Potsdamer Neueste Nachrichten 01.03.07
Architekt Fred Weigert stößt an Grenzen, seine Ideen zur Ortsentwicklung politisch umzusetzen – auch in den eigenen CDU-Reihen
Sie haben in
der jüngsten Gemeindevertretersitzung nach dem Beschluss zur
Verkehrserschließung der Kiebitzberge ihren Rücktritt aus der CDU/FDP-Fraktion
erklärt. Manche hielten Ihre Reaktion für überzogen. Doch offenbar stimmte die
Chemie zwischen Ihnen und der Fraktion schon eine ganze Weile nicht mehr.
Es hat seit längerem immer wieder Differenzen bei Stadtplanungsthemen
gegeben. Ich habe immer wieder versucht, die Zusammenhänge zu interpretieren
und zu erläutern. Schon mein Rücktritt aus dem Verkehrsausschuss war ein
Zeichen, dass eine Veränderung stattfinden muss, wenn man weiterhin erfolgreich
miteinander arbeiten will.
Was geht schief bei der
Kleinmachnower Ortsentwicklung und Stadtplanung?
Man nimmt das Thema Stadtreparatur nicht ernst. Seit seiner Gründung
vor gut 100 Jahren hat Kleinmachnow verschiedene Entwicklungsphasen durchlebt,
wobei die größte Veränderung nach 1990 festzustellen ist. Die ersten 15 Jahre
nach der Wende haben den Ort so verändert, dass er in seinem Charakter nicht
mehr das ist, wofür man ihn Jahrzehnte lang gehalten und geschätzt hat. Anfangs
war auf diese Fehlentwicklung niemand vorbereitet. Doch man hat es versäumt,
die Veränderungen allmählich aufzufangen und Einhalt zu gebieten, um dann die
Ortsentwicklung wieder vernünftig zu steuern. Daher kommt auch dieser, von mir
zu Beginn der Legislaturperiode geprägte Begriff der Stadtreparatur. Die
wichtigsten Bereiche, wo man dafür Impulse setzen kann und die eine
Ausstrahlung auf den gesamten Ort haben, sind der Seeberg, die Kiebitzberge und
das alte Dorf.
Was gilt es konkret zu reparieren, um dem ursprünglichen Charakter des
Ortes gerecht zu werden?
Der besondere Ruf Kleinmachnows im Südwesten von Berlin ist entstanden
durch eine Künstlerkolonie, begründet durch verschiedene Leute wie Arnold
Schönberg. Man hat in Kleinmachnow ein Flair gesucht, das man heute nicht mehr
findet. Kleinmachnow hatte keinen Ruf als Waldsiedlung, sondern als
Künstlerkolonie mit wertvollen Bauten. Auch die Sommerfeld-Siedlung hat
Kleinmachnow ein bestimmtes Gepräge gegeben: Nach der Inflation haben hier viele
Berliner ein neues Zuhause gefunden. Dieses Flair ist nach 1990 zerstört
worden.
Wodurch?
Durch Parzellierungen. Wertvolle Grundstücke in der Alten Zehlendorfer
Villenkolonie sind zur Unkenntlichkeit zersiedelt und mit einer Qualität bebaut
worden, die der ursprünglichen in keiner Weise gleicht. Die jüngste
Zersiedelung und Bebauung des Grundstücks der Lilly-Braun-Villa steht als
Synonym für diese Entwicklung.
Mit welchen Methoden oder Instrumenten hätte man gegensteuern können?
Das Instrument ist das Baugesetzbuch. Es gibt uns die Instrumente,
Methoden und Verfahren, mit denen alles zu regeln ist.
Nun werden Sie niemanden vorwerfen, Kleinmachnow wurde in den letzten
Jahren vorbei am Baugesetz entwickelt.
Nein, das tue ich nicht. Aber dessen sinnvolle Anwendung, ist eine
andere Sache. Gemeindeverwaltung und -vertretung haben zwei Dinge zu beachten:
die Entscheidungen in der Sache und die Entscheidungen in der Politik. In der
Sache sollte man zumindest wissen, dass es derart komplexe Dinge gibt, die man
selbst nicht bewerten und entwickeln kann und sich deshalb sachkundiger
Experten bedienen muss …
… so wie Sie beim Seeberg einen Architekten-Workshop vorgeschlagen haben
…
… zum Beispiel. Das Ziel sind qualifizierte Entscheidungsgrundlagen.
Man kann sich einer offenen Planungswerkstatt bedienen oder Wettbewerbe
ausrufen.
Warum ist die Bereitschaft in Kleinmachnow nicht so ausgeprägt, solche
Expertenrunden zu initiieren?
Es ist zunächst das mangelnde visuelle Vermögen. Man darf das nicht
voraussetzen, aber man sollte sich darum bemühen. Der bereits beschlossene
Wettbewerb für den Seeberg wurde ja mit der Begründung abgesagt, dass die
Internationale Schule das Gelände gekauft hat und eine Wohnbebauung nicht mehr
zu befürchten ist. Das war ein folgenschwerer Irrtum, denn der Wettbewerb hätte
einer Raumordnung dienen sollen, die in den nächsten Jahrzehnten die
Entwicklung dieses Ortes bestimmen sollte. Alles, was in den nächsten 10 bis 30
Jahren auf dem Seeberg entsteht, hätte in diesem Raumordnungsverfahren geregelt
werden können. Jetzt hat man ein Problem gelöst und zwei neue geschaffen. Das
ist Alltag in Kleinmachnow und das Beklagenswerte in der hier praktizierten
Raumordnungspolitik.
Warum ist es Ihnen nicht gelungen, auch nicht in der eigenen Fraktion,
dieses visuelle Vermögen zu schärfen und zu mehr Weitsicht zu animieren?
Für eine Visualisierung ist ein mittlerer bis großer Aufwand zu
betreiben. Dazu müsste man Entwürfe und Modelle erarbeiten. Das kostet Geld,
welches sich durchaus lohnen würde, wenn man die Auswirkungen ermessen könnte.
Da man die Auswirkungen aber für gering hält, investiert man nicht. Die Schäden
sind um ein Vielfaches höher als die nötige Investition. In den Kiebitzbergen
ist das ähnlich. Da haben wir ein Provisorium: Schwimmbad und Sportforum sind
nicht aus einem Raumordnungsverfahren hervorgegangen. Nun haben aufgrund von
Bürger-Klagen Gerichte die mögliche Unrechtmäßigkeit angedeutet, weshalb
versucht wird, schnell „fest zu zurren, was fest zu zurren geht“, so der Bürgermeister
in der jüngsten Gemeindevertretersitzung. Entschieden wird sich nicht für die
beste, sondern billigste Lösung.
Im Gegensatz zu Ihrer Fraktion wollten Sie beim Festzurren nicht
mitmachen.
Ich kann das nicht. Dann müsste ich meine Berufsbezeichnung als
Architekt ablegen. Die Probleme in Kiebitzbergen werden mit der geplanten
Regelung nicht gelöst. Die Sportanlagen haben einen überregionalen Charakter
und werden zunehmend Kunden locken. Damit wird Verkehr entstehen, den man nicht
durch ein reines Wohngebiet führen kann.
Sie haben sich um ein Mandat für die Gemeindevertretung beworben, um
Ihren Sachverstand und Ihre Kompetenz als Architekt einzubringen. Sind Ihr
Beruf, so wie Sie ihn verstehen, und die Tätigkeit des Feierabendpolitikers in
Kleinmachnow vereinbar? Offenbar gibt es da Grenzen.
Das ist genau der Punkt und daraus resultiert auch das Zerwürfnis mit
der Fraktion. Natürlich habe ich mich in erster Linie dafür zur Verfügung
gestellt, um bei Fragen des Verkehrs und der Stadtplanung zu helfen. Wenn es
aber so weit kommt, dass meine Meinung nicht mehr gehört werden will, trennen
sich die gemeinsamen Wege.
Bringen Sie kein Verständnis für gewisse Zwänge Ihrer Fraktionskollegen
auf, die eben nicht nur aus städtebaulicher Sicht, sondern vielleicht auch
wegen finanzieller Aspekte Situationen anders bewerten als Sie?
Ich bringe Verständnis für jeden auf, der die direkten Zusammenhänge in
der Raumordnung nicht sofort erkennt. Aber ich erhebe den Anspruch, dass jemand
mit parlamentarischer Verantwortung sich vor Entscheidungen sach- und
fachkundig macht. Wer dazu nicht bereit ist, soll Platz machen für andere. Ich
erwarte auch, dass jemand, der Jahrzehnte in Kommunalverwaltungen gearbeitet
hat, diese Zusammenhänge besser kennt als ich. So wünsche mir von einem
Fraktionschef mehr Teamfähigkeit und soziale Kompetenz. In der CDU/FDP-Fraktion
gibt es keinen primus inter pares als Vorsitzenden, sondern jemanden, der mit
einem Verhalten, wie man es aus einer Oligarchie kennt, versucht, mit wenigen
Leuten den ganzen Ortsverband zu unterjochen. Ein Team sollte
unterschiedliche Fähigkeiten zusammenbringen, um anstehende Aufgaben zu
erledigen. Da ist in der CDU/FDP-Fraktion Handlungsbedarf angesagt.
Sehen Sie für Ihre Vorstellungen der Ortsentwicklungspolitik Gleichgesinnte?
In der CDU den einen oder anderen. Im Ort eine ganze Menge. Ich finde
Ansprechpartner bei den Bürgern für gute Lebensqualität in Kleinmachnow oder
bei UBK/Wir. Es gibt ein Potenzial, das an einer guten Ortsentwicklung
interessiert ist.
Wie kann man das sinnvoll und effektiv bündeln?
Es gibt nur einen Weg: Man muss immer wieder mit den Finger zeigen und
das Wort erheben. Mit jedem Reden wächst ein klein wenig Verständnis. Ich
wünsche mir für Kleinmachnow, dass man seine Bedeutung Stück für Stück wieder
erkennt und zumindest Teile davon rettet.
Das Gespräch führte Peter Könnicke