Potsdamer Neueste Nachrichten 23.05.06
Vorbild für den Panamakanal
Der Teltowkanal entwickelte sich nach seiner Eröffnung zum Besuchermagneten
und Schlagader der Wirtschaft
Von Joachim Winde
Der Teltowkanal wurde mit seinen
technischen Neuerungen zum Reiseziel von Verkehrsexperten aus aller Welt. Die
Schleuse Kleinmachnow und die Treidelloks nahm man als Vorbild für den Bau der
Panamakanal-Schleusen. Kleinmachnow wurde mit den anliegenden Lokalen ein sehr
beliebtes Ausflugsziel. Die Personenschifffahrt unterhielt Linien von der
Schleuse nach Neubabelsberg, von Britz über Steglitz und Teltow zu den
Havelstationen sowie bis Grünau und Woltersdorf.
Auf dem Teltowkanal wurden 1913 rund 1,4 Millionen Tonnen Güter transportiert.
Es gab 14 öffentliche Häfen und Ladestellen, so in Kleinmachnow, oberhalb der
Schleuse am südlichen Kanalufer für zwei 600-Tonnen-Schiffe und in Teltow an
der Badstraße. Dieser Kanalhafen verfügte über drei Schiffsliegeplätze, zwei
Kräne bis 3,5 Tonnen, Lagerfläche und einen Gleisanschluss durch die Teltower
Industriebahn GmbH. Zu den 52 Privatladestellen am Kanal gehörten zwei einfache
Bollwerke der Stahnsdorfer Terrain AG, in Teltow die Nationale Radiatoren GmbH
und die Porzellanfabrik, auf Zehlendorfer Seite die Teltow-Werft und das
Kraftwerk Schönow. 1913 belief sich an der Machnower Schleuse der
Durchgangsverkehr zur Havel bzw. Oberspree auf insgesamt 7200 Schiffe, an der
Mühlendammschleuse in Berlin auf 25 400.
Der wirtschaftlichen Bedeutung
entsprechend wurde der Teltowkanal 1919 zur Reichswasserstraße erhoben. Nach dem
Gesetz zur Bildung von Groß-Berlin vom April 1920 verschob sich die Kreisgrenze
bis nach Teltow. Die von der Teltow-Kanal AG betriebenen öffentlichen Häfen,
die Teltow-Werft und das Kraftwerk Schönow befanden sich nun auf Berliner
Gebiet. Daher machte es Sinn, dass die am 14. April 1924 gegründete
Teltow-Kanal AG als Betreibergesellschaft tätig wurde. Das Grundkapital von 900
000 Reichsmark übernahmen je zur Hälfte das Deutsche Reich und der Kreis
Teltow. Die Teltower Kreisschifffahrt blieb vorerst weiterhin Eigentum des
Kreises. Sie unterhielt als zweitgrößte märkische Fahrgastreederei ab 1928
einen Gemeinschaftsverkehr mit der größeren
Spree-Havel-Dampfschifffahrt-Gesellschaft. Als diese 1932 Konkurs anmeldete,
kaufte 1934 die Teltow-Kanal AG alle Schiffe.
Der Teltowkanal hatte 1914 von Britz aus durch den Neuköllner Schifffahrtskanal
unmittelbare Verbindung zum Berliner Osthafen erhalten. Bis 1937 wuchs der
Güterverkehr auf eine Jahresmenge von 2,5 Millionen Tonnen. Damit der
Teltowkanal entsprechend der Entwicklung der Schiffsgröße auf den
Hauptwasserstraßen Deutschlands zukünftig mit 1000-Tonnen-Schiffen befahren
werden kann, baute man im ersten Schritt 1938 bis 1940 in Kleinmachnow die
Nordkammer (nutzbare Länge 85 Meter, Breite 12 Meter). Um den Platz zu
schaffen, musste das alte Schleusen-Wirtshaus abgerissen werden. Das neue
Wirtshaus Schleusenkrug wurde am 1. April 1951 Teil der Wasserbauschule
Kleinmachnow.
Am Teltowkanal als Hauptkampflinie sprengten im April 1945 die Deutschen
Brücken und versenkten Schiffe. Treidelbahn und Uferstrecken wurden stark
beschädigt. Erst im Frühjahr 1948 konnte von Baumschulenweg bis zum Gaswerk
Mariendorf der einschiffige Verkehr mit Schleppern freigegeben werden. Es
erfolgte die Aufgabe des Treidelbetriebes. Je eine restaurierte Treidellok
steht an der Emil-Schulz-Brücke des Teltowkanals und im Deutschen Technikmuseum
Berlin.
Auf die Einführung der Währungsreform in Westdeutschland und Westberlin
reagierte die Sowjetunion tags darauf mit der Berlin-Blockade vom 24. Juni 1948
bis zum 12. Mai 1949. Nach der Spaltung Berlins unterstellte der Kommandant des
amerikanischen Sektors, General Howley, am 30. April 1949 die Verwaltung und
Kontrolle des Teltowkanals im amerikanischen Sektor der Rechtshoheit der
Westberliner Stadtverwaltung. Erst 1949 gab die Sowjetische
Militäradministration den Befehl, die im Sperrgebiet des Griebnitzsees
liegenden vier Dampfer und vier Schuten zu räumen. Als die in Potsdam
konzentrierten Schiffe der Stern- und Kreis/Teltow-Kanal AG in die volkseigene
Flotte der DDR überführt wurden, sperrte die amerikanische Militärverwaltung in
ihrem Sektor in Abstimmung mit dem Senat die Wasserstraße. Die DDR sperrte
sodann am 25. Juli 1950 an den Demarkationslinien in Kleinmachnow und Rudow den
gesamten Schiffsverkehr. Zum Eklat kam es am 14. Dezember 1950. Von der Brücke
der Einheit (Glienicker Brücke) und Baumschulenweg liefen je ein
DDR-Binnenschiff in den Teltowkanal ein, um diesen erstmalig wieder zu
durchfahren. Man verweigerte an der Kanalmeisterei Steglitz die Entrichtung der
Kanalgebühren in Westmark. Das Ostberliner MS „Tegel“ ließ sich nach dem
Abdrängen von zwei Schleppern der Teltow-Kanal AG erst mit einer quergestellten
Bauramme stoppen.
Der Autor: Joachim Winde lebt in Stahnsdorf und ist Diplom-Ingenieur für
Schifffahrt. Er arbeitete seit 1960 im Bereich der deutschen Binnenschifffahrt
und als Dozent für Speditionsbetriebslehre.