Potsdamer Neueste Nachrichten 30.08.05
Zehlendorf – weit weg
Schulweg wie üblich: In Kleinmachnow gibt es nach dem Mord an Christian Sch.
kaum Reaktionen
Kleinmachnow - Es sind nur ein paar hundert Meter, die Kleinmachnow von dem Ort
trennen, an dem am Sonnabend der siebenjährige Christian Sch. ermordet worden
ist. Doch gestern schienen zwischen Kleinmachnow und Zehlendorf Welten zu
liegen. Fast kinderlose Straßen auf der Berliner Seite des Buschgrabens –
allein oder in kleinen Gruppen von der Schule nach Hause radelnde Kinder auf
der Kleinmachnower Seite. Nein, auffällig mehr Kinder als sonst seien nicht am
Morgen von den Eltern zur Schule begleitet worden, heißt es an der
Steinweg-Grundschule. Auch an der Eigenherd-Grundschule nicht, so Schulleiter
Bernd Bültermann.
Weder an der einen noch an der anderen Schule wurde der Kindsmord in der
Nachbarschaft gestern besonders thematisiert. „Es gibt Situationen, in denen
wir als Pädagogen abwägen müssen, ob die Kinder nicht durch eine Diskussion zu
sehr verängstigt werden“, sagt Schulleiter Bültermann. Das habe er bereits
erlebt, als auf Wunsch einiger Eltern mit den Kindern über einen
Exhibitionisten gesprochen worden ist, der sich vor zwei Jahren in Schulnähe
herumgetrieben hatte. „Die Angst steckt noch bis heute in vielen Kindern.“
Eltern und Erzieher im Kleinmachnower
Kindergarten Waldschlösschen fragen sich unterdessen: Kann man die Kinder
überhaupt schützen? Noch sei auch nicht klar, was tatsächlich in Zehlendorf
passiert sei. Und: Sollen die Eltern denn die Kinder einsperren? Ohnehin sei es
in Kleinmachnow – schon wegen der Weitläufigkeit des Ortes – so, dass mehr
Kinder als anderswo zur Schule gefahren werden, erzählt eine Mutter, die ihre
Kleinste am Nachmittag aus dem Waldschlösschen abholt. „Jeden Morgen herrscht
Verkehrschaos, weil hunderte Kinder vor der Schule abgeladen werden.“ Andere
machen sich morgens zusammen mit anderen Schülern aus der Nachbarschaft in
Gruppen auf den Weg. „Das war doch schon immer so“, sagt die Kellnerin aus dem
Restaurant „Machnow“. Allein habe ihre neunjährige Tochter noch nie zur Schule
fahren dürfen.
Normalen Dienst versieht auch die Polizei in der Brandenburger Nachbarschaft
zum Tatort: Keine verstärkte Präsenz, nicht mehr Streifen, bestätigt eine
Polizeisprecherin. Auch aus Berlin hat es keine Anfragen oder Hinweise an die
Polizei gegeben. Präventionsteams der Polizei wurden auch nicht in die Region
geschickt.
Allerdings kümmern sich seit Monaten Eltern selbst darum, dass ihre Kinder den
Umgang mit Fremden am Telefon oder auf der Straße lernen. Mehrmals im Jahr
werden in der Turnhalle der Eigenherd-Grundschule Präventionskurse
durchgeführt, die eine private Firma anbietet. „Mehr als einhundert Kinder
haben schon mit gemacht“, erzählt Susanne Hörmann, deren Tochter bis zum
Vorjahr die Eigenherd-Schule besuchte. Im Herbst, sagt sie, werde es einen
Auffrischungskurs geben.
Das Straßenbild in Zehlendorf wird indes noch etwas länger von der grausamen
Tat geprägt sein: Kinder, die in die Schule gehen, die Christian Sch. besuchte,
werden seit gestern von ihren Eltern begleitet. Oder von dem Hausmädchen, dass
am Morgen in der Bäckerei „Wese“ erzählt, dass die Hausherren nun darauf
bestehen, dass sie das Kind von Kleinmachnow nach Zehlendorf in die Schule bringt.pet