Potsdamer Neueste Nachrichten 06.03.06
"Uns
schweißt nicht die Not zusammen"
In der Region Teltow redet man von Zusammenarbeit, doch man spricht nicht
immer mit der gleichen Sprache
Teltow - Die Wortwahl verrät wenig
gemeinsames Denken. „Bei uns in Kleinmachnow …“, heißt es bei Wolfgang Blasig.
„Wir in Stahnsdorf …“, formuliert sein Bürgermeisterkollege Gerhard Enser.
„Hier in Teltow“, meint Thomas Schmidt. Als Kleinmachnows Gemeindechef nach
zweistündiger Podiumsdebatte am Freitagabend dann eher zufällig davon sprach,
„dass wie immerhin eine Kommune mit 50 000 Einwohnern sind“, machte dies dem
Moderator Ronny Bereczki zumindest etwas Mut: Irgendwann werden vielleicht die
Grenzen zwischen den drei Orten am Teltowkanal aus den Köpfen und auf den
Landkarten verschwinden.
Doch einmal mehr zeigte sich bei dem vom Teltower CDU-Stadtverband
organisierten Talkabend unter dem Titel „Gemeinsam in die Zukunft“, dass sich
einheitliches und abgestimmtes Handeln nicht herbeireden lässt. Als
aufmerksamer Zuhörer musste am Ende Hans Weber feststellen, keine „einheitliche
Meinung für mehr Gemeinsamkeit gehört zu haben.“
Wohin es führt, wenn das Bekenntnis zu
mehr Verantwortung über die Ortsgrenze hinaus lediglich ein Lippenbekenntnis
bleibt, zeigt die Situation der weiterführenden Schulen. Seit Jahren rangeln
sich die Oberschulen in der Region um neue Siebtklässler. Auch wenn in einigen
Jahren wieder mehr Schüler zu erwarten sind, droht zum gegenwärtigen Zeitpunkt
einer der vier Schulen das Aus. Geschuldet ist das auch einer mangelnden
Abstimmung. „Das Schulsterben hätte verhindert werden können“, ist Stahnsdorfs
Bürgermeister Enser überzeugt. Doch man habe die Chance vertan, Einfluss zu
nehmen, indem man die Anzahl der Klassenzüge regional ausgeglichen aufteilt. So
muss auch Amtskollege Schmidt eingestehen: „Die Situation ist nicht mehr zu
entschärfen.“ Wolfgang Blasig indes meint mit Blick auf die Konkurrenz freier
Schulträger: „Es gewinnt der, der flexibel reagieren kann.“
Ein „wichtiges Feld“ nannte Gesprächsleiter Bereczki die Bildung, doch
offenbarte der Abend unterschiedliche Auffassungen, wie es zu bewirtschaften
ist. So zeigten sich die lokalen CDU-Spitzen keineswegs einig, ob die Region
ein weiteres Gymnasium benötigt. Für Kleinmachnows CDU-Ortschef Wolfgang Nieter
ist der „vielfache Wunsch nach gymnasialer Bildung ernst zu nehmen“, sein
Stahnsdorfer Pendant Peter Weiß will indes „nur die Besten“ an den
Abi-Schmieden sehen. Und Florian Lewens aus Teltow meint: „Wir brauchen kein
drittes Gymnasium, das in zehn Jahren leer steht.“
Es war nicht die erste Talkrunde, die es um ein besseres Miteinander in der
Region gegeben hat. „Drei Orte, eine Politik?“ hieß es bereits im Juni 1999.
Damals debattierte man um den Sinn eines Arbeitskreises, in dem gemeinsames
Handeln abgestimmt wird. Inzwischen gibt es die Kommunale Arbeitsgruppe „Der
Teltow“, von der jüngst das Signal an die Landesregierung gesandt wurde, den
Wiederaufbau der Stammbahn wie auch den S-Bahnringschluss in den
Nahverkehrsplan aufzunehmen. Doch der vermeintlich regionale Konsens steht auf
wackligen Füßen, die Sprache verrät keineswegs Einigkeit. „Die Priorität“ sieht
Kleinmachnows Bürgermeister „vordergründig bei der Stammbahn“. „Aus
Stahnsdorfer Sicht ist die Verlängerung der S-Bahn wünschenswert,“ so Gerhard
Enser, Denn diese würde das Stahnsdorfer Gewerbegebiet aufwerten. Zudem vermag
Teltows CDU-Fraktionschef Lewens durch die S-Bahn mehr Nutzen für die Region
erkennen und verlangt daher von Kleinmachnows Bürgermeister ein Bekenntnis. Das
kommt prompt: „Ich bekenne mich zum Europark“ – jenem Gewerbegebiet, das durch
die Stammbahn ans Schienennetz angebunden werden würde.
Einigkeit klingt anders.
Vielleicht ist ein Regiobus das Verkehrsmittel, das am ehesten mit der Kraft
der drei Orte angetrieben wird. Thomas Schmidt kann das „nur empfehlen“, denn
„wir in Teltow haben mit unserem Citybus gute Erfahrungen gemacht“. Für
Kleinmachnows Bürgermeister macht ein Regiobus allerdings nur Sinn, wenn er
auch über den Stahnsdorfer Damm zur S-Bahn nach Wannsee fahren darf. Bislang
gibt es gegen die Öffnung der Straße durch den Düppler Forst jedoch
Widerstände.
Ob Freibad, Feuerwehr, Brandschutz, Verwaltungsaufgaben – zu gemeinsamen
Handeln sahen und sehen sich die drei Kommunen immer wieder veranlasst. Wenn
bei der gegenwärtig diskutierten Ansiedlung großflächigen Einzelhandels im
Techno Terrain an der Oderstraße Teltows Stadtverordneter Lewens betont, dass
dieses Vorhaben auch für das benachbarte Weinberg-Viertel in Kleinmachnow
verträglich sein muss, klingt das ein wenig nach Abschied vom häufig zitierten lokalen
Egoismus.
Eine Fusion der drei Orte – so die finale Frage des Abends – wird es dennoch so
schnell nicht geben. Vor einer Ehe, so weiß es Lewens, brauche es mehr
„vertrauensbildender Maßnahmen.“ Auch eine Zwangshochzeit ist nicht das Gebot
der Stunde: „Allen drei Orten geht es gut“, so Wolfgang Blasig, „uns wird nicht
die Not zusammenschweißen.“ Vielmehr werden es Herausforderungen wie der
demografische Wandel sein, die die drei Orte enger zusammenrücken lassen
werden. Denn wenn die junge Generation bleiben oder nach der Ausbildung
zurückkommen soll, müsse die Region weiter attraktiv und lebenswert entwickelt
werden. Das dafür notwendige Bauland sieht Kleinmachnows Bürgermeister völlig
neidlos in Stahnsdorf und Teltow. Und Peter Weiß sieht ganz deutlich, wann
Grenzen „ganz harmonisch verschwinden: „Spätestens wenn Kleinmachnower Eltern
ihre Kinder in Stahnsdorf besuchen.“