Potsdamer Neueste Nachrichten 18.01.06
Eher
früher als später
Rektoren an den regionalen Schulen halten nichts von einem Unterrichtsbeginn
um halb neun
Teltow/Stahnsdorf/Kleinmachnow -
Zurückhaltend bis ablehnend wird an Schulen in Kleinmachnow, Stahnsdorf und
Teltow auf einen Vorschlag der märkischen CDU reagiert, künftig an Schulen die
Unterrichtsglocken erst ab 8.30 Uhr läuten zu lassen. „Nicht notwendig.“ „Wenig
sinnvoll.“ „Kein wirklicher Beitrag für mehr Familienfreundlichkeit.“ – so die
Kommentare der hiesigen Schulleiter.
Die schulische Leistungsfähigkeit würde durch einen späteren Unterrichtsbeginn
nicht wesentlich verbessert, meint Brigitte Gülmar, Rektorin der Kleinmachnower
Steinweg-Grundschule. Sie sieht „keinen Einfluss auf das
Konzentrationsvermögen“, würde die Stundenklingel 30 Minuten später schellen.
Ähnlich sehen es die Kollegen an der Stahnsdorfer Zille-Grundschule: die
Konzentration lasse im Laufe eines Schultages generell nach, ein späterer
Beginn würde die Qualität des Unterrichts nicht verbessern. „Das Leistungstief der
Schüler beginnt in der Mittagsphase“, weiß auch Eigenherd-Schulleiter Bernd Bültermann.
„Beginnen wir später mit der Schule, geraten wir genau in dieses Tief.“
Auch das Argument der
CDU-Bundestagsabgeordneten Katherina Reiche, ein späterer Schulstart bringe
mehr Zeit für die Familien, wird an den Schulen nicht geteilt. Wer auf ein
gemeinsames Frühstück am Familientisch wert legt, schaffe dies auch bei einem
Schulbeginn um 8 Uhr, ist Schulleiterin Gülmar überzeugt. Susanne Außendahl,
Elternvertreterin an der Kleinmachnower Seeberg-Grundschule fürchtet zudem,
dass ein späterer Schulbeginn eher familienfeindlich wäre. „Viele Väter und
Mütter müssen bereits um 7 oder 8 Uhr auf Arbeit sein und sind froh, ihre
Kinder um diese Zeit in der Schule zu wissen.“ Und: Wer später zur Schule geht,
kommt auch später nach Hause – „es wäre lediglich eine Verschiebung der Zeit,
die man mit seinen Kindern verbringt“, so Susanne Außendahl. Für die
Elternvertreterin wie auch für Schulleiter Bültermann sei der 8-Uhr-Termin ein
„guter und verlässlicher Kompromiss“.
Auch am Kant-Gymnasium in Teltow kann man sich im Lehrerkollegium einen
Unterrichtsbeginn um 8.30 Uhr nicht vorstellen. Bei dem vielfältigen Angebot an
Arbeitsgemeinschaften würden schon jetzt Lehrer sowie Schüler bis zum späten
Abend in der Schule bleiben. Je länger die Gymnasiasten die Schulbank drücken,
desto schwerer würde es, diese Angebote zu nutzen sowie außerschulischen
Aktivitäten wie Theater, Sport oder Musik nachzugehen.
Wie man den Unterrichtsbeginn flexibel gestalten kann, zeigt die evangelischen
Grundschule am Schwarzen Weg in Kleinmachnow. Dort machen die Lehrer gute
Erfahrungen mit einem offenen Unterrichtsbeginn. Die Kinder können ihren Start
selbst und flexibel gestalten: Ab 7.30 Uhr haben sie eine halbe Stunde Zeit
sich zu begrüßen, ihre Arbeitsmaterialien vorzubereiten und sich bereits
selbständig an die Erledigung ihres Wochenplans zu machen, ehe um 8 Uhr für
alle der „scharfe Start“ erfolgt. „Ganz viele Kinder brauchen diese
Ankunftszeit“, sagt Schulleiterin Kirsten Tenhagen. Zwar nutze nicht das Gros
der Eltern dieses Angebot, „die meisten kommen erst kurz vor Acht“, so die
Rektorin. Doch habe sie bemerkt, dass jene Kinder den Unterricht konzentrierter
beginnen, die die halbstündige Aufwärmphase nutzen. Auch für Lehrer sei der
„offene Beginn“ angenehmer. „Sie haben Zeit, die Kinder einzeln zu begrüßen und
sich individuell mit ihnen zu beschäftigen.“
Isabel Jäger/Peter Könnicke