Potsdamer Neueste Nachrichten 10.03.06
Nach einer neuen Richtlinie würden viele Tagesmütter und -väter weniger als bisher verdienen. Auch Kommunen beschweren sich
Teltow - „Wissen Sie was Buddelsand
kostet?“ Bei dem ahnungslosen Blick, den Christina Schulz–Heidorf erntet, kann
sie sich die Antwort denken. Und sie vermutet, dass auch niemand im
mittelmärkischen Jugendamt und auch keiner im Jugendhilfeausschuss sagen
könnte, wie viel Geld Tageseltern für Spielzeug, Bücher und CDs ausgeben. Aber
was sie künftig verdienen sollen, schreibt jetzt eine Richtlinie des
Landkreises exakt vor. In vielen Orten ist es weniger, was Tagesmütter- und väter
bislang überwiesen bekommen.
Eine geballte Ladung Unmut und Proteste erreicht daher in diesen Tagen das
Belziger Landratsamt. Sein „Befremden“ über die Richtlinie drückte der
Werksausschuss des Teltower Kita-Eigenbetriebes in einem Offenen Brief aus.
„Entsetzt“ war Kerstin Graneß, Sachbearbeiterin der Michendorfer Kita-Verwaltung,
und schrieb eine Beschwerde in die Kreisstadt. Im Bemühen um eine einheitliche
Bezahlung der Tagespflege im gesamten Landkreis schreibt die Richtlinie
Entgelte vor, die zum Teil deutlich unter dem bisherigen Verdienst der
Tageseltern liegen. Vor allem bei der Betreuung von Kindern, die älter als drei
Jahre sind, drohen finanzielle Einbußen. Waren es in Teltow bislang monatlich
355 Euro, die es bei einer sechsstündigen Betreuung über Dreijähriger gab,
sollen es künftig nur noch 163 Euro sein. Ähnlich sieht es in Michendorf aus,
so dass dort Tagesmutter Simone Jenczewski vier Eltern die Verträge kündigen
wird. „Durch die Richtlinie ist man gezwungen, nur noch Babys und Kleinkinder
zu betreuen“, beklagt sie.
Auch die Betreuungszeit werde durch die
neue Richtlinie eingeschränkt. „Sie erlaubt kaum zeitliche Spielräume“,
kritisiert Christina Schulz-Heidorf. Und ihre Teltower Kollegin Ina Lau
prophezeit: „Eltern, die halbtags arbeiten, bekommen Probleme, ihre Kinder bei
Tageseltern unterzukriegen, denn der Aufwand wird durch die Entgelte nicht mehr
gedeckt.“
Für Christian Große, dem Vorsitzenden des Jugendhilfeausschusses im Kreistag,
kommen die Vorwürfe überraschend. „Ich verstehe den Aufschrei nicht ganz“, so
der CDU-Kreistagsabgeordnete. Immerhin habe sich eine Arbeitsgruppe von
Fachleuten – auch aus Kleinmachnow, Teltow und Werder – ein Jahr mit der
Richtlinie beschäftigt. Und innerhalb dieses Expertengremiums gab es eine
eigene „Entgeltkommission“, die sich ausschließlich mit dem künftigen
Honorarsystem beschäftigte. Ziel sei, „eine gleiche Bezahlung für gleiche
Leistung bei der Tagesbetreuung im Landkreis.“ Denn bislang gebe es innerhalb
der Mittelmark erhebliche Unterschiede. So verdienen Tageseltern in Werder etwa
30 Prozent weniger als in Teltow. Das Argument erboster Tageseltern, dass
Kosten wie Miete regional unterschiedlich und vor allem in der Region Teltow
vergleichsweise hoch seien, will Große nur bedingt gelten lassen. „Die
Kostenstruktur ist in Werder nahezu die gleiche wie in Teltow“, meint er.
Doch wenn schon Leistung und Bezahlung verglichen werden, dann konsequent,
fordert Christina Schulz–Heidorf. Denn Tagesmütter würden nicht weniger leisten
als angestellte Erzieherinnen in Kindertagesstätten, der Verdienst jedoch sei
geringer. Tagesmütter seien zudem gleichzeitig Köchin, Putzfrau, Chauffeur, Hausmeister
und Bürokraft. Einerseits fordere der Staat von Tageseltern hohe Bildungs- und
Erziehungsstandards und verlange Qualifizierungen, „adäquat bezahlen will er es
jedoch nicht“, bemängelt Schulz-Heidorf. Dabei soll die private Tagespflege
sogar per Gesetz zu einem qualitativ gleichrangigen Alternative aufgewertet
werden. Doch beschränkt sich das Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) nur auf
einen flexiblen Ausbau der Kinderbetreuung der unter Dreijährigen. Und so, wie
das Gesetz jetzt im Landkreis umgesetzt werden soll, fühlt sich die
Michendorferin Simone Jenczewski eher wie eine, „die die Drecksarbeit macht,
bis die Kinder reif für die Kita sind.“
Die geballten Ladung Unmut zeigt Wirkung. „Wir werden über die Hinweise und
Ratschläge noch einmal nachdenken“, kündigt Christian Große für den
Jugendhilfeausschusses an.
In Kleinmachnow, jüngst als familienfreundliche Kommune geehrt, wäre es für
SPD-Gemeindevertreterin Nina Hille eine „wichtige politische Entscheidung“,
wenn die Gemeinde die finanzielle Lücke schließt. Etwa 30 000 Euro hat man hier
als Zuschussbedarf für die Tagesbetreuung errechnet, sollte die Richtlinie in
Kraft treten. „Ansonsten“, so Hille, „ist die Hälfte der 100 Betreuungsplätze
gefährdet.“