Potsdamer Neueste Nachrichten 18.08.06
Nach fünf Jahren ist der Mauerradweg endlich fertig. Doch
ohne Hindernisse ist die Strecke auch in Kleinmachnow immer noch nicht
Von Klaus Kurpjuweit
Berlin/Kleinmachnow - Am Anfang gab es
Spott: „Wenn Sie am Wochenende nichts Besseres vorhaben, als an der Mauer entlangzustrampeln,
bitte sehr“, sagte der damalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann einst süffisant
zum damaligen Grünen-Abgeordneten Michael Cramer. Dieser wollte, dass die Wege
entlang der eben erst gefallenen Mauer ausgebaut und Hinweisschilder angebracht
werden. Erst gut zehn Jahre später, im Sommer 2001, war es dann so weit: Der
Senat fasste den förmlichen Beschluss, den 160 Kilometer langen Mauerweg zu
schaffen. Und vor kurzem, nochmal fünf Jahre später, wurde er eröffnet. Aber
Probleme gibt es immer noch.
So war es an vielen Stellen schon fast zu spät. Grundstücke waren verkauft oder
verpachtet worden – das unterbrach den Weg. Oder der Asphalt war zerbröselt und
nahezu unpassierbar. Dabei waren die Voraussetzungen ideal.
Bis auf wenige Ausnahmen gab es auf
beiden Seiten der Mauer Wege: auf der Ost-Seite den Kolonnenweg für die
„Grenzorgane“ und auf West-Berliner Gebiet den „Zollweg“ für die
Kontrollfahrten entlang der Mauer. Der Mauerradweg wechselt heute zwischen beiden
Strecken. Oft ist nur noch schwer festzustellen, wo die Mauer stand.
Der Grüne Michael Cramer setzte durch, dass am Britzer Zweigkanal in Neukölln
eine Gedenkstele für das letzte Maueropfer aufgestellt wurde. Hier war der
damals 20-jährige Chris Gueffroy bei einem Fluchtversuch am 5. Februar 1989 von
DDR-Grenzern erschossen worden. Und im Süden Berlins erreichte er, dass der
Mauerradweg beim Wiederaufbau der Anhalter Bahn nicht durch den Damm der
Eisenbahn unterbrochen wurde. Gegen Unterführungen an den Trassen der Fern- und
S-Bahn hatte sich die Bahn gesträubt, am Ende übernahm der Senat die Kosten.
Ohne diese Unterführungen, von manchen bereits „Cramer-Tunnel“ genannt, wäre
ein kilometerlanger Umweg für Radfahrer, Skater und Spaziergänger nötig geworden.
Ein ähnliches Problem gibt es jetzt beim Wiederausbau der Dresdner Bahn auf
Brandenburger Seite im Raum Mahlow, südlich der Stadtgrenze. Dort will die
Gemeinde den Tunnel unter den Gleisen weit weg vom Mauerradweg bauen. Dies
bringt Cramer in Rage. Denn auch hier sei der Berliner Senat in Vorleistung
gegangen. Um dem Land Brandenburg die Finanzierung der Unterführung schmackhaft
zu machen, habe Berlin am U-Bahnhof Hönow einen Park & Ride-Platz auf
Brandenburger Gebiet bezahlt. Die Gegenleistung am Mauerradweg lasse aber auf
sich warten.
Schwierigkeiten gibt es ferner an einer besonders idyllischen Stelle – am Griebnitzsee
in Babelsberg. Dort haben Anwohner Teile des Ufergeländes, an dem die Mauer
stand, gekauft. Ob Radfahrer und Fußgänger auf dem „Privatweg“ weiter unterwegs
sein dürfen, entscheiden nun die Anwohner. „Ein unhaltbarer Zustand“, findet
Cramer.
Lächerlich sei dagegen die Reaktion der Berliner Stadtentwicklungsverwaltung
auf die Forderung gewesen, die ehemalige Autobahnbrücke über den Teltowkanal in
Albrechts Teerofen in Zehlendorf offiziell als Rad- und Wanderweg freizugeben.
Die Verwaltung ließ stattdessen das Gittertor an der Brücke, das sich vorher
leicht öffnen ließ, zuschweißen. Nach heftigen Protesten ließ die Verwaltung
dann aber den Steg auf der Brücke für Radfahrer und Wanderer wieder anbringen.
Bis zum Jahre 1969 führte hier die Autobahn auf einem kurzen Teilstück über den
Teltowkanal durch West-Berliner Gebiet; hier war die Grenzabfertigung. Auch die
alte Raststätte Dreilinden steht noch dort, sie war später als Gaststätte
genutzt worden. Die DDR baute die Autobahn dann später neu an diesem
West-Berliner Zipfel vorbei.
Um den Mauerradweg direkt am Schloss Cecilienhof und der Sacrower
Heilandskirche vorbeizuleiten, fordert Cramer von der Stadt Potsdam, den Weg
von der Glienicker Brücke nach Kladow (Spandau) am Ufer von Jungfern-, Lehnitz-
und Krampnitzsee entlang fahrradfreundlich auszubauen. Noch sträubt sich
Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU), obwohl 90 Prozent der Gelder vom
Bund und der Europäischen Union (EU) zugeschossen würden.
„Unerträglich“ ist für Cramer die Situation im Mauerpark zwischen Prenzlauer
Berg und Wedding, also im Bezirk Mitte. „Der fahrradfreundliche Ausbau der
Kopfsteinpflasterstraße wird von der CDU und der PDS in Pankow blockiert“,
ärgert er sich. Hier hofft er auf neue Mehrheiten nach den Wahlen im September,
die sein Konzept unterstützen.
Erfolg hatte Cramer bereits im Europaparlament. Nach dem Berliner Vorbild
beschlossen die Abgeordneten, auch einen Rad- und Wanderweg entlang des
ehemaligen „Eisernen Vorhangs“ zu bauen, der Ost- und Westeuropa getrennt
hatte. „Iron Curtain Trail“ heißt das Vorhaben. Und auch an einem Projekt
entlang der früheren deutsch-deutschen Grenze arbeitet Cramer bereits.
Spott gibt’s heute keinen mehr.
Die Mauerstreifzüge hat Michael Cramer in dem Band „Berliner Mauer-Radweg“
beschrieben. Er ist im österreichischen Esterbauer-Verlag erschienen und kostet
9,90 Euro.