Potsdamer Neueste Nachrichten 13.12.06
Trägerverein Kammerspiele beendet – frustriert –
Engagemant zur Übernahme des Kulturhauses
Von Peter Könnicke
Kleinmachnow - Wie viel Tassen Kaffee es
waren, die sie bei all den Gesprächen getrunken hat, weiß Ina Schott nicht.
Auch nicht, wie viel Telefonate sie geführt hat. Am Ende waren es nicht genug.
Nach zwei Jahren konstatiert sie für den Trägerverein, der die Kleinmachnower
Kammerspiele betreiben will, keinen Schritt voran gekommen zu sein. Angetreten,
um die traditionsreiche Kulturstätte zu reanimieren, steht der Verein vor der
Frage, sich zum Winterschlaf zurückzuziehen oder ganz aufzugeben.
Die Idee klang viel versprechend: Nachdem der Pachtvertrag für die bis dahin
von der Gemeinde betriebenen Kammerspiele vor drei Jahren auslief und
Eigentümer Karl-Heinz Bornemann selbst Regie für das Haus und damit eine kaum
zu bewältigende Aufgabe übernahm, bot sich der eigens gegründete Trägerverein
als Betreiber an. Ina Schott, Berliner Dramaturgin und Veranstaltungsmanagerin,
sowie Theaterregisseur Frank-Patrick Steckel, einst Intendant am Bochumer
Schauspielhaus, hatten die Vision einer Kulturstätte, die an die Tradition des
Hauses anknüpft: ein Ort, wo Kunst und Kultur nicht nur konsumiert werden,
sondern zu geistiger Auseinandersetzung anregen. Schott und Steckel schienen
zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Denn durch Bornemanns Übernahme des Hauses
und der gleichzeitigen Eröffnung des Rathaussaals als neue Kulturstätte sorgten
sich vor allem jene um das Aussterben Kleinmachnower Kultur, die die
Kammerspiele als Ort der Geschichte, Tradition und eigene Wirkungsstätte
begriffen. „Das hat uns bestätigt und ermutigt“, sagt Ina Schott. Zudem hatte
sich kurz zuvor ein Förderverein mit 100 Mitgliedern gegründet, der den Erhalt der
Kammerspiele zum Ziel deklariert hatte. Der Funke war da, ein Feuer zu
entfachen, schien einfach.
Eifrig schrieb der Trägerverein
Konzepte für Finanzierung, Sanierung und Programmgestaltung der Kammerspiele.
Womit der Verein nicht rechnen konnte, ist das Unvermögen der Gemeinde und
Bornemanns, sich über eine Lösung zur eigentumsrechtlichen Zukunft des Hauses
zu verständigen. Nicht einkalkuliert hatte man ein schleichendes Desinteresse
der Politik und eine zunehmende Gleichgültigkeit der Kleinmachnower gegenüber
den Kammerspielen.
Bornemann gilt als schwierig, zuweilen misstrauisch. Grundsätzlich, so meinte
er, sei er bereit, die Kammerspiele an einen geeigneten Träger zu übergeben.
Der Nachweis, dass dies der neue Verein um Schott und Steckel sei, müsse jedoch
erst erbracht werden. Zum anderen traut er der Gemeinde nicht, was diese mit
Haus tatsächlich vorhat, sollte er es ihr verkaufen. Und letztlich ist es eine
Frage des Geldes. Den Preis, den die Kommune in einem Verkehrswertgutachten
ermitteln ließ, hält Bornemann für zu gering. Die Gemeinde wiederum kann nicht
mehr als den Verkehrswert bezahlen – alles andere wäre ein Verstoß gegen das
Haushaltsrecht.
Die Frage ist jedoch, wie groß die Neigung im Rathaus überhaupt ist, sich mit
Bornemann zu einigen und die Kammerspiele zu kaufen – ein unter Denkmalschutz
stehendes Haus mit beträchtlichem Sanierungsaufwand. Tradition hin, Tradition
her: „Selbstgenügsam gibt sich die Verwaltung mit dem zufrieden, was sie an
Kultur im Rathaussaal anbietet“, beklagt Vereinsmitglied Frank Nägele. Ein
bisschen Jazz, etwas Kabarett. Als SPD-Ortschef weiß Nägele allerdings allzu
gut, dass sich nicht nur bei seiner Partei der Erhalt der Kammerspiele im
aktuell gültigen Wahlprogramm findet, der Eintrag aber längst nur eine Floskel
ist. Denn bis auf den Alibi-Beschluss des Gemeindeparlamentes, Bürgermeister
Wolfgang Blasig möge mit Eigentümer Bornemann Verhandlungen aufnehmen, ist auf
politischer Ebene in Sachen Kammerspielen seit zweieinhalb Jahren nichts
Nachhaltiges passiert. Blasig indes kann von sich behaupten, den Auftrag
erfüllt zu haben. Er hat mit Bornemann gesprochen. Das Ergebnis: Die Verwaltung
zeigt mit dem Finger auf Bornemann, der spielt den Ball reflexartig zurück.
„Als Partner, der die Initiative ergriffen hat, wurden wir immer
ausgeschlossen“, bedauert Schott. Vielmehr vermittle man dem Verein das Gefühl,
seine Nase in fremde Angelegenheiten zu stecken.
„Wir haben einen Stand, der langweilig ist“, beklagt Steckel. „Wie soll man da
weiterkommen?“ Zumindest theoretisch müsse doch ein Punkt erreichbar sein, „um
die Kammerspiele endgültig zu beerdigen oder entscheidend voranzukommen.“
Nachdem etliche Bitten des Vereins an Bürgermeister Blasig nach einem Gespräch
unbeantwortet geblieben seien, bewegt sich nun seit einigen Tagen noch einmal
etwas. Da Bornemann das aktuelle Verkehrswertgutachten anzweifelt, verlangt die
Gemeinde nun von ihm eine neue Expertise. Zudem soll Bornemann eine Bilanz für
den laufenden Kinobetrieb vorlegen, was er ablehnt.
Was physikalisch unmöglich ist, geschieht bei den Kammerspielen: der Stillstand
erzeugt Reibungsverluste. Der Förderverein, der voller Enthusiasmus und vielen
Ideen für das Haus an den Start ging, hat lstill und leise aufgegeben. Auch der
Trägerverein ist kurzatmig geworden. Sein Vorsitzender Gunnar Hille hat das
Handtuch geworfen. Ina Schott ist enttäuscht von Lippenbekenntnissen, denen
keine Taten folgen. Mit jedem Tag, an dem nichts passiert, reduziert sich der
Identifikationsgrad der Kleinmachnower mit der einstigen Traditionsstätte,
während Hinzugezogene erst gar keinen Bezug finden. Dabei muss sich der
Trägerverein selbstkritisch eingestehen, mit seinen Veranstaltungen nicht den
Nerv der Kleinmachnower getroffen zu haben. Weder Steckels
Freiluft-Inszenierung „Untergang der Titanic“, noch die Lesereihe „res
publica“, waren erfolgreiche Reklame für die eigene Sache. Die Resonanz war
dürftig. „Wir haben den Tisch gedeckt, essen müssen andere“, so Schott. Doch
die Kost war schlicht zu schwer.
Sollte es sich am Ende darauf reduzieren: Alles ein großes Missverständnis?