Potsdamer Neueste Nachrichten 11.03.06
Leipzig/Kleinmachnow - Das
Bundesverwaltungsgericht will in der Kleinmachnower Sommerfeld-Siedlung für Klarheit
sorgen. Deshalb hat es gestern die Revision zu einem Urteil zugelassen, das die
Rückübertragung eines Grundstücks in dem Karree ausschloss. Im Februar 2005
hatte das Potsdamer Verwaltungsgericht im Restitutionsstreit um ehemals
jüdisches Eigentum die Klage auf Rückübertragung abgewiesen und damit die
Rechtsposition der heutigen Haus- und Grundstücksbesitzer gestärkt. Die
Potsdamer Richter hatten keine Revision zugelassen, wogegen der Kläger, der
Berliner Unternehmer Christian Meyer, in Leipzig Beschwerde eingelegte.
Wegen der „grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache“ wurde die Revision
zugelassen, sagte Sibylle von Heimburg, Sprecherin des
Bundesverwaltungsgerichts, gestern gegenüber den PNN. Das nun anstehende
Verfahren werde grundsätzliche Fragen klären. In dem konkreten Fall geht es um
ein Grundstück der ehemaligen Siedlungsgesellschaft des jüdischen
Bauunternehmers Adolf Sommerfeld. Es gilt zu klären, ob der Verkauf der
Immobilie erfolgte, bevor oder nachdem Sommerfeld das Unternehmen entzogen wurde.
Auch wenn es für diese Frage nur wenig gleichartige Fälle gibt, ist sie nicht
unbedeutend für einen Musterprozess. Für diesen Prozess, der Parallelen zu 400
weiteren Fällen in der Sommerfeld-Siedlung aufweist, wird gleichfalls 2006 in
Leipzig mit einer Entscheidung gerechnet. Dann wird erstmals eine Antwort auf
die spannende Frage erwartet, wie mit Grundstücken verfahren wird , die nach
der Enteignung Sommerfelds von einem arisierten Unternehmen verkauft worden
waren. Unter dem Verfolgungsdruck der Nationalsozialisten ging das Unternehmen
von Sommerfeld im April 1933 in eine Gesellschaft des Dritten Reichs über. Von
dieser wurden die meisten Grundstücke verkauft. Daher gilt es für die
Bundesrichter zu klären, ob Rückübertragungsansprüche auf Grundstücke
berechtigt sind, die von einer Firma verkauft wurden, die nicht mehr Sommerfeld
gehörte.
Bislang schließt das deutsche
Vermögensrecht Restitutionsansprüche für Grundstücke von Unternehmen aus, deren
einziger Geschäftszweck es bis zum 8. Mai 1945 war, Grundstücke zu verkaufen
und Wohnungen zu bauen. Antragsteller Meyer sieht diese Regelung – in
Fachkreisen auch als „Lex Kleinmachnow“ bezeichnet – nicht im Einklang mit dem
Gleichheitsgrundsatz: Zwischen ehemals jüdischem Betriebsvermögen und Privatbesitz
dürfe seiner Ansicht nach nicht unterschieden werden. Wenn Grundstücke rückübertragen
werden, die Sommerfeld unter Verfolgungsdruck noch selbst verkaufen musste,
müsse das auch für sein ehemaliges Betriebsvermögen gelten, so Meyer. Der
Berliner Unternehmer hatte 1997 die Ansprüche von der Jewish Claims Conference
übernommen.
In einem zweiten Verfahren wurde gestern die Rückübertragung eines Grundstücks
in der Sommerfeld-Siedlung bestätigt. Dabei handelt es sich um ein Grundstück,
das zu Sommerfelds Privatbesitz gehörte und unter Druck der Nationalsozialisten
verkauft werden musste. Schon das Potsdamer Verwaltungsgericht hatte im
vergangenen Jahr für eine Restitution entschieden und eine Revision nicht
zugelassen. Dagegen klagte der heutige Eigentümer – und verlor.
Bei der Kleinmachnower Sommerfeld-Siedlung handelt es sich um einen der größten
deutschen Vermögensrechtsstreite. Insgesamt geht es um Immobilien im
Verkehrswert von rund 45 Millionen Euro.