Potsdamer Neueste Nachrichten 09.10.06
Ab 2007 will das Land seine Kommunen finanziell neu ausstatten – die Einwohnerzahl ist entscheidend
Potsdam-Mittelmark - Bei der neuen
zentralen Gliederung des Landes Brandenburg, wonach Stärken gestärkt werden
sollen, werden jetzt auch die Weichen für die künftige finanzielle Ausstattung
der Städte und Gemeinden gestellt. Ab 2007 soll ein neues
Finanzausgleichsgesetz (FAG) gelten, das die Geldzuweisungen des Landes an die
Kommunen regelt. Unterschied zur bisherigen Praxis: Künftig orientiert sich die
Höhe der Zuwendungen an der Einwohnerzahl. Bisher galt als Maßstab, ob eine
Kommune als Ober-, Mittel- oder Grundzentrum fungierte.
Nach einer Kleinen Anfrage im Landtag hat Finanzminister Rainer Speer (SPD) nun
erstmals anhand von Proberechnungen dargelegt, mit wie viel
Schlüsselzuweisungen die märkischen Gemeinden künftig rechnen können. „Die
exakten Zahlen werden noch etwas anders aussehen, aber der Trend stimmt“,
erklärteWilhelm Stefan, Referatsleiter für Kommunalfinanzen, gegenüber den PNN.
Demnach können fast alle Kommunen im näheren Potsdamer Umland 2007 mit mehr
Geld rechnen. Die Proberechnung vergleicht die Höhe der Zuwendungen nach dem
bisherigen mit dem künftigen Verteilmodus. Mit einem Plus von etwa 482 000 Euro
kann demnach die Stadt Werder kalkulieren. Schwielowsee bekommt etwa eine
Viertel Million Euro mehr, auch die Gemeinde Seddiner See profitiert
geringfügig von den Neuerungen. In der Region Teltow gehören Kleinmachnow mit
einem steigenden Zuschuss von über einer halben Million Euro, Stahnsdorf mit
einem Anstieg von 372 000 Euro und auch Nuthetal mit 195 000 Euro mehr an
Zuweisungen zu den Gewinnern der FAG-Reform. Da Teltow nach den Überlegungen
des brandenburgischen Infrastrukturministerium künftig den Status eines
Mittelzentrums tragen soll – wofür es jährlich 800 000 Euro gibt – kann die
Stadt nach den Schlüsselzuweisungen gemessen an der Einwohnerzahl von einer
Erhöhung der Landesmittel von insgesamt einer Million Euro ausgehen.
Beelitz wäre der einzige Verlierer im
Potsdamer Umland, da der Stadt künftig keine Zentrumsfunktion mehr zugestanden
wird. Die Kommune erhält wahrscheinlich im nächsten Jahr 118 000 Euro weniger.
Entsprechend harsch ist der Protest von Bürgermeister Thomas Wardin (SPD).
Schließlich war die Spargelstadt ursprünglich sogar für eine Einstufung als
Mittelzentrum vorgesehen. „Wir sind ein typisches Zentrum, ein Anker im
ländlichen Raum mit Schwimmbad, Kultursaal, Bibliothek und Museum. All das
kostet viel Geld, doch anscheinend haben wir keine Lobby im Land.“ Zur
Gemeindegebietsreform habe man zudem höhere Finanzzuweisungen versprochen. „Das
ist eine Vertrauensmissbrauch“, so Wardin.
Beelitz müsse jetzt den Gürtel enger schallen, damit zum Beispiel die
Landeshauptstadt Potsdam noch stärker unterstützt werde als bisher. „Die Stadt
Potsdam war nie für uns da, wenn wird sie gebraucht haben. Als Gymnasiumsplätze
knapp waren, wurden unsere Schüler einfach abgewiesen. Da haben wir unser
eigenes Gymnasium eröffnet. Erst jetzt wirbt man wieder um unsere Kinder“.
Das FAG zu ändern, ist eine Empfehlung des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung Berlin (DIW). In einem Gutachten hatte Autor Dieter Vesper
empfohlen, die kreisfreien Städte Potsdam, Brandenburg, Cottbus und Frankfurt
(Oder) finanziell zu stärken und die bisherige Anzahl zentraler Orte zu
reduzieren. Künftig wird es in Brandenburg statt 152 nur noch 50 zentrale Orte
geben. Weiterhin riet der Gutachter, mit der „Einwohnerveredelung“ durch den
Gemeindegrößenansatz erst bei Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern zu
beginnen. Bislang beginnt die Veredelung bereits bei Gemeinden mit mehr als
2500 Einwohnern. Die Analysen hätten jedoch ergeben, „dass sich der
Zuschussbedarf signifikant erst in den Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern
erhöht“, so Vesper in seinem Gutachten. Entsprechende „Ballungskosten“, die
höhere finanzielle Zuweisungen erfordern, ließen sich bei kleineren Gemeinden
daher „kaum begründen“. Dabei ließ sich Vesper der These leiten, dass eine
höhere Bevölkerungszahl auch einen höheren Finanzbedarf je Einwohner
verursacht.
Referatsleiter Wilhelm nannte gegenüber den PNN das FAG ein „dynamisches
System“, d.h. die Parameter für die Zuweisungen werden Jahr für Jahr neu
überprüft. Neben der Einwohnerzahl ist das die so genannte Steuerkraft-Merkzahl:
Je höher die Steuereinnahmen einer Kommune sind, desto geringer die Zuschüsse
vom Land. Gegenwärtig wird der Entwurf des neuen FAG in den Ausschüssen des
Landtags diskutiert, noch in diesem Jahr soll das Gesetz beschlossen werden. Peter
Könnicke