Potsdamer Neueste Nachrichten 04.04.06
Theater
am Kanal
Kleinmachnower Steinweg-Schüler machen in ihrem neuesten Stück die
Kanalarbeiter zu den Hauptakteuren
Kleinmachnow - Geht es um den Bau des
Teltowkanals, fällt fast immer der Name von Landrat Stubenrauch zuerst, gefolgt
von Namen wie Rammrath und Knesebeck. Ihnen zu Ehren wurden Brücken benannt,
die über den Kanal führen. Doch wer kennt die Namen derer, die sechs Jahre lang
mit Schaufel und Spaten einst das Bett für den Kanal gruben?
„In den Chroniken sind sie nur als Zahlen vermerkt. Etwa 10 000 Erdarbeiter
waren demnach am Kanalbau beteiligt, aber keiner kennt ihre Namen“, stellte die
Kleinmachnowerin Lehrerin Fiorenza Renn nach umfangreichen Recherchen in
Chroniken und Berichten zu dem Jahrhundertbauwerk fest. Mehr als zwölf Millionen
Kubikmeter Erde hatten die Arbeiter bewegt, die aus ganz Deutschland, aber auch
aus Polen, Russland, Kroatien, Italien und Galizien gekommen waren und zwischen
Spree, Dahme und Havel einen neuen Schiffahrtsweg bauten. Diese Leute, die in
der offiziellen Geschichte im Hintergrund geblieben sind, macht sie nun zu
Hauptakteuren ihres neuen Theaterstückes „Das Jahrhundertbauwerk“, das Schüler
der Steinweg-Grundschule aus Anlass des 100.Geburtstages des Kanals aufführen
werden.
„Arlecchino“ heißt die Theatergruppe,
die bereits erfolgreich das Stück „Einstein in der Schule: War Alber ein
Genie?“ aufführte. Auch diesmal hat Fiorenzo Renn zusammen mit ihren Schülern
historische Ereignisse in eine spannende Handlung umgesetzt. Aus dem
Blickwinkel der Famile Scherinsky, deren Namen sie in einer alten Chronik fand,
wird die Geschichte einer kinderreichen Familie erzählt, die vor dem Kanalbau
als Teltower Ackerbürger ihren Lebensunterhalt bestritt. Ihr Feld musste die
Familie jedoch gegen eine Entschädigung verkaufen. Das bedauert vor allem die
Großmutter, da sie den Acker von ihrem Vater geerbt hatte. Und die Tochter
beklagt, dass der Schönower See verschwunden ist, weil Spekulanten den Preis
für das eigentlich zum Kanalbau vorgesehene Land in die Höhe trieben. Doch einige
in der Familie sind auch froh, weil nun endlich die Mückenplage vorbei ist.
Solche Details hat Fiorenzo Renn in Dokumenten recherchiert, die ihr die
Heimatvereine von Kleinmachnow und Rudow zur Verfügung stellten. Dabei
entdeckte sie auch Begriffe, die heutigen Generationen nicht mehr geläufig sind
wie der Plundermann. Dieser einstige Lumpensammler war vor allem in Dörfern
bekannt und mancher Erdarbeiter besserte seine Kasse etwas auf, indem er ihm
steinzeitliche Funde verkaufte, die bei Erdarbeiten zutage kamen. Das waren
einfache Arbeitsgeräte, aber auch Mammutzähne.
Bei all ihren Recherchen beschäftigte Fiorenzo Renn besonders eine Frage:
Welche Atmosphäre herrschte auf der Riesenbaustelle? So wird im Stück nicht
verschwiegen, dass es viele Verletzte unter den Erdarbeitern gegeben hat. Aber
auch Namen wie Stubenrauch und Badewitz tauchen in dem Stück auf und natürlich
der Kaiser, der zur feierlichen Eröffnung eingeladen ist. Alles Namen, die auf
einer Festliste stehen, die aber Erdarbeiter und einfache Leute ausspart. Und
mit einem Seitenhieb auf die Nachgeborenen vermuten die Scherinskys, dass die
Gazetten in 100 Jahren angesichts solcher Festliste bestimmt einmal titeln
werden: „Stubenrauch - Vater des Teltowkanals“.
Die Darsteller werden zum Teil in originalen Kostümen auftreten. Auch ein Teil
der Requsiten wird aus jener Zeit stammen, in der der Kanal gebaut wurde. Das
ermöglichte das Teltower Heimatmuseum, das die Theatergruppe unterstützt und
viele Hinweise zu Details gab. Kirsten Graulich
Premiere wird am 22. Mai um 18 Uhr in der Steinweg-Schule sein