Potsdamer Neueste Nachrichten 06.02.07

Finnisches Vorbild überzeugt nicht

Die Grünen der Region werben für eine Gemeinschaftsschule – das Publikum wählt das Gymnasium

Von Kirsten Graulich

Kleinmachnow - „Wir brauchen neue Schulen“, forderte Barbara Sahlmann, Vorstandssprecherin der Kleinmachnower Grünen, nach über zwei Stunden Schuldebatte. Zu der Veranstaltung hatten die Grünen der Region vor wenigen Tagen ins Kleinmachnower Rathaus eingeladen und rund 50 Interessierte waren gekommen. Doch ob die Gemeinschaftsschule nach finnischem Vorbild das richtige Modell für die Region sein könnte, bleibt nach dieser Debatte abzuwarten.

Zwar führt in Finnland diese Schulform mit einer Übergangsquote von fast 80 Prozent zum Abitur, aber in der abendlichen Befragung, plädierte nur ein Drittel der Zuhörer für die Gemeinschaftsschule, während ein Drittel von diesem Modell nicht überzeugt war. Der Rest gab an, diese Schulform nicht zu kennen. Der Zuspruch fürs Gymnasium lag dagegen bei 75 Prozent. „Der Bedarf an mehr gymnasialen Kapazitäten wird aber noch nicht von allen Beteiligten in den Kommunen gesehen", stellte der Stahnsdorfer Grüne und Gemeindevertreter Gunnar Schilling fest. So könne man im Protokoll zum Schulentwicklungsplan nachlesen, dass Stahnsdorf meine, ein weiteres Gymnasium sei nicht notwendig, da vom Landkreis dieser Bedarf gedeckelt werden könne. „Die Eltern bekommen aber nicht mit, dass dabei auch ein Belziger Gymnasium als erreichbar gilt“, klärte Schilling auf. Anhand von Zahlendiagrammen verdeutlichte er, dass sich der Trend zum Gymnasium durch weiteren Zuzug noch verstärken werde. Es dürfe aber nicht nur freien Trägern und Privatschulen überlassen werden, den Bedarf zu decken. Ebenso sei es nicht hinnehmbar, dass Schüler zunehmend auf Berliner Schulen ausweichen würden, mahnte Schilling.

Nicht sonderlich beglückt sei man im Nachbarbezirk Steglitz-Zehlendorf über die Brandenburger Schüler, erklärte dazu Irmgard Franke Dressler (Grüne) aus Zehlendorf. Sie schilderte die Raumsituation am Siemens-Gymnasium, wo im Chemie-Fachkabinett eigentlich nur Platz für 15 Schüler sei, sich aber dort meist 22 zusammen drängen müssten. Etwa 1000 Schüler lernen an diesem Gymnasium und mit einer durchschnittlichen Klassenfrequenz von 30 Schülern sei bei den begrenzten Räumlichkeiten längst das Ende der Fahnenstange erreicht. Dass einige Schüler trotz sicherem Platz auf einem der beiden Gymnasien in Teltow und Kleinmachnow sich dann doch für Berlin entscheiden, könnte den Eltern dort gar nicht mehr vermittelt werden, meinte Franke-Dressler: „Das treibt vor allem Zehlendorfer Eltern auf die Palme.“

Schüler, die nach Berlin wollen, seien schwer zu überzeugen, in der Region zu bleiben, sagte Winfried Heileck, Schulleiter des Teltower Kant-Gymnasiums. Er sieht vor allem sozialen Zündstoff in einer Gymnasialquote von 70 Prozent, die andere weiterführenden Schulen zur „Restschule“ werden lässt. Heileck plädierte daher: „Auch nach der Oberschule muss es für Spätentwickler noch einen Weg zum Abitur geben.“ Für eine vielfältige Bildungslandschaft sprach sich gleichfalls der PDS-Kreistagsabgeordnete Thomas Singer aus. Nicht akzeptabel sei für ihn, was auf der Pressekonferenz zum Einzug eines evangelischen Gymnasiums in die Gorki-Gesamtschule verkündet worden sei (PNN berichteten). Singer: „Das ist nur ein Umverteilen von Schülerzahlen.“ Kritik zum Vorpreschen kam auch von Barbara Sahlmann, weil Bürgermeister Wolfgang Blasig in "Grafenmanier" entschieden habe, ohne vorher Bürger und Gemeindevertreter zu fragen. Als „feindliche Übernahme“ und „Schülerverschiebebahnhof“, bewerteten andere Teilnehmer den Plan, da damit das Ende der gymnasialen Oberstufe der Gesamtschule besiegelt werde.

Kritik gab es auch zum Schulentwicklungsplan des Landkreises. „Man muss wissen, dass dieses Papier eine bestimmte Funktion hat, nämlich den Willen des Kreises zu dokumentieren“, sagte Martin Köhler vom Kreiselternrat. Und der Kreis, so Köhlres Vorwurf, sei bestrebt, die Zahlen fürs Gymnasium nach unten zu redigieren. Zudem würde bereits an den „Stellschrauben einer neuen Verordnung zur gymnasialen Oberstufe gedreht“. Dieses Dokument sei aber noch unter Verschluss, informierte Köhler.