Potsdamer Neueste Nachrichten 20.09.05
Farbenlehre bei "Schröder’s"
Kleinmachnow am Wahlabend: Die CDU beklagt die Angst vorm Wechsel, die SPD
tänzelt und die FDP kündigt weitere Erfolge an
Kleinmachnow - In die aktuelle Präsentation der Kleinmachnower Wahlergebnisse
hatte sich ein Schreibfehler geschlichen. Statt Zweitstimme stand da
Zeitstimme. Daher fragte CDU-Ortschef Maximilian Tauscher zur Sicherheit nach,
ob es sich tatsächlich um eine Zeitstimme handele. Wer wollte, hörte bei dieser
Frage etwas Hoffnung mitschwingen. Doch als das „w“ eingefügt war, änderte sich
nichts: Die SPD blieb vor der CDU. Auch Kleinmachnows Christdemokraten konnten
an der Wahlschlappe ihrer Partei nichts ändern, obwohl sie einer der wenigen
Ortsverbände sind, die das Wahlziel ihres Landeschefs von 25 plus x erfüllten.
Der Absturz der Union an diesem Sonntagabend hat alle überrascht, die zur
Wahllese ins Kleinmachnower Rathaus gekommen sind – Grüne, Kanzler-Genossen,
Linke, Parteilose. Die Christdemokraten selbst tragen es mit Fassung. Die
„Angst vor dem Wechsel“ hätte an den Wahlurnen Pate gestanden, resümierte
Tauscher. Auch Stahnsdorfs CDU-Bürgermeister Gerhard Enser meint, dass
„offensichtlich die Angstmache vor zwingenden Reformen im Land aufgegangen
ist“.
Es gab Zeiten, da hat Enser stolz
verkündet, „dass seine Stahnsdorfer wissen, was zu wählen ist“. Vergangenes
Jahr zur Landtagswahl war Stahnsdorf der einzige Ort der Region, in dem Jörg
Schönbohm als damaliger CDU-Direktkandidat vorne lag. Und als vor drei Jahren
zur Kommunalwahl Enser den Urnengang mit seinem eigenen Schicksal als
Bürgermeister verband, gewann die örtliche CDU haushoch. Dass am Sonntag die
Union nach einen sommerlichen Höhenflug unsanft aufschlug und in Stahnsdorf
fast 15 Prozent weniger Stimmen als die SPD bekam, kann sich Enser durchaus
erklären: „Leider ist den Stahnsdorfern und der Region noch nicht deutlich
genug: Was gut für Stahnsdorf ist, ist auch besser für das Land.“
Teltows CDU-Ortschef Erhard Wiegand war schon längst wieder Zuhause – „Wunden
lecken!“ – als Kleinmachnows SPD-Spitzenfunktionär Frank Nägele in den Saal
tänzelte. „Ist doch schön, wenn man als Wahlsieger reinkommt“, jubiliert er.
Tatsächlich bleibt die SPD stärkste Kraft im Ort, hat für ihre Direktkandidatin
Andrea Wicklein sogar noch mehr Stimmen eingefahren als 2002. Doch ein Minus
von fast sechs Prozent bei der Zweit- also der Parteienstimme macht dem
stärksten SPD-Ortsverband der Mittelmark erneut deutlich, dass in Kleinmachnow
– anders als in Teltow, wo die SPD ihr bestes Ergebnis im Wahlkreis erzielt –
ein äußerst breites Wählerspektrum und eine starke bürgerliche Klientel Zuhause
ist. Hier tut sich die Linke zunehmend schwer, ist die FDP im Kommen und die
grüne Wählerschaft stark vertreten. 13,5 Prozent bekamen die Bündnisgrünen
diesmal – von einer „auffälligen Hochburg“ spricht man in der Potsdamer
Statistikzentrale des Wahlkreises.
Als die komplizierte Arithmetik des Wahlergebnisses im Kleinmachnower
Bürgersaal längst zu „gefühlten Koalitionen“ und „realistischen Bündnissen“, zu
Ampeln und Jamaika-Konstellationen führt, schreitet Norbert Gutheins in den
Raum. Der hochgewachsene Ortschef der FDP verkörpert an diesem Abend die
Kleinmachnower Liberalen. Mit Genugtuung nimmt er Glückwünsche entgegen. Auf
den Wahlplakaten seiner Partei stand „Mehr FDP“. Daraus ist eine Tatsache
geworden: 12,4 Prozent der Kleinmachnower wählten FDP – so viel wie noch nie.
Gutheins begründet das Ergebnis mit dem „sachlich geführten und auf Themen
gerichteten Wahlkampf". Und in der Stunde des Siegers verspricht er, „dass
wir auch auf Ortsebene kontinuierlich arbeiten werden, damit Kleinmachnow eine
bürgerlich liberale Hochburg im roten Brandenburg bleibt“. Zusammen mit dem
Fraktionspartner CDU wolle die FDP zur nächsten Kommunalwahl die SPD als
stärkste Fraktion in Kleinmachnow ablösen.
Zur späteren Stunde trifft sich die politische Familie des Ortes bei „Schröder’s“.
Die abendliche Kundschaft in der Kneipe rekrutiert sich vor allem aus CDU- und
SPD-Wählern. Ist Kleinmachnow der Zeit voraus? Bildet sich hier schon mal die
Große Koalition im Kleinen?
Für den SPD-Landespolitiker und studierten Politologen Jens Klocksin ist
Schwarz-Rot undenkbar. „Große Koalitionen macht man bei nationalem Notstand.
Und den haben wir nicht.“ Klocksin hadert mit der frühzeitigen Absage der SPD
an die Linkspartei. Denn es sei eine zentrale Botschaft des Abends, dass die
Linke wieder auf der politischen Bühne eine Rolle spielt.
Seine Genossin Susi Krause-Hinrich, deren hellblauer Pulli sehr schön das vom
SPD-Altvorderen Walter Haase zitierte „blaue Auge“ illustriert, mit dem die SPD
davon gekommen sei, „findet ja eine Ampel ganz spannend“. Das wiederum kann
sich der Liberale Gutheins überhaupt nicht vorstellen: „Das ist wie heiß und
kalt.“ Grünen-Ortssprecher Michael Martens gibt ihm recht: „Rot-Gelb-Grün
funktioniert nicht. Die sollen mal eine große Koalition machen.“
Und so werden an diesem Abend in Kleinmachnow eifrig Farben gemischt. Doch
egal, ob hier ein grüner Punkt gesetzt, dort ein gelber Anstrich gewagt oder
ein kräftiges Rot gezogen wird – irgendwie will kein Bild gefallen.