Potsdamer Neueste Nachrichten 12.12.06
Weinberg-Viertel: Busse auf der Rennbahn
Havelbus fährt wieder – Unmut bei Bürgerinitiative
Kleinmachnow - Das alte Hake-Geschlecht
würde sich gewiss wundern, welche Renaissance der Adelsstand derzeit in
Kleinmachnow erfährt. Zumindest verbal. Denn der Vorwurf, nach „Gutsherrenart“
zu agieren, ist in diesem Tagen in vieler Munde. Ort des vermeintlich
herrschaftlichen Treibens: das Weinberg-Viertel, zweifelsfrei historisches
Pflaster. Weil das kreiseigene Havelbusunternehmen jüngst kurzum beschloss, die
Linie 629 künftig nicht mehr durchs Viertel zu führen, sondern es – wie es so
schön heißt - nur zu tangieren, kam es zu einem durchaus heftigen politischen
Aufschrei. „Gutsherrenart“ warf der Kleinmachnower Kreistagsabgeordnete Manfred
Schulz der Havelbus-Gesellschaft vor.
In seltener Eintracht fordern die Politiker der Gemeinde und gar des Kreises,
dass die Busse wieder „Im Tal“ und „Am Weinberg“ fahren – immerhin gilt es in
der Gegend vier Schulen zu bedienen. Weil sich aber die Busfahrer nur dann
bereit erklärten, die Route wieder aufzunehmen, wenn die parkenden Autos als
Störfaktoren für eine flotte Passage verschwinden, beantragte díe Gemeinde
erfolgreich bei der mittelmärkischen Verkehrsbehörde ein eingeschränktes
Halteverbot für die Straße Im Tal. Am vergangenen Freitag wurden die Schilder
aufgestellt, was den Vorwurf der „Gutsherrenart“ erneut laut werden ließ.
Adressat diesmal: Bürgermeister Wolfgang Blasig. „Blitzartig“ und
„unangekündigt“ habe der Gemeindechef in einer „Nacht- und Nebelaktion“ das
Parkverbot einrichten lassen, empört sich Matthias Heinrich, Sprecher der
Initiative „Weinberg sind wir“. Die dort rekrutierte Anwohnerschaft hat
überhaupt nichts dagegen, wenn die Busse nicht mehr durchs Karree fahren und
betrachtet daher mit Argwohn, wenn den Brummis nun das Feld bereitet wird.
Ahnungsvoll orakelte Heinrich von einer Rennbahn, die entsteht, wenn parkende
Autos keinen Anlass zur Drosselung mehr geben. Prompt erfüllte sich die
Prophezeiung: Die „Freiräumung“ (Heinrich) der Straßenränder animierte noch am
gleichen Tag einen Autofahrer so sehr aufs Gaspedal zu treten, dass er ein noch
nicht beiseite geschafftes Fahrzeug rammte. Verbeult und fahruntüchtig wurden
beide Autos aus dem Viertel geschleppt.
Die Folgen des Ganzen sind vielseitig.
Neben dem – in diesen Fällen – reflexartigem Vorwurf des
„Schildbürgerstreichs“, prognostiziert Initiativen-Pionier Heinrich „erhebliche
geschäftliche Beeinträchtigungen“ für Büros und Praxen, wenn Kunden in dem
Viertel nicht mehr parken dürfen. Die Anwohner selbst würden eine chaotische
Suche nach Stellplätzen veranstalten. Und der Schulweg sei ja angesichts der
Raserei nun alles andere als sicher, von Verkehrsberuhigung ganz zu schweigen.
Die Gemeinde indes kann – nach einer Reihe missglückter Anträge auf verkehrsrechtliche
Anordnungen in der Vergangenheit – einen Erfolg verbuchen: es durften endlich
einmal Schilder aufgestellt werden. Der Kreistag schließlich, der in der
Vorwoche beschloss, dass Havelbus gefälligst wieder durch Weinberg-Viertel zu
fahren hat, sieht seine Weisungskraft untermauert: Denn inzwischen lenken die
Havelbus-Chauffeure ihre Fahrzeuge wieder durchs Karree. Allerdings pochen sie
noch auf die Erfüllung ihrer zweiten Forderung: Die Löcher in den Straßen
müssen gestopft werden.
Dagegen dürfte keiner etwas haben, eigentlich.