Potsdamer Neueste Nachrichten 22.10.05
Vier Läufer und ein Fähnchen
Kleinmachnower Gemeindevertreter stimmten geheim über die Zukunft eines
Schulsportplatzes ab
Kleinmachnow - Geheime Abstimmungen sollen die Unabhängigkeit von
Parlamentariern schützen. Die Wahl der Bundeskanzlerin etwa ist geheim. In
Kleinmachnow avancierte die Frage zur geheimen Abstimmung, ob die Verlagerung
einer Schulsportanlage 40000 Euro wert ist. Die scheinbar simple Frage hatte
sich zu einer „ideologischen Debatte“ entwickelt, an deren Ende sich der
CDU-Abgeordnete Fred Weigert nicht mehr sicher war, ob jeder noch nach bestem
Wissen und Gewissen sagen könne, ob die Laufbahn besser im Norden oder im Osten
liegen sollte. Daher forderte er, dass im Verdeckten abgestimmt werden solle.
Die Sachlage: Neben dem Neubau der Turnhalle für die Eigenherd-Schule entsteht
auch eine Außensportanlage. Die Kosten für den Turnhallenbau legten die
Gemeindevertreter auf maximal 2,2 Millionen Euro fest. Nur wenn ein Plus an
Qualität nachgewiesen werden könne, dürfe mehr Geld ausgegeben werden. Nachdem
die Außenanlage skizziert war, ließen Verbesserungsvorschläge nicht lange auf
sich warten. So schlug die Schule vor, statt drei eher vier Spielfelder
anzulegen. Dazu müsste allerdings die Laufbahn verlegt werden – an die Grenze
eines Wohngrundstücks. Im Bauamt war man durch die Dispute, die das
Turnhallenprojekt in dem Reinen Wohngebiet bereits zur Genüge verursacht hat,
reichlich sensibilisiert. Daher fragte man vorsorglich im Landesumweltamt nach,
ob die Laufbahn an der geplanten Stelle überhaupt erlaubt werden würde. Die
Schallschutz-Experten in Potsdam können sich das durchaus vorstellen,
„allerdings nur unter einigen Beschränkungen“, wie sie mahnend den Finger
hoben. Die Auflagen sind streng: Trillerpfeifen „wären unter Umständen zulässig,
wenn ein vergleichweise leises Produkt beschafft und maximal 50 mal am Tag
gepfiffen wird“. Wenn zudem garantiert würde, dass sich an und auf der Laufbahn
maximal vier Läufer befinden und lautes Anfeuern vermieden werde, könne das
Landesumweltamt zustimmen.
Nun sehen nicht alle Gemeindevertreter
eine Qualitätsverbesserung darin, Kindern das Anfeuern beim Sportunterricht zu
verbieten. „Kinder sollen jubeln können“, befindet die CDU-Abgeordnete Verena
Hartmann. Als „fragwürde Subotimierung“ empfindet die WIR-Abgeordnete Angelika
Scheib den Verbesserungsvorschlag. Eine optimale Lösung sei von Beginn an
verpasst worden, weil es versäumt wurde, Halle und Außenanlage als Einheit zu
konzipieren. SPD-Vize-Fraktionschef Jens Klocksin hält es indes für überhöht, die
Lage der Laufbahn zu einer „Grundabrechnung mit einer ungeliebten Planung zu
stilisieren“. Das gemeinsame Interesse sollte es jetzt sein, endlich
vernünftige Bedingungen für die Schüler zu schaffen. Und zur Wahrheit der
Betrachtung gehöre auch, dass jeder neue Bauherr um die unmittelbare
Nachbarschaft seines Hauses zu einer Schulsporthalle wissen müsse.
Doch genau in dem Umstand, dass die Nachbarschaft potenzielles Wohnbauland ist,
sieht CDU-Fraktionschef Ludwig Burkardt ein rechtliches Risiko. Die 40000 Euro
seien „zum Fenster rausgeworfen“, wenn die Laufbahn so angeordnet werde, dass
sie an das Wohngrundstück grenze.
„Es ist irrational zu glauben, die Anwohner hätten keinen Hebel, die
Sportanlage zu blockieren“, meinte auch WIR-Vertreter John Banhart. Die von
Banhart gewünschte Einschätzung des Klagerisikos konnte Bürgermeister Wolfgang
Blasig nicht liefern. Das sei spekulativ. „Wir können nur darauf achten, alle
Auflagen einzuhalten und auf Nachbarschaftsfrieden hoffen.“ Die Schule
jedenfalls habe versicht, sich beim Sportunterricht an alle Verbote zu halten.
Während sich in geheimer Abstimmung die Abgeordenten mit 13 zu 10 Stimmen für
den vermeintlichen Qualitätssprung aussprachen und somit darauf zu vertrauen
scheinen, dass die Grundschüler wirklich nur leise jubeln und Sportlehrer
vorsichtig pfeifen, fiel dem CDU-Vertreter Guido Beermann bei nochmaliger
Lektüre der Antwort aus dem Landesumweltamt auf, dass sich die Sache mit den
Trillerpfeifen bereits erledigt hat. Dort heißt es: Sollte auf dem unmittelbar
angrenzenden Flurtück ein Wohnhaus entstehen, darf auch nicht mehr gepfiffen
werden. Inzwischen steht da ein Haus. Für diesen Fall hat der Lärmschutzexperte
das Schwenken von Fähnchen empfohlen.