Potsdamer Neueste Nachrichten 30.11.05
StandPUNKTE
"Charakter einer gesichtslosen Trabantenstadt"
Ein Online-Führer schwärmt für Kleinmachnows Architektur – eine Erwiderung
Kleinmachnow - Kleinmachnows
Bürgermeister, so war zu lesen, will in Deutschland eine Debatte über künftige
Bauformen lostreten. Man habe als kommunalpolitisch Verantwortlicher „die
Pflicht, über diese Dinge nachzudenken“. Viele in den letzten Jahren Zugezogene
bekommen in unseren Augen einen falschen Eindruck von der baulichen Entwicklung
Kleinmachnows in den vergangenen Jahren, wenn diese Äußerungen unkommentiert
bleiben.
Wir erinnern uns sehr gut, dass unter Regie des Bürgermeister in den 90er
Jahren ein Flächennutzungsplan (FNP) verabschiedet wurde, der 28 000 Einwohner
in Kleinmachnow vorsieht. Heute wehrt sich der Bürgermeister gegen das
Erzwingen dieser Einwohnerzahl. Wer hat ihn damals gezwungen, einen solchen FNP
zu unterstützen?
Wir erinnern uns auch gut daran, dass
in den 90er Jahren jeder Investor in Kleinmachnow willkommen war. Nicht nur
Steuersparmodelle machten das Bauen in Kleinmachnow interessant. Wir erinnern
uns gut, seit 1995 in der „Bürgerinitiative für maßvolles Bauen“ gegen
überdimensionierte Bauten und Bebauungspläne gekämpft zu haben. Wir haben uns
vehement für den Erhalt des Wald- und Siedlungscharakters in Kleinmachnow
eingesetzt. Um den Erhalt der Struktur der Alten Villenkolonie ist von uns hart
gerungen worden. Es hat damals nicht viel gefehlt und der Seeberg wäre
überdimensioniert bebaut worden. An Kritik des Bürgermeisters können wir uns nicht
erinnern. Wir haben mit ansehen müssen, wie weite Teile der Eigenherdsiedlung
bis in die 3. Reihe und mehr bebaut wurden.
An den 53 auserwählten architektonischen Beispielen auf der Internetseite „suburbia“
aus 100 Jahren Siedlungsgeschichte, fällt auf, dass von Sünden wie der
„Waldidyll“ (bei Minimal) genannten Reihenhäuschenbebauung bis in 4. Reihe
nicht die Rede ist. Ein besonders idyllisches Holzhäuschen (Kiefernweg 3), auf
dieser Internetseite noch zu bestaunen, ist bereits abgerissen und wird einem
wesentlich größeren Haus Platz machen. Kondor Wessels wird in einer Reihe mit
den Siedlungsgesellschaften der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts genannt.
Welch ein Unterschied jedoch zwischen den Sommerfeld-Häusern mit waldbestandenen
Grundstücken von mindestens 600 m² und Häusern von Kondor Wessels mit unter 70
m ² Gartenfläche!
Wie sich neue Bauten in die alte Umgebung einpassen, ist in Bebauungsplänen
vollkommen untergeordnet. Ein Beispiel dafür ist die Architektur am Kiebitzberg
vor dem Medonwäldchen mit denkmalgeschütztem Altbestand und neuen Gebäuden, die
sich überhaupt nicht am Vorgegebenen orientieren.
Nach all den Jahren erklärt der Bürgermeister die Bausünden der Vergangenheit
damit, dass der Bau vieler Häuser nach der Wende in Kleinmachnow gefördert
wurde, weil man damit die Zersiedlung des berlinfernen ländlichen Raumes
verhindern wollte. Sollte für diese Retterrolle ein Preis ausgelobt werden?
Verwundert hat uns das Lob von der Regionalplanung über den rücksichtsvollen
Umgang mit Freiflächen wie dem Bannwald. Verwundert deshalb, da doch inmitten
des idyllischen Bannwaldes der Bauhof sitzt mit seinem Fuhrpark und Streusilos
und die Verwaltung es versäumt hat, einen Bebauungsplan voranzutreiben, ohne
den jetzt die Bebaubarkeit von Grundstücken möglich wird, die als Teil des
Bannwaldes nicht bebaut werden sollten.
Kleinmachnow will nun eine „Vorreiterrolle“ für zukünftige Wohnformen
einnehmen. Wohnen für ältere Menschen im Ort und nicht außerhalb wird uns als
Novum dargestellt und jungen Familien sollen erschwingliche Angebote für den Häuslebau
unterbreitet werden, die 150 000 Euro nicht überschreiten. Damit kann nur ein
Reihenhaus „von der Stange“ gemeint sein. Architektenhäuser wie auf der
Internetseite „suburbia“ präsentiert, kosten mindestens das doppelte! Und wie
sollen sich auf 70 m² Gartenfläche der Kleinmachnows Charme ausmachende Wald-
und Gartensiedlungscharakter entfalten? Oder, Herr Bürgermeister: Wollen Sie
uns damit die bisher sehr schleppende Bebauung am Stahnsdorfer Damm schmackhaft
machen? Wollen Sie erneut eine stärkere Verdichtung dieses Gebietes im
Interesse eines Investors durch Änderung des Bebauungsplanes anstreben?
Ist nicht längst der „besondere“ Charakter Kleinmachnows als Wald- und
Gartensiedlung dem von Bauträgern suggerierten „Siedlungsdruck“ zum Opfer
gefallen? Kleinmachnow bekommt mit den Siedlungen von Kondor Wessels, mit denen
einstige Freiflächen zugepflastert werden, den Charakter einer gesichtslosen
Trabantenstadt, als Schlafstadt der Metropole Berlin und verliert vollständig
seinen (Architektur-)historisch gewachsenen Charakter als Wald und
Gartensiedlung.
Die Autorin ist Vorsitzende des Vereins „Bürger für gute Lebensqualität in
Kleinmachnow (BIK)