Potsdamer Neueste Nachrichten 10.01.07
"Sie
können auch Kulturdirektor dazu sagen"
Als Einzelkämper verabschiedet sich Christian Grützmann aus dem
Kleinmachnower Ortsparlament – um an anderer Front wieder aufzutauchen
Herr Grützmann, sind Sie naiv?
Ja.
Warum?
Ich möchte alles vereinfachen und in gewisser Weise alles auf den Punkt
bringen, so dass es auch der Naive versteht.
War es nicht naiv zu glauben, in Kleinmachnow Politik machen zu können,
ohne Mitglied einer Partei zu sein?
Nein durchaus nicht. Als Parteiloser Politik zu machen, ist die
wirksamste Waffe. Es ist ein spürbarer Trend in der Gesellschaft, auch
außerhalb von Parteien mitbestimmen zu wollen. Die großen Volksparteien haben
auf kommunaler Ebene abgefrühstückt. Nehmen Sie die Neujahrsansprache des
Bundespräsidenten Horst Köhler: Der sagt, dass man die Visionen einzelner
aufgreifen und verfolgen muss. Man mag das für naiv halten. Ich halte es für
wirkungsvoll.
Warum wollen Sie sich dann - als Partei- und Fraktionsloser - aus der
Kleinmachnower Gemeindepolitik zurückziehen und Ihr Mandat niederlegen?
Weil es dort viel zu langweilig ist. Wenn die beiden Vorsitzenden der
SPD- sowie CDU-Fraktion ihre Auftritte inszenieren, hört ja gar keiner mehr zu.
Das ist vertane Zeit. Außerdem will ich mir die Arroganz einzelner Abgeordneter
der großen Parteien und die Kungelei nicht mehr bieten lassen.
Glauben Sie denn außerhalb parlamentarischer Gremien etwas bewirken zu
können?
Sie wissen ja, wie es in der Politik ist: Es wird ja längst nicht alles
in Parlamenten entschieden, sondern dort, wo Ratgeber wirken können und den
direkten Draht und Einfluss zu den Entscheidungsträgern haben. Das ist etwas
sehr demokratisches, wenn eine Autorität - wie ein Bürgermeister - sich beraten
lässt. Dann entsteht daraus ganz wirksame Politik.
Warum denken Sie, dass ausgerechnet Ihre Ideen und Meinungen richtig und
überzeugend sind?
Mein Spezialgebiet ist die Kultur, die ja ein ganz breites Spektrum
hat. Wir können da ganz philosophisch werden, wie Schiller, der sagt: „Kunst ist
eine Tochter der Freiheit." Wenn wir vor diesem Hintergrund Entscheidungen
treffen, sind die ganz einfach richtig.
Warum sollte gemacht werden, was Sie vorschlagen? Sie wollten als
Mitbegründer des Fördervereins für die Kammerspiele den Erhalt des Kulturhauses
und dieses mit neuem Leben füllen. Sie waren äußerst engagiert, doch letztlich
ist die Sache gescheitert und der Verein hat sich aufgelöst.
Die Sache mit den Kammerspielen ist zwar schief gegangen. Aber ich muss
mir nicht vorwerfen lassen, zu wenig diplomatisches Geschick und deshalb nichts
erreicht zu haben. Ich hab ganz einfach nach einem gewissen Zeitpunkt die
Wirklichkeit beurteilt. Und dazu gehört der Eigentümer der Kammerspiele und
auch der Bürgermeister, die als entscheidende Akteure zu keiner Lösung fähig
sind. So hat der Bürgermeister schon lange erkannt, dass unter das Kapitel ein
Schlussstrich gezogen werden müsste. Ich musste zur Kenntnis nehmen, dass sich
neben dem Rathaussaal als Kulturstätte zunehmend andere Bühnen entwickelten - in
der Internationalen Schule, an der Waldorfschule, im Gymnasium, selbst die
Grundschulen haben eigene Räume, wo sie ihre Kunst darstellen können.
Betrachten Sie die Auflösung des Fördervereins als persönliche
Niederlage?
Durchaus, ja. Ich hab irgendwann gesagt, dass ich nicht mehr durch die
Tür der Kammerspiele gehen kann.
Was lernen Sie daraus?
Dass ich zu meinen Wurzeln zurückkehren muss. Man kann etwas Neues
beginnen, indem man sich auf Altes besinnt. Es gab schon einmal die Bemühungen,
in einem Dachverband Künstler und Kulturschaffende der gesamten Region zu
vereinen. Ich sehe mich in einer gewissen Weise als Kulturkoordinator. Sie
können auch Kulturdirektor dazu sagen. Das ist vollkommen egal.
In welcher Weise wollen Sie dabei agieren? Aus dem „Dickicht“ heraus, wie
sie vor Ihrer Zeit als gewählter Volksvertreter gern mit ihrer Wohnanschrift
kokettierten, oder ganz offiziell?
Ich will ja immer Symbole schaffen. Und die Region braucht ein Symbol.
Für mich ist das die Hakeburg. Deren Entwicklung wird dazu beitragen, dass die
Region an Ausstahlung gewinnt, die mich sogar erschreckt, weil es meine Kräfte
übersteigen wird.
Mit Verlaub: Die Hakeburg ist im Besitz einer Immobiliengesellschaft, die
ein Hotel entwickeln und betreiben will? Und Sie hätten es nun gern als
Kulturstätte?
Nein. Es soll hochrangige Gastronomie entstehen. Und die dabei
entstehenden Räume und Säle sollen mit Kultur belebt werden. Wir brauchen einen
vernünftigen Ballsaal, der auch als Kammermusiksaal im kleinen Stil genutzt
werden kann.
Das ist jetzt eine Vision im Sinne der Köhler'schen Neujahrsrede?
Ja, aber mit realistischem Gehalt. Ich habe schon vor zwei Jahren
Gespräche geführt, dass wir in der Region ein Kammermusikorchester haben
müssen, das wir aus Berlin abziehen. Das würde dann das Hakeburg-Kammerorchester
sein.
Ist es nicht illusorisch, dass eine Immobilienpruppe, die die Hakeburg
als Hotel wirtschaftlich betreiben will, dort einen Kammermusiksaal einrichtet?
Keineswegs. Die Investoren haben von Beginn an gesagt, dass sie die
Meinung der Gemeindevertreter hören wollen und habe diese zu Einzelgesprächen
eingeladen. Zufällig war ich der erste, mit dem gesprochen wurde, und bin mit
meiner Idee offene Türen eingelaufen. Die Investoren werden auf der Hakeburg
nichts bewerkstelligen, wenn sie nicht die Akzeptanz der Bevölkerung gewinnen.
Wirtschaftlich trägt sich das Konzept eines Hotels und Boardinghauses nur, wenn
auch Kleinmachnower zur Nutzung der Hakeburg angesprochen werden. Und dafür
bietet sich eine kulturelle Nutzung an. Die beiden großen Investoren auf dem
Seeberg – die Hakeburg-Leute und die Internationale Schule – werden einen
enormen Beitrag zur Entwicklung der Kultur für Kleinmachnow und die gesamte
Region leisten.
Und Sie wollen das koordinieren?
Nicht nur das! Ich möchte, dass Aufgaben erfüllt werden, wenn sie
erkannt und für richtig befunden worden sind. Meine Aufgabe liegt also darin,
den Leuten zu sagen, was sie für die Entwicklung der Kultur zu leisten haben.
Warum sollte man gerade Ihnen glauben, was zu tun ist?
Die Frage beantwortet sich von selbst.
Ach so …
Wer sonst hat einen Überblick über die Kultur in der Region. Das sind
einige Künstler selbst. Aber die können ja nicht sagen, was benötigt wird, denn
das wird in unserer Ich-Gesellschaft ja so interpretiert, dass da jemand nur
sein Säckel vollmachen will. Ich bin fern dieser Anfeindung. Es ist immer
besser, wenn Künstler einen Fürsprecher haben.
Warum enden Ihre Bemühungen um eine Sache häufig in einer Konfrontation?
Es liegt immer am Gegner, welche Art der Auseinandersetzung man wählt.
Ich möchte meine Ellenbogen nicht gebrauchen. Aber ich bin ein emotionaler
Mensch und manchmal gehen die Emotionen mit mir durch.
Was war das für ein Gefühl, als Sie im Gemeindeparlament das erste Mal
die Hand gehoben haben, um etwas zu befürworten oder abzulehnen?
Ich habe durchaus gefühlt, etwas bewegen zu können.
Also ein Gefühl von Macht?
Nein, ich bin kein Machtmensch. Ich bin ein verantwortungsbewusster,
aber sehr kritischer Zeitgenosse.
Hat sich dieses Gefühl während der vergangenen drei Jahre geändert?
Ja. Es wurde zunehmend ein Gefühl der Ohnmacht, das wesentlich vom
Zerfall der bündnisgrünen Fraktion beeinflusst wurde. Da
grün-fundamentalistische Ansichten in den Vordergrund rückten, mehr Wahlkampf
als nachhaltige Politik eine Rolle spielten, war eine wirkliche Zusammenarbeit
mit dem Grünen-Vorstand nicht mehr möglich.
Wann hatten Sie den letzten Kontakt mit dem Ortsvorstand der Grünen?
Hm, das ist vielleicht ein Jahr her. Die Sympathisanten, so wie ich
mich verstanden habe, sollten die Arbeit machen. Aber in Sachfragen sollte ich
mich – als Gemeindevertreter – der Meinung der Ortssprecher fügen. Das
funktionierte nicht, so dass sich die Wege zwangsläufig trennen mussten. Diesen
Schritt vor mir ist Nina Hille (Ex-Fraktionschefin der Grünen in Kleinmachnow,
Anm. d. R.) gegangen. Nur ist sie über das Ziel hinausgeschossen. Statt die
Fraktion zusammenzuhalten, ging sie zur SPD.
Heißt das am Ende nicht doch, dass man eine politische Hausmacht braucht,
um wirksam Politik machen zu können?
Nicht unbedingt. Auch zwei Leute können ein ganzes Gemeindeparlament
dominieren, wenn sie sich auf reine Sacharbeit konzentrieren. Mir ist dafür
leider die Mitstreiterin abhanden gekommen. Auch wenn es früher hieß, „keiner
ist unnütz, man kann immer noch als schlechtes Beispiel gelten“, muss ich mir
durchaus eingestehen: Als Einzelkämpfer ist es schwer.