Potsdamer Neueste Nachrichten 01.03.07
Landesregierung will Leistungsklassen, Randregionen machen nicht mit, Überangebot in Region Potsdam
Potsdam - Die neuen
Leistungs- und Begabungsklassen werden nicht im ganzen Land Brandenburg
eingeführt. Das Bildungsministerium will jetzt zwar 34 Elite-Klassen
genehmigen. Entsprechend dem von der SPD-CDU-Koalition jüngst beschlossenen
Schulgesetz dürfen dort begabte Grundschüler schon ab der 5.Klasse und nicht
erst wie üblich ab 7.Klasse ein Gymnasium besuchen. Vier der vierzehn
Landkreise bleiben nach PNN-Recherchen aber weiße Flecken.
Das Ministerium bestätigte, dass zum Schuljahr 2007/2008 keine Leistungsklassen
in den Kreisen Uckermark, Prignitz, Oberhavel und Elbe–Elster eingerichtet
werden. Begabte Kinder werden dort nicht nach der 4.Klasse in spezielle Klassen
wechseln können, wo mathematische, musische oder Sprachen-Talente gezielt
gefördert würden. In Potsdam-Mittelmark hingegen wird es Leistungsklassen in
Kleinmachnow, Werder und Belzig geben. Und weißen Flecken im Land steht ein
drohendes Überangebot in der Landeshauptstadt Potsdam gegenüber, wo erbittert
darum gestritten wird, gleich fünf Klassen einzurichten. Auch aus Sicht des
Bildungsministeriums sind das „zu viele“. Gleichwohl hat das Ministerium alle
fünf Konzepte gebilligt – und überlässt die Entscheidung der Stadt.
Die PDS-Opposition, die die
Elite-Klassen strikt ablehnt, spricht von einem „Flickenteppich“. Die
„regionale Ausgewogenheit der Bildungsangebote ist zerstört“, sagt etwa
Bildungsexpertin Gerrit Große. Die Gründe dafür sind vielschichtig, der
wichtigste: Das Gesetz sieht keine Pflicht und kein Regionalprinzip vor, die
Klassen überall einzurichten. Außerdem müssen die Kreistage und
Stadtverordnetenversammlungen zustimmen. Die Folge: Uckermark, Prignitz und Oberhavel
haben die Einrichtung von Leistungsklassen torpediert. In den beiden
Nordkreisen gab es, begründet mit Schülermangel, erst gar keine Bewerbungen von
Gymnasien. In Oberhavel hat der Kreistag mit rot-roter Mehrheit Anträge von
Gymnasien abgelehnt – aus politischen Gründen. SPD und PDS sind gegen eine zu
frühe Auslese. Auch in der Regierungskoalition hatte die CDU die
Leistungsklassen gegen den Widerstand der SPD durchgesetzt. In Elbe-Elster ist
die Lage anders. Dort bewarben sich zwei Gymnasien, scheiterten aber am Veto
des Bildungsministeriums, das die Konzepte für „zu schlecht“ hielt. Doch auch
die Genehmigungspraxis des Ministeriums ist umstritten. Selbst Experten aus dem
Regierungsapparat sprechen von einem „heillosen Durcheinander“.
In dieser Woche segnete die Regierung eine bis zuletzt mit Austauschblättern
immer wieder nachgebesserte Kabinettsvorlage von Schulminister Holger Rupprecht
(SPD) über die neuen Klassen ab. „Alle Kinder haben einen Anspruch auf
individuelle Förderung“, heißt es darin. „Dies gilt auch für begabte und
hochbegabte Schüler.“ Es gilt nur nicht im ganzen Land - zum Ärger des
CDU-Koalitionspartners. Dort erinnert man sich auch daran, dass
SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck eine Regierungspolitik „aus einem Guss“
versprochen hat und in der Förderalismusdebatte für ein Ende der
bildungspolitischen Kleinstaaterei in Deutschland plädierte. Die Brandenburger
„Kleinstaaterei“ vertieft auch die Unterschiede in der Region. Berlin habe
keine solchen Klassen eingerichtet, so die Kabinettsvorlage, „Es verfolgt in
dieser Hinsicht eine andere bildungspolitische Ausrichtung.“