heute vergeblich.
Die Geschichte der Zierkirsche in Kleinmachnow ist 67 Jahre alt. Als der
Bosch-Konzern an der Hohen Kiefer für seine Arbeiter der Dreilinden
Maschinenbaufabrik an der Hohen Kiefer eine Wohnsiedlung baute, verzierte er
diese 1940/41 mit der zweireihigen Allee. In den 80er Jahren wurde nahezu der
gesamte Bestand gerodet, weil eine zentrale Abwasserleitung in die Erde kam und
der Grünstreifen verlegt wurde. Es war der Ortsnaturschutzbeauftragte Heinze,
der jährlich für die Erfüllung seines Ehrenamtes ein Budget einforderte und
somit die Zierkirschen-Allee Mitte der 80er Jahre wieder angelegen konnte.
Insgesamt machte Heinze bei der Gemeinde 26 000 Mark locker, mit denen 700
Bäume und Gehölze gepflanzt wurden. Um auch weiterhin zu sehen, „was man vor
Jahren gemacht hat“, fordert Heinze in der Kirsch-Allee die Rodung bzw.
Umsetzung der artfremden Bäume und Sträucher. Und in den Amtsstuben hält er
„personelle Konsequenzen“ für nötig.
Schließlich, so seine Empfehlung, sollte man sich an Teltow ein Beispiel
nehmen. Dort wurde nach 1989 auf dem einstigen Grenzstreifen eine Allee von
Zierkirschen angelegt – Japan hatte Brandenburg nach dem Mauerfall 1000
Zierkirschen geschenkt. In Teltow feiert man das Geschenk jedes Jahr mit einem
Kirschblütenfest. Peter Könnicke