Potsdamer Neueste Nachrichten 13.10.06

Der S-Bahn steht nichts im Weg

Noch kann die Freihaltetrasse in Stahnsdorf für den Verkehr genutzt werden – Zeit, sich zu entscheiden

Von Peter Könnicke

Stahnsdorf - Für Bürgermeister Gerhard Enser ist sie eine der großen Herausforderungen seiner Amtszeit: die Verlängerung der S-Bahn von Teltow nach Stahnsdorf. Zumindest bis ins Gewerbegebiet an der Ruhsldorfer Straße will der CDU-Politiker die Züge rollen sehen. Doch soviel ist sicher: Am Ende seiner Regierungszeit im Jahr 2008 wird der ehrgeizige Bürgermeister dieses Ziel nicht erreicht haben.

Eine wichtige Weichenstellung kann dennoch schon jetzt vorgenommen werden. Die Gemeinde kann entscheiden, ob die Trasse, die bereits zu Beginn des vorigen Jahrhunderts für den Bau einer S-Bahn durch Stahnsdorf vorgesehen war, auch in Zukunft frei gehalten werden soll. Im Flächennutzungsplan, für den die Verwaltung in diesen Tagen einen Entwurf präsentiert hat und der im kommenden Jahr verabschiedet werden soll, soll auch der künftigen Umgang mit der Freihaltetrasse markiert werden: entweder weiterhin als Option für einen ÖPNV-Verkehrsweg oder als Bauland. In jüngerer Vergangenheit begehrten Eigentümer von Flächen nahe der Freihaltetrasse immer wieder, die Grundstücke zu bebauen. Schon jetzt sind dicht an die Trasse heran Häuser gerückt. In die Schlagzeilen gerieten vor allem die Vermarktungsaktivitäten für Grundstücke auf der Trasse der ehemaligen Friedhofsbahn nahe des Südwestkirchhofes – einem Abschnitt des einst geplanten S-Bahnringschlusses von Lichterfelde über Teltow und Stahnsdorf nach Wannsee. Pikanterweise war es die Bahn AG, die dort begann, Flächen für Wohnhäuser zu verkaufen, was zu einer Klage der evangelischen Kirche führte. Die Kirche, die sich mit über einer Million Reichsmark am Bau der Friedhofsbahn beteiligte, sieht die Bahn an eine vertragliche Verpflichtung aus dem Jahr 1909 gebunden, die Trasse zu erhalten und zu betreiben.

Auch an anderen Abschnitten entlang der Freihaltetrasse in Stahnsdorf gab und gibt es immer wieder Baugesuche, denen zum Teil stattgegeben wurde. Vorsorglich hat die Gemeinde für den Trassenverlauf eine Veränderungssperre verhängt, ein Bebauungsplan „ÖPNV-Freihaltetrasse zwischen Potsdamer Allee und Güterfelder Damm“ soll die notwendigen planungsrechtlichen Grundlagen schaffen. Um Gewissheit zu haben, ob eine S-Bahn überhaupt noch auf der einst vorgesehenen Trasse bis zum einstigen Bahnhof nahe des Südwestkirchhofes verkehren kann, gab die Gemeinde im Februar diesen Jahres eine Machbarkeitsstudie in Auftrag. Resümee der beauftragten MIB Ingenieurgesellschaft für Verkehrssysteme: „Noch ist die Einrichtung der S-Bahn auf der Trasse möglich.“ Allerdings, so MIB-Mitarbeiter Winfried Bauer, sind durch die teilweise Bebauung an der Trasse Zwangspunkte entstanden, die es zu umgehen gilt. Durch die herangerückte Wohnbebauung – zum Teil bis zu fünf Meter an die Trasse heran – seien zudem umfangreiche und teure Maßnahmen für Schall- und Erschütterungsschutz notwendig. Wesentlich einfacher zu realisieren wäre der S-Bahnanschluss bis ins Gewerbegebiet, da das unmittelbare Umfeld nahezu frei von Wohnbebauung ist.

Untersucht haben die MIB-Ingenieure auch, ob andere ÖPNV-Modelle auf der Freihaltetrasse sinnvoll wären. Eine Straßenbahn, wie sie von der Stahnsdorfer Arbeitsgruppe „Verkehr“ wiederholt ins Gespräch gebracht wird, wäre laut Bauer wesentlich preiswerter als eine S-Bahn zu realisieren, da das Gleisbett um etwa zwei Meter schmaler sei. „Ob sie angesichts ihrer Fahrzeit von 45 Minuten bis Potsdam tatsächlich attraktiv ist, scheint fraglich“, so der Fachmann. Gar nicht zu empfehlen sei eine Busspur auf der freigehaltenen Trasse, da eine zusätzliche Straße zwangsläufig Autoverkehr provoziere.

Kernfrage für das Stahnsdorfer Gemeindeparlament ist nun, wie es sich zur künftigen Nutzung der Freihaltetrasse positioniert. Anfang November wird sich der Bauausschuss noch einmal intensiv mit der Machbarkeitsstudie beschäftigen, ehe am 18. November in einer Runde mit allen Fraktionen Bürgermeister Enser den Entwurf des Flächennutzungsplans bespricht – und somit auch die Frage, ob einmal die S-Bahn auf dem bislang geplanten Weg Stahnsdorf durchqueren soll.

Eine Kostenanalyse war nicht Gegenstand der Expertise der Berliner Gutachter. „Schließlich wäre die Finanzierung auch eine Sache des Landes und nicht der Gemeinde“, betont Bauer. In einem Variantenvergleich möglicher Schienenanbindung von Teltow, Stahnsdorf und Kleinmachnow hat die Landesregierung in diesem Jahr die Kosten für die S-Bahnverlängerung bis ins Gewerbegebiet mit 25 Millionen Euro beziffert. Priorität wird dem Lückenschluss jedoch nicht eingeräumt – bislang jedenfalls: Denn Bürgermeister Enser hat erneut ein Gespräch auf Landesebene beantragt, um für einen Stahnsdorfer S-Bahnanschluss zu werben.