Potsdamer Neueste Nachrichten 10.11.06
Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur weist an der A
115 auf den ehemaligen Grenzverlauf hin
Von Peter Könnicke
Kleinmachnow - Rainer Eppelmann hat die
Schilder nie gesehen, aber er kann sie beschreiben. Sie waren schwarz-rot-gold
und verkündeten kurz vor der Grenze zur DDR: „Hier ist Deutschland nicht zu
Ende. Auch drüben ist Deutschland.“ Eppelmann hat diese kleine Randnotiz der
deutsch-deutschen Teilung gestern erzählt, im Europark Dreilinden, wo einst der
Grenzkontrollpunkt war. Dass es die größte Grenzübergangsstelle zwischen Ost
und West war – auch das hat der Vorsitzende der Stiftung zur Aufarbeitung der
SED-Diktatur bislang nicht gewusst. Umso mehr mahnte der einstige
DDR-Bürgerrechtler gestern zum 16. Jahrestag des Mauerfalls, wie wichtig es
ist, „die nach uns Kommenden zu beerben mit unserem Wissen und Geschichten, so
dass sie sich erinnern können und aus unserem Leben lernen“.
Seit gestern illustriert wieder ein Schild an der Autobahn 115, was lange Zeit
ein Kapitel deutscher Geschichte war: Von Berlin nach Potsdam kommend erinnert
eine Hinweistafel an den einstigen Verlauf der innerdeutschen Grenze und den
ehemaligen Kontrollpunkt Drewitz/Dreilinden. „Touristische Unterrichtungstafel
mit historischer Erinnerungsaufgabe“ nennt Eppelmann das Schild, das er
gemeinsam mit Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck und Berlins
Innensenator Eckhard Körting enthüllte.
Mehr als anderthalb Jahrzehnte nach der
deutschen Wiedervereinigung sind die Zeugen der Teilung rar. Wo einst in Drewitz/Dreilinden
der Schlagbaum den Alltag bestimmte, regiert heute des Bemühen, einen
Gewerbepark mit erfolgreichen Unternehmen zu besiedeln. Es sei ein
„nachvollziehbarer Reflex“ gewesen, sagte Matthias Platzeck, „dass man schnell
möglichst alles Trennende abbauen wollte.“ Heute werde die radikale Demontage
vielleicht als Fehler gesehen. Ein Tag wie der 9. November sei daher mit all
seinen Botschaften der deutschen Geschichte wahrzunehmen – der
Reichskristallnacht und dem Mauerfall. Und wenn nach diesen Ereignissen die
Deutschen „nicht so sehr mit der Demokratie verbrüdert und verschwestert“ sind
und demokratische Werte heute in Frage stellen, sei dies als Aufforderung zu
verstehen, „ganze Arbeit zu leisten“, wozu auch die Aufarbeitung von Diktaturen
gehöre, so Platzeck.
Die Erinnerung an die deutsche Teilung ist – zwangsläufig – unterschiedlich.
Während Innensenator Körting die Grenze mehr als lästiges Übel auf einer
Transitstrecke empfand, das Urlaubsreisen länger als geplant machte, waren die
Wahrnehmungen auf der anderen Seite ganz andere: Hier engte die Mauer
Existenzen ein, löschte Leben aus und grenzte mehr als den Arbeiter- und
Bauernstaat ab. Was die gestrigen Wortbeiträge in der etwas eilig inszenierten
Zeremonie einte, ist die Aufforderung, sich zu erinnern und Relikte der Teilung
zu bewahren. Der verbliebene Grenzkommandoturm im Europark wäre so ein Ort,
meinte Eppelmann. Die Bemühungen des Fördervereins „Checkpoint Bravo“ um den
Erhalt und die Gestaltung des Turms zu einer Geschichts- und Erinnerungsstätte
sind schwierig, weshalb Eppelmann bei Platzeck und Körting um Hilfe warb. Noch
betrachten beide Länder den Denkmal- und Erinnerungswert alter Bauten, die die
deutsche Teilung symbolisieren, unterschiedlich. So hat Brandenburg die
Autobahnbrücke über den Teltowkanal von Dreilinden nach Albrechts Teerofen, die
bis zum Bau der heutigen A 115 Teil der Transitstrecke war, unter Denkmalschutz
gestellt. Berlin will die Brücke abreißen. Von den PNN nach seiner Position
gefragt, meinte Innensenator Körting: „Das Problem ist mir nicht bekannt.“ Zurecht
wurde gestern Erinnerungsarbeit angemahnt.