Potsdamer Neueste Nachrichten 18.04.07
Workshop beleuchtet Potenziale für Radtourismus / Wegekonzept zeigt Möglichkeiten und Hürden
Kleinmachnow - Micheal
Lippoldt ist etwas in Sorge geraten. Soeben hat er von dem Tourismusexperten
Andreas Lorenz gehört, dass jährlich über eine Million Berliner mit dem Rad
Ausflüge in der Mark unternehmen. Jeder zehnte Radtourist verlässt mehr als
zehn Mal im Jahr die Stadtgrenze per pedales. Die Vorstellung, dass unter
Umständen Millionen Hauptstädter durch Kleinmachnow – quasi den Berliner
Vorgarten – radeln, ist Lippoldt etwas unheimlich. „Da verlässt einen der Mut
vor der eigenen Courage.“ Der Kleinmachnower engagiert sich in der Interesengemeinschaft
„Teltowkanalaue“, die engagiert und nachhaltig Rad- und Wanderwege an den Ufern
der Wasserstraße fordert. Am Montag hatte die Initiative gemeinsam mit der IHK
zu einem Workshop „Radtourismus am Teltowkanal“ eingeladen.
Doch letztlich sind es die Potenziale der Kanalaue, die an der Idee festhalten
lassen, den Natur- und Landschaftsraum mit seinen Wegmarken wie dem
Südwestkirchhof oder der Hakeburg zu einem Regionalpark zu gestalten. Ein
leichtes Relief, Wassernähe, schnelle Erreichbarkeit, ÖPNV-Anschluss definiert
der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) als Kriterien für einen gut
funktionierenden Radtourismus. Das Terrain am Teltowkanal erfüllt diese
Konditionen bestens. Ziel müsse es daher sein, „den Teltowkanal als eigenes
radtouristisches Produkt zu definieren“, so Tourismusberater Lorenz.
Ohne Hindernisse von Zehlendorf bis Griebnitzsee
zu radeln oder zu wandern, ist erklärtes Ziel der Interessengemeinschaft.
Bislang ist das nicht möglich. An der Rammrathbrücke in Teltow zum Beispiel
gibt es kein Weiterkommen. Auch durch die Kiebitzberge führt kein Weg, ebenso
markiert die Machnower Schleuse einen Endpunkt. Barbara Markstein vom Büro
„Ökologie und Planung“, das im Auftrag der drei Kommunen ein Konzept für ein
durchgängiges Wegenetz erarbeitet, hat vier „Wertstufen“ des gegenwärtigen
Zustandes der Wege ermittelt. So gibt es bereits gut begeh- und fahrbare sowie
asphaltierte Strecken, aber auch kaum oder nicht nutzbare Abschnitte. 10 der ingesamt
18 Kilometer gehören zum Betriebswegenetz der Wasser- und Schifffahrtdirektion,
mit der über eine Nutzung verhandelt werden müsste. Fünf weitere Kilometer
gelten als unproblematisch, drei hingegen als „sehr kompliziert“, da der
Wegebau aus naturschutzrechtlicher Sicht schwierig sei. Brandenburgs
Landesregierung hat in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des
SPD-Abgeordneten Jens Klocksin bereits angekündigt, dass Eingriffe in
Naturräume beim Wegebau einer strengen Prüfung bedürfen. Als nächstes soll das
Konzept nun der Wasserstraßen- sowie Naturschutzbehörde vorgestellt werden.
Zudem gilt es, die exakten Kosten zu ermitteln und Fördermittelchancen zu
prüfen.
Ganz gleich, ob die Wege links und rechts des Kanals zur touristischen
Transitstrecke avancieren oder sie dazu beitragen, die Verweildauer und
Aufenthaltsqualität zu erhöhen – der Radfahr- und Naherholungstourismus würde
die örtliche und regionale Infrastruktur bereichern und das Gastronomie- und Beherbungsgewerbe
ankurbeln. In Deutschland werden jährlich durch den Fahrradtourismus fünf
Milliarden Euro umgesetzt, allein im Land Brandenburg steigen 500 000 Freizeitpedaleure
vom Rad in Hotels und Pensionen ab. In Teltow bietet das direkt am Kanal
gelegene Hotel „Courtyard by Marriot“ einen „Bett & Bike“-Service an. Für
eine bessere Vermarktung der Angebote und Potenziale wünscht sich Hotel-Chefin
Siegrid Stelling, dass die Tourismus Marketing Brandenburg GmbH auch den
Teltowkanal als Ausflugziel propagiert.
Lippoldts Sorge, dass Berliner Pedalritter in Scharen in Kleinmachnow
einfallen, teilt Tourismusexperte übrigens nicht. Der Ansturm ließe sich durch
eine „bewusste Planung und Wegeführung“ beherrschen. P. Könnicke