Potsdamer Neueste Nachrichten 07.11.05
Großes Interesse beim Besuchstag an der Evangelischen
Grundschule für alternative Lernmethoden
Kleinmachnow – Mit Beginn des Schuljahres 2006/07 sollen sechs Klassen der
Evangelischen Grundschule Kleinmachnow in einem neuen und eigenen Gebäude
lernen. Einzelheiten zu dem Bauwerk mochte Schulleiterin Kirsten Tenhafen
während des Tages der offenen Tür am vergangenen Samstag noch nicht preisgeben.
Lediglich dass hinter dem jetzigen Schulhof gebaut wird, erfuhren die Besucher
am Schwarzen Weg. Hier hat die Potsdamer Hoffbauer-Stiftung als Trägerin der
Grundschule vor zwei Jahren einen Teil des leer stehenden Gebäudekomplexes der
Siemens AG gemietet, wo Ende August nunmehr zum zweiten Mal 46 Kinder
eingeschult wurden.
„In so einer Schule hätte ich auch gern gelernt“, meinte eine Mutter, während
sie sich zum Tag der offenen Tür in den Räumen der Evangelischen Grundschule
umschaute. Denn auffallend ist, dass vor allem die Lernmaterialien hier eher an
Spielzeug erinnern als in anderen Schulen. Da ist zum Beispiel der Little
Professor, ein Taschenrechner, bei dem die Schüler das Ergebnis eintippen
müssen und wenn das richtig ist, lächelt daneben der Professor auf einem
kleinen Signet. Auch die Lesekarten erinnern mehr an ein Spiel. Nicht verwunderlich
also, wenn manche Kinder zu Hause ihren Eltern erzählen, sie hätten den ganzen
Tag nur gespielt.
In der Tat wird in der Evangelischen
Grundschule spielend gelernt, bestätigt Lehrerin Heidrun Koberstein. Der Lehrer
ist nicht der einzige, von dem die Kinder hier lernen, sondern auch voneinander
in Gruppen. Denn im Unterricht dürfen sie auch mal aufstehen und sich mit
anderen in eine Ecke des Raumes zurückziehen, berichtet die Lehrerin über die
hier praktizierte Lernkultur. Was Uneingeweihten dann wie spielerischer
Zeitvertreib erscheine, offenbare sich aber bei näherer Betrachtung oft als
vertiefendes Gespräch. So belauschte Heidrun Koberstein einmal drei Kinder, die
anhand eines Lexikons über Saurier fachsimpelten „und sich so gut auskannten,
dass sogar ich etwas lernen konnte“, erzählte die Lehrerin schmunzelnd.
Besonderer Wert wird darauf gelegt, die Kinder zu befähigen, sich Aufgaben
selbst zu stellen und diese nach einem individuellen Plan auch abzuarbeiten.
Zum Beispiel ein Gedicht schreiben, ein Bild zu einer Geschichte malen oder
dazu eine Figur gestalten. Beeindruckt waren die Eltern vor allem von der
Vielzahl der Arbeitsgruppen, die vom Reiten, Theaterspielen, Englisch, Biologie
und Holzgestaltung bis zum Zirkus reichten. Im Zirkus balancierten die Kinder
am Samstag auf großen Bällen, mit denen sie sich dann sogar trippelnd
fortbewegen konnten. Andere hatten bereits Erfahrungen mit mehreren
Musikinstrumenten gesammelt, um herauszufinden, welches zu ihnen passt.
Die Sorge, ihr Kind könnte sich langweilen in so einer Schule, kam deshalb bei
den Eltern erst gar nicht auf. Allerdings fragten viele nach den Aussichten der
Kinder, später einmal ein Gymnasium besuchen zu können. Hier können die Lehrer
bislang nur auf die Erfahrungen anderer reformpädagogischer Schulen wie der
Montessori-Schule oder der Evangelischen Grundschule in Potsdam verweisen. In
dieser Zeit sei aber deutlich geworden, dass die Kinder schon selbständig und
lösungsorientiert arbeiten können. Diese Fähigkeit sei in der heutigen
Arbeitswelt sehr gefragt, so Heidrun Koberstein.
Angetan von dem Schulklima ist auch Wilma Theurig, deren Töchter Julia und Gina
die Evangelische Grundschule besuchen. „Hier wird nichts diktiert, die Kinder
stellen sich selber Regeln auf, wie sie miteinander umgehen und da haben sie
festgelegt, dass Streit nur mit Worten geklärt wird.“ Kirsten Graulich