Potsdamer Neueste Nachrichten 07.12.05
"Ich
ziehe den Zusammenschluss vor"
Stahnsdorfs Bürgermeister Enser spricht von einem Meilenstein, der heute für
die Zukunft der Region gesetzt werden soll
Wie wichtig ist der heutige Tag
für die Zukunft der Region Kleinmachnow, Stahnsdorf, Teltow – für KleiST, wie
Sie es gern nennen?
Er ist ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Bürgernähe und wirksamer,
kostengünstigerer Verwaltung, ohne die Identität der drei Kommunen aufzulösen.
Was soll heute verabredet werden?
Wir werden eine Mehrzahl von Identität stiftenden Beispielen benennen,
die sich für effektive Zusammenarbeit der drei Kommunen eignen. Als
Handlungsfelder sehe ich die Bündelung von Verwaltungs- und bürgernahen
Dienstleistungen. Zudem sollten wir unsere Städtekooperation an konkreten
Projekten deutlich machen, wie dem Jubiläum 100 Jahre Teltowkanal, der
gemeinsamen räumlichen Entwicklung (Kanalaue und Teltowpark) und dem
Regionalbad Kiebitzberge.
Die politischen Entscheidungsträger der drei Orte haben sich jüngst während
eines Workshops intensiv mit den Folgen der verschiedenen Kooperationsformen
beschäftigt. Welchen Erkenntnisgewinn hatten Sie durch diese Veranstaltung?
Als derzeit geschäftsführende Gemeinde der Arbeitsgemeinschaft KAT hat
Stahnsdorf die Veranstaltung vorbereitet und inhaltlich mit gestaltet. Dabei
und während des Workshops ist in den Gesprächen deutlich geworden: Nur keine
Hürden aufbauen, die zum Ziel hinderlich sind. Verbandsgründungen verfestigen
nur Provisorien, die einem Zusammenschluss der Orte langfristig im Wege stehen.
Der Planungsverband nach dem Baugesetzbuch wurde mit Experten analysiert und
als Lösung verworfen, weil die Notwendigkeit im Verhältnis der Kosten zum
Nutzen nicht besteht. Die Region ist nach Bewertung der Kommunalaufsicht und
der Planer gut strukturiert. Defizite in der Abstimmung sind nicht erkennbar.
Die alternative Schaffung von Zweckverbänden leidet unter dem Mangel an
demokratischer Legitimation und steht der Bürgernähe entgegen. Wir haben mit
dem Wasser- und Abwasser-Zweckverband gute Erfahrung gemacht; aber neue
Zweckverbände sollten wir nicht schaffen.
Welcher Grad der Zusammenarbeit und Kräftebündelung sollte erreicht
werden, um von einer effektiven und spürbaren Kooperation sprechen zu können?
Die verfügbaren Instrumente sind bekannt. Durch öffentlich-rechtliche
Vereinbarungen lassen sich die Dinge regeln. Mit dem Ziel, die Leistung zu
steigern, Kosten zu reduzieren und Aufgaben, Kompetenzen und Erfahrungen zu
bündeln, kann jeweils eine der drei Kommunen Leistungen übernehmen und für die
anderen oder in deren Auftrag ausführen.
Welche Zuständigkeiten sollten konkret von jeder Kommune abgegeben und in
einer Einheit gebündelt werden?
Es gibt eine Reihe von Querschnittsaufgaben. Die können zentral
wahrgenommen werden. Ohne dass die Ortspolitik die Steuerung aus der Hand gibt,
wird der Betrieb für die drei Orte von einer Verwaltung ausgeführt. Beispiele
können zunächst im Bereich Standesamt, Bibliothek, Datenverarbeitung,
Beschaffung und Einkauf und in einem zweiten Schritt im Einwohnermeldewesen,
dem Ordnungsdienst, der Einführung der Doppik und in der Lohnabrechnung
gefunden werden. Ein Beispiel für mehr Bürgernähe ist zudem die gemeinsame
Kfz-Zulassungsstelle in der Region KleiST. Wir nehmen hier am Projekt Bürokratieabbau
der brandenburgischen Staatskanzlei teil.
Sie wurden in den zurückliegenden Wochen mehr oder weniger mit dem
Vorwurf konfrontiert, eine Art Über-Bürgermeister für die Region installieren
zu wollen. Offenbar gibt es noch immer Irritationen und unterschiedliche
Vorstellungen?
Die Spielzüge der Mannschaften auf dem Feld werden aus der Ferne der
Zuschauertribüne oft nur unscharf wahrgenommen, in Unkenntnis der Fakten aber
um so heftiger und parteiisch kritisiert. Da meine Amtszeit in gut zwei Jahren
endet und eine erneute Kandidatur zum Bürgermeister gesetzlich nicht möglich
ist, bin ich unverdächtig, dieser Über-Bürgermeister werden zu wollen. Wenn die
Bürger am Ende den Zusammenschluss von KleiST wollen, werden sie einen
Oberbürgermeister, eine Stadtverordnetenversammlung und eine Verwaltung
bekommen. Bis dahin werden sie ihre Kommunalvertretungen und ihre Bürgermeister
behalten. Wir sollten das Beste daraus machen.
Sie gelten als Stahnsdorfer Gemeindechef als jemand, der die Fäden gern
selbst in der Hand hält, einen geordneten Überblick hat, Entscheidungen und
Entwicklungen maßgeblich mitbefördert und mitbestimmt. Wie leicht fällt es
Ihnen, Kompetenzen und Hoheitsrechte in andere Hände zu geben?
Nach dem derzeitigen Stand der Entwicklung werden Hoheitsrechte nicht
abzutreten sein. Die Kommune bleibt politisch verantwortlich, auch wenn
einzelne Verwaltungsdienste von einer anderen Kommune, die am besten dafür
geeignet ist, geliefert werden. Jeder bezahlt die Leistung, die er bestellt.
Das ist vernünftig und lösbar. Die Kommune wird so zum Beispiel auch zukünftig
entscheiden, wie sauber das Ortsbild aussieht, wann und wie oft der ruhende
Verkehr kontrolliert wird oder welche Straßen gebaut oder vom Schnee befreit
werden.
Sie sprachen sich vor einigen Monaten für eine Fusion der drei Orte aus.
Halten Sie diesen Gedanken noch für realistisch?
Ich bin überzeugt, dass die Region KleiST ihre Chancen nur im Rahmen
einer noch engeren Zusammenarbeit der drei Kommunen nutzen kann. Ich ziehe die
gemeindliche Neuordnung vor, also den Zusammenschluss, da jede Form von
Interkommunaler Zusammenarbeit nur Teilaspekte lösen kann und instabiler ist.
Durch die enge Kooperation und einen späteren Zusammenschluss meistern wir die
demographische Entwicklung und ihre negativen Folgen für unsere Bürger. Die
Solidarität sichert uns die Wettbewerbsfähigkeit im überregionalen
Zusammenhang. Sie wird Fehlentscheidungen der Landesregierung, wie zum Beispiel
KleiST nicht als Regionalen Wachstumskern oder als Mittelzentrum anzuerkennen,
faktisch und auch auf dem Rechtsweg umkehren.
Das Interview führte Peter Könnicke
WORUM GEHT’S
Die Kommunale Arbeitsgruppe „Der Teltow“ – KAT – berät heute über neue, intensivere Formen der Zusammenarbeit der drei Kommunen Stahnsdorf, Kleinmachnow und Teltow. Zur Diskussion standen bislang die Gründung eines Planungs- oder Kommunalverbandes, der Aufgaben übernimmt, die jetzt noch in jedem der drei Orte selbständig ausgeführt wurden. In den vergangenen Wochen wurde viel über das Pro und Contra, über Sinn und Nutzen der verschiedenen Formen einer Kooperation diskutiert. Heute nun sollen Nägel mit Köpfen gemacht werden. Im Vorfeld baten die PNN Stahnsdorfs Bürgermeister Gerhard Enser zum Interview. Stahnsdorf ist zur Zeit geschäftsführende Gemeinde der KAT. Das heißt, sie bereitet Beschlussvorlagen vor und bestimmt maßgeblich die Inhalte, die in der KAT diskutiert und beschlossen werden. pek