Potsdamer Neueste Nachrichten 11.04.07

 

Gehörnter Moses unterm Abendmahl

Neuer Anziehungspunkt in Kleinmachnower Kirche: Altar aus 16. Jahrhundert für 50 000 Euro restauriert

Von Kirsten Graulich

Kleinmachnow - Mehr als die Hälfte der Kleinmachnower Gemeindemitglieder haben den Altar der Dorfkirche in seiner ganzen Pracht noch nie gesehen. Denn zehn Jahre lang war die Innenseite des Flügelaltars für die Gemeinde nicht sichtbar, weil er aufwändig in der Dresdener Hochschule für Bildende Künste restauriert wurde. Unter Leitung von Professor Schießl forschte man dort nach neuen Methoden, um die Reliefbilder auch für die Zukunft erhalten zu können. Teile des Bildträgers wurden durch Basaltholz ersetzt und Fehlstellen gekittet.

Rund 50 000 Euro hat der Förderverein für die gesamte Restaurierung gezahlt. Die beiden letzten Tafeln des Passionszyklus kamen vor kurzem wieder nach Kleinmachnow zurück. Am Karfreitag war der Altar erstmals wieder vollständig dort in der Kirche zu sehen. Der Andrang zur musikalischen Vesper mit dem Kammerchor der Kantorei war so groß, dass etwa 70 Besucher draußen bleiben mussten, weil sie nicht in die Kirche passten. Am Sonntag nutzten daher zahlreiche Besucher das neue Angebot der „offenen Kirche“ von 14 bis 17 Uhr, um den Schnitzaltar zu besichtigen, den Hans Zinckeisen 1599 im Auftrag der Kirchenpatrone Otto von Hake und seiner Ehefrau Margarete geschaffen hatte.

Die Mitteltafel stellt das Abendmahl dar – gemäß der lutherischen Reformation besonders wertgeschätzt. Jesus sitzt zwischen seinen Jüngern, allerdings sind es nur elf – Judas Iskarioth hat das Mahl bereits verlassen. Lieblingsjünger Johannes sitzt auf Jesus Schoß – ein Ehrenplatz. Der Künstler nahm den Bibeltext „lag an Jesu Brust“ wörtlich. Verständlich wird dieser aber erst, wenn man die Tischsitten der Antike studiert, in der das Liegen bei Tische gebräuchlich war. Das Lamm als Tischspeise symbolisiert als Opfertier auch die Vergebung der Schuld. Erst seit dem 15. Jahrhundert erscheint dieses Symbol auf Abendmahlsdarstellungen und erinnert an das jüdische Passamahl.

Auf den Flügelbildern sind weitere Passionsszenen zu sehen. Links oben: Jesu Gebet im Garten Gethsemane. Darunter die Fußwaschung. Im rechten Flügel zeigt die obere Tafel: Jesus wird vom Hohepriester Kaiphus verhört, der so empört über dessen Bekenntnis ist, das er sich das eigene Gewand zerreißen möchte. Gleichzeitig ist auf dem Bild Petrus’ Verleugnung gegenüber einer Magd dargestellt. Vermutet wird, dass auf diesem Bild einst auch ein krähender Hahn auf der linken Säule stand.

Darunter ist der Zyklus der Grablegung zu sehen, auf dem Josef, Maria und der Jünger Johannes den Leichnam in ein Tuch hüllen und in einem Sarkophag beisetzen. Die Kreuzigung wurde in die Krone des Altaraufbaues eingeordnet. Auch die Predella unter dem Mittelschrein gehört zu den Altarbildern. Darauf ist der alttestamentarische Moses vor dem brennenden Dornbusch zu sehen. Moses ist an zwei Hörnern auf seiner Stirn zu erkennen. Das resultiert aus einem beinahe steingewordenen Übersetzungsfehler, der endlos wiederholt wurde und auf den Bibelübersetzer Hieronymus zurückgeht. Der hatte im Urtext die hebräischen Wörter keren (gehörnt) und karan (glänzend) verwechselt. Das machte aus einem freudestrahlenden Moses einen, der „... auf seinem Angesicht Hörner trug“.

Die Dorfkirche von Kleinmachnow gilt mit der teilweise aus der Bauzeit stammenden Innenausstattung als eine der beeindruckendsten Dorfkirchen der Region. Der restaurierte Altar gilt als schönes Beispiel aus der brandenburgischen Renaissance.