Potsdamer Neueste Nachrichten 16.12.05

 

"Gießkannenprinzip in versteckter Form"

Stahnsdorfs Bürgermeister: Neue Wirtschaftsförderpolitik muss nochmals justieren / Kritik an Schönbohm als Landtagsabgeordneter

Stahnsdorf - Stahnsdorfs Bürgermeister Gerhard Enser (CDU) bezweifelt den Imagegewinn für Brandenburg, den Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) durch die neue Förderpolitik des Landes sieht. Vor dem Landtag hatte Platzeck am Mittwoch das Konzept der Landesregierung verteidigt, sich künftig bei der Vergabe von Fördermittel auf 15 regionale Wachstumskerne zu konzentrieren. Dass die Region Kleinmachnow, Stahnsdorf, Teltow dabei keine Berücksichtigung fand, ist von einigen wenigen kommunalen Politikern – vor allem durch Enser und den Kleinmachnower SPD-Landtagsabgeordneten Jens Klocksin – mehrfach kritisiert worden.

Enser fühlt sich in seiner Kritik bestätigt, nachdem nun auch der SPD-Wirtschaftsexperte Heiko Müller mehr Anstrengungen anmahnt, um das Potenzial des Berliner Umlandes zu erschließen. Müller kritisierte das Fehlen eines Konzeptes für die Metropolenregion.

Bislang sei nicht zu erkennen gewesen, dass die für die Region vorgebrachten Argumente in „irgendeiner Form abgewogen wurden“, moniert Enser. Ansonsten hätte eine Überprüfung der ohnehin unscharfen Kriterien, die einen Wachstumskern ausmachen, zu einer Berücksichtigung der Region führen müssen. „Die drei Kommunen erfüllen – mehr als viele andere Kerne – gemeinsam die Kriterien, sie sind als wirtschaftlicher Ballungsraum de facto ein Wachstumskern.“ Nahezu als Hohn empfindet Enser dabei Platzecks Hinweis auf die zehn Regionalkonferenzen, auf denen über den neuen Kurs debattiert worden ist: Bürgermeister waren zu diesen Treffen nicht eingeladen.

Setzt das Land seine angestrebte Förderpolitik um, sieht Enser die in der Region geplanten Vorhaben und Investitionen in Frage gestellt. Die Region dürfe nicht zulassen, dass die Verlängerung der S-Bahn von Teltow nach Stahnsdorf und andere Verkehrsprojekte oder auch das Freibad Kiebitzberge, für dessen Sanierung Fördermittel benötigt werden, geopfert werden. Doch könne Enser im Landeskabinett keine Lobby für die regionalen Ziele erkennen. Selbst in eigenen Reihen nicht: Als Kleinmachnower CDU-Landtagsabgeordneter halte sich Innenminister Jörg Schönbohm zurück – „vielleicht aus Landesräson“, mutmaßt Enser. Er könne zwar nicht beurteilen, wie Schönbohm innerhalb des Kabinetts agiert habe, inhaltlich habe er von dem CDU-Abgeordneten zu dem Thema nichts gehört.

Die Region im Süden Berlins nicht zu fördern, widerspreche völlig dem ständig verbreiteten Grundsatz der Landesregierung „Stärken zu stärken“ um zu Arbeit und Wachstum zu kommen. Diese Losung verkomme so zum „bedeutungslosen Gemeinplatz“, so Enser. Die Landespolitik habe 2005 in Bezug auf die Zukunft der Kommunen wenig Orientierung gegeben. Das Land müsse das Gesamtbild definieren, um Stein zu Stein ins Mosaik legen zu können, anstatt ein Bruchstück nach dem anderen zu produzieren. Ansonsten könnte von einem Umsteuern nicht die Rede sein, vielmehr bleibe es bei der „Gießkannenprinzip in versteckter Form“.

Der Stahnsdorfer Bürgermeister geht davon aus, dass die jetzt begründete Förderpolitik ohnehin kurzfristig neu justiert werden muss. Denn es sei völlig ungeeignet, jetzt Wachstumskerne zu benennen, ohne die geplante neue zentralörtliche Gliederung des Landes und die notwendige Prüfung des Finanzausgleiches abgeschlossen zu haben. „Dieser Dreiklang darf nicht aufgebrochen werden“ so Enser. Peter Könnicke