Potsdamer  Neueste Nachrichten 15.02.06


Wer ist Kleinmachnow(er)?

Plädoyer einer neuen Initiative für einen "Ort der Geschichte" auf dem Seeberg

Von Peter Könnicke und Dirk Becker

Kleinmachnow - „Am Geschehen auf dem Seeberg- bzw. Hakeburg-Gelände offenbart sich facettenreich neuere deutsche Geschichte.“ So schreibt es der Kleinmachnower Kunsthistoriker Hubert Faensen in seinem Buch „Hightech für Hitler“.

Dieses Buch ist vor fünf Jahren erschienen und seither der einzige Beitrag, der sich mit der Historie des Areals auseinander setzt. In den vergangenen Jahren stand der Seeberg im Mittelpunkt wirtschaftlicher und städtebaulicher Überlegungen, seine geschichtliche Bedeutung geriet dabei in den Hintergrund.

Nun hat die Mahnung des Kleinmachnowers Siegfried Brandt „Zukunft braucht Herkunft“ zu einer Initiative geführt, die sich für einen „Ort der Geschichte“ auf dem Seeberg einsetzen will. Zur ihr zählen u.a. Rudolf Mach vom Kleinmachnower Heimatverein, Gemeindevertreter Christian Grützmann und die Kunsthistorikerin und Ausstellungskuratorin Monika Flacke.

Allein der Anblick der Hakeburg provoziert, sich über ihre Geschichte Gedanken zu machen. Ihre einstigen Bewohner, Dietloff von Hake, Reichspostminister Wilhelm Ohnesorge und später DDR–Staatsgäste wie Leonid Breschnew oder Yasser Arafat verlangen, die Kleinmachnower Geschichte, die sich mit diesem Ort verbindet, darzustellen. Nun hat die geplante Nutzung der Hakeburg und deren Umfeld als Hotel zu einer Diskussion geführt, wie sich eine Fünf-Sterne-Anlage architektonisch einpassen lässt und ob es – bei Geschichte des Hauses – überhaupt angemessen ist, aus der Hakeburg eine Nobelherberge und Wellnessoase zu machen. Doch es besteht Konsens, so Siegfried Brandt, dass es für eine Nutzung der Hakeburg einer wirtschaftlichen Basis bedarf – und die lässt sich offenbar am leichtesten durch ein Hotel finden.

Doch führte der sensible Blick, den in der aktuellen Diskussion die Hakeburg und der Seeberg genießen, zu dem Vorschlag, grundsätzlich historischen Bezügen in Kleinmachnow einen höheren Stellenwert zu geben. Die neue Initiative sieht sich veranlasst, ein „Plädoyer für einen Ort der Geschichte im Rahmen eines Heimatmuseum in Kleinmachnow auf dem Seeberg zu halten“.

Einen zentralen Schwerpunkt sollen dabei die Geschichte des Seebergs als wissenschaftliche Forschungsstätte im Dritten Reich sowie als Kaderschmiede für Partei-Eliten in der DDR sein. Es werden eine „Reihe von Gebäuden“ in Betracht gezogen, in denen eine Geschichtsstätte eingerichtet werden könnte: das alte Heizhaus, die Nebengebäude der Hakeburg, die Torhäuser oder ein neuer Pavillon seitlich der Hofgebäude. In diesem könnte auf zwei Ebenen eine ständige Ausstellung zu sehen sein.

Genug Material für eine solche Ausstellung wäre vorhanden, wie Rudolf Mach vom Heimatverein erklärt. „Seit unserer Gründung 1993 haben wir Ausstellungen zur Stammbahn, zum Teltowkanal und über die Zwangsarbeiterinnen in der Dreilinden Maschinenfabrik organisiert.“ Mach sieht in einem Heimatmuseum auf der Hakeburg vor allem die Chance, Geschichte aus der Zeit des Dritten Reiches und der DDR wissenschaftlich aufzuarbeiten. „In vielen Archiven liegen Materialien zu den Kriegsforschungen im Dritten Reich und der Arbeit an der späteren Parteischule der DDR“, so Mach. Von einem Heimatmuseum als Zentrum könnte der Impuls für eine längst fällige intensive Aufarbeitung dieser Geschichte ausgehen. Darüber hinaus soll im Museum auch die frühe Ortsgeschichte einen Platz finden. „Beim Bau des Teltowkanals wurden Knochen gefunden, die auf eine Besiedlung der Region bis 1200 vor unserer Zeitrechnung schließen lassen“, sagt Mach.

Die Geschichte Kleinmachnows von seinen frühesten Anfängen in einer Ausstellung erzählt, könnte auch zu einer verstärkten Identifikation mit dem Ort führen. Allein die Frage „Wer ist ein Kleinmachnower“, dokumentiere ein größeres Problem, das die Gemeinde als Ort mit Identifikation habe. Sind es die Siedler zur Berliner Gebietsreform im Zehlendorfer Villenvorort? Die NS-Vertriebenen? Die Neubürger nach 1945? Die Rückkehrer nach 1990. Oder vielleicht die Mischung aus Alt- und Neubürgern? Die immer wieder wechselnde Struktur, führten zu einem unvollkommenen Ort mit unterschiedlichem Identifikationsgrad. „Ein Ort, der nur singulär als Heimat verstanden wird“, wie Brandt meint. Es sind die Dinge wie das Freibad oder die Kammerspiele, die in den vergangenen Monaten zu Allianzen führten, in denen Alteingesessene und Neuhinzugezogene gemeinsam für die Zukunft dieser Einrichtungen kämpfen. Doch eine gemeinsame Vergangenheit, die verbindet, gibt es nicht. „Es gibt keine Ereignisse, die die Bewohner zu einer ’Schickalsgemeinschaft’ hätte schmieden können“, konstatiert man innerhalb der Initiative.

Der neue Rathausmarkt als künstlich geschaffenes, architektonisches Zentrum, könnte ein Identifikationspunkt werden. Der benachbarte Seeberg hat das Potenzial zum „Ort der Geschichte“. „Es ist eine Verpflichtung der Gemeinde, die Hilferufe des Heimatvereins über seinen desolaten Zustand ernst zu nehmen und hier die Gelegenheit zu nutzen, mit einem zukunftsorientierten Konzept Heimatkunde zu betreiben“, formuliert die Initiative Auftrag und Anspruch.

Mit seinem – in den PNN veröffentlichten – Standpunkt „Wider das Vergessen“ zu den historischen Vorgängen auf dem Seeberg, zu seiner Gleichsetzung der „Instrumentalisierung der Ingenieure in der Nazizeit und der politischen Indoktrination durch das DDR-Regimes“, erntete Brandt Betroffenheit, Widerspruch sowie Zustimmung. „Die Reaktionen zeigen den Handlungsbedarf“, so Brandt.

Im Heimatverein hat sich der Gedanke festgesetzt, dass trotz des Buches von Hubert Faensen über die Reichspostforschungsanstalt die Würdigung und Auswertung der technischen Leistungen weitergeführt werden könnten. Da diese technischen Leistungen im Industriegebiet Teltow, Lichterfelde, Kleinmachnow, Stahnsdorf, Ludwigsfelde und andernorts stattfanden, bedürfe es des Bekenntnisses zu einem „geistigen“ Zentrum, das man durchaus im Seeberg sehen könne. Man erklärt es zur Aufgabe des Heimatmuseums, diese technischen Entwicklungen darzustellen und deren Nutzung ethisch zu werten. Ebenso wäre der Seeberg der „authentische Ort, die Widersprüchlichkeit von SED-Staat und DDR-Gesellschaft museal aufzuarbeiten“.

Bei all der Entwicklung, die dem Areal bevorsteht, mahnt die Initiative zu bedenken: „Der Seeberg hat nur eine Zukunft, wenn auch an seine Herkunft erinnert wird.“