Potsdamer Neueste Nachrichten 19.05.06
Eine
Frage des Preises
Waldorfschule erwägt Umzug nach Stahnsdorf, da das Seeberg-Grundstück zu
teuer ist
Kleinmachnow/Stahnsdorf - Die Zukunft
der Freien Waldorfschule in Kleinmachnow ist ungewiss. Lange Zeit galt sie als
ein wesentlicher Bestandteil des geplanten Bildungscampus, der auf dem Seeberg
entstehen soll. Doch für das Waldorf-Grundstück verlangt die neue Eigentümerin,
die Berlin Brandenburg International School (BBIS), einen zu hohen Preis. „Die
Preisvorstellungen können wir auf keinen Fall realisieren“, so Harro Volkmar,
Geschäftsführer der Waldorf-Schule, gegenüber den PNN.
Die Summe – den Vernehmen nach eine Million Euro – liege deutlich über dem, was
die Deutsche Telekom AG als frühere Eigentümerin des Seebergareals bei
Kaufgesprächen verlangt habe. Ob die jetzigen Forderungen der BBIS
Schwierigkeiten bedeuten oder eine normale Verhandlungssituation sind, lasse
sich derzeit nicht bewerten, so Volkmar. Am kommenden Dienstag soll es eine
weitere Verhandlungsrunde mit dem BBIS-Management geben. Ob die Internationale
Schule es sich leisten kann, das Geschäft mit der Waldorfschule aufs Spiel zu
setzen, da der Verkauf des Grundstücks Teil des eigenen
BBIS-Finanzierungskonzepts ist, bleibt Spekulation. Zu einer Stellungnahme war
gestern kein Ansprechpartner der BBIS zu erreichen.
Die Waldörfer haben sich bereits nach
Alternativen umgeschaut, wobei sie nicht weit über die Ortsgrenze hinaus
blicken mussten. In Stahnsdorf ist die Freifläche neben dem Gemeindezentrum im
Flächennutzungsplan als Bildungsstandort festgeschrieben. Pikant: Als die
Internationale Schule Schwierigkeiten hatte, gegenüber der Kleinmachnower
Ortspolitik ihre Pläne und Bedingungen für ihren Bildungscampus durchzusetzen,
drohte sie mit dem Wegzug vom Seeberg. Der damals gehandelte
Alternativstandort: Stahnsdorf. Obwohl es durchaus intensive Gespräche mit der
BBIS gab, bestreitet Stahnsdorfs Bürgermeister Gerhard Enser (CDU) nicht, dass
die halb-öffentlich diskutierten Umzugspläne wohl eher ein Druckmittel der BBIS
waren, um ihre Interessen in Kleinmachnow durchzusetzen. Doch will Stahnsdorf
nicht noch einmal der Bluff in einem Pokerspiel sein: „Wir lassen uns nicht
instrumentalisieren“, so Enser.
Offenbar besteht dafür auch kein Anlass, denn laut Volkmar ist für die
Waldorfschule ein Umzug nach Stahnsdorf ein ernsthafte Option. „Der Standort
ist attraktiv.“ Zudem rekrutiert die Waldorfschule ihre Schüler ohnehin aus der
Region – Kleinmachnower, Stahnsdorfer, Teltower und zahlreiche Babelsberger
schicken ihre Kinder in die freie Schule. Gleichwohl gibt es in der
Elternschaft der Waldörfer mahnende Stimmen, das Berliner Klientel nicht zu
vernachlässigen.
Für das Bauvorhaben der Waldorf-Schule – am Seeberg ist ein Schuldorf geplant –
wäre ein Umzug jedoch ein Rückschritt: „Wir müssten ziemlich von vorn
anfangen“, räumt Volkmar ein. Die Architekturpläne müssten überarbeitet und dem
neuen Standort angepasst werden. Auch der finanzielle Kraftakt wäre in weitaus
kürzerer Zeit zu stemmen, wenn man nach Stahnsdorf zieht. Am Seeberg wollte man
das Schuldorf sukzessive bei gleichzeitiger Nutzung der bestehenden Provisorien
realisieren. Die Step-by-Step-Umsetzung wurde bislang immer mit der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Trägervereins der Schule begründet. In
der Stahnsdorfer Annastraße müsste ein Neubau nahezu komplett in einem Zug
errichtet und finanziert werden.
Unter Teilen der Elternschaft gibt es offenbar durchaus die Bereitschaft, die
Waldorfschule in Stahnsdorf anzusiedeln. „Ja, warum nicht“, zitiert
Vorstandsmitglied Clara von Recklingshausen entsprechende Reaktionen. Sie
bewertet eine Ansiedlung in Stahnsdorf als „echte Alternative“. Finanziell
lukrativ wäre das Stahnsdorfer Grundstück deshalb, weil es zu günstigen
Konditionen erworben werden könnte. Die Gemeinde Stahnsdorf hat das Areal nach
der Wende von der Treuhand preiswert gekauft unter der Auflage, die Fläche für
gemeindliche Zwecke zu entwickeln. An die Waldorfschule als anerkannter
Bildungsträger könnten diese Vergünstigungen weitergereicht werden.
Bei ihren Verhandlungen kann die Waldorfschule jedoch nicht frei von zeitlichem
Druck agieren. Wie in den vergangenen Jahren ist der laufende Mietvertrag für
das Seeberg-Grundstück begrenzt. Zudem basiert die Kalkulation für das
Bauprojekt auch auf Mitteln aus dem Ganztagsschulprogramm des Landes, das
befristet ist. Und schließlich macht Stahnsdorf Bürgermeister Enser deutlich,
dass sich seine Gemeinde und das Grundstück in der Annastraße nicht zum
Spielball eignen: „Wir werden die Option nicht ewig offen halten.“ Peter
Könnicke