Potsdamer Neueste Nachrichten 30.08.05
Oase im Industriegemäuer
Vorbereitung für Indoor-Spielplatz im früheren Gleichrichterwerk Teltow /
Eröffnung im nächsten Jahr
Teltow - Freunde schlugen die Hände überm Kopf zusammen, als sie von Katharina
und Uwe Schumachers Plänen erfuhren: Ein Indoor-Spielplatz für Teltow. Zwar
gibt es Hallenspielplätze in Berlin, aber ausgerechnet Teltow, und dann noch in
einem alten Industriegemäuer? Mit ihrer Vermutung, fühlten sich die Freunde
bestätigt, als sie das zugewachsene Gleichrichterwerk in der Bahnstraße gesehen
hatten. Schon allein Müll und Scherben ließen wochenlange Aufräumarbeiten
vermuten. Graffitifabrschichten zierten die Mauern. Das Dickicht von Kabeln an
der Decke war ein Anblick, der mutlos machen konnte.
Nicht so das Ehepaar Schumacher, denn die Pädagogin und der Tischler sehen ihre
Berufe als gute Voraussetzungen, um ein Freizeitzentrum für Familien auf die
Beine zu stellen. Der gelbe Klinkerbau weckte bereits ihr Interesse, als beide
das erste Mal durch das Musikerviertel fuhren. Sie suchten eigentlich ein
Grundstück fürs Eigenheim, waren aber sofort fasziniert vom Charme der Industriearchitektur.
Nicht zum Wohnen, sondern für einen Spielplatz im Innern.
Eine Woche später lasen sie eine
Anzeige, in der das Gebäude zum Kauf angeboten wurde. Sie erhielten den
Zuschlag. Zustimmung für das Vorhaben signalisierten auch die Stadtverordneten,
nachdem Schumachers ihr Konzept vorgestellt hatten. Inzwischen ist der Bau
entkernt. Es gibt keine Spur mehr von Graffiti und Müll. Nach einem Jahr sind
auch die Skeptiker verstummt. Was die beiden Enthusiasten in ihrer Fantasie
vorausplanten, ist vorstellbar geworden.
Vor allem die sakrale Atmosphäre mit den raumhohen Fenstern besticht jetzt die
Besucher. Spannend wird es im Kellergeschoss, wo es lange breite Gänge gibt.
Nach dem Umbau stehen rund 1000 Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung, und
Katharina Schumacher erläutert bei einer Begehung schon mal die künftigen
Bereiche: eine Krabbelecke für die ganz Kleinen, ein Spielbereich und ein
Bistro, in dem Väter und Mütter bei einer Tasse Kaffee entspannen und Zeitung
lesen.
Einige Räume sind Kursen vorbehalten, in denen Kinder später malen, basteln,
musizieren und töpfern sollen. Und einen Museumsbereich wird es geben, der
wechselnde Themen zum Anfassen und Mitmachen bietet. „Themen aus dem Fach
Erdkunde wollen wir anschaulicher darstellen als in den Lehrbüchern. Und
Experimente mit Luft und Wasser sollen bei den Kindern Entdeckerfreude wecken“,
schwärmt die Lehrerin.
Die Idee für das Familienzentrum, das sie „Kinderoase“ nennen wollen, stammt
aus den USA, dort nennt man es „family entertainment center", was
„Familienunterhaltungszentrum“ heißt. Aber Schumachers wollen nicht nur
unterhalten. „Bei uns dürfen Kinder kreativ sein und mit Naturmaterialien Ideen
umsetzen“, erklärt Uwe Schumacher, der dafür eine Holzbaustelle einrichten
will. Holz hat Vorrang auch bei der Ausstattung, denn keinesfalls wollen
Schumachers die „Kinderoase“ mit bunter Plastik ausstatten wie sie das bereits
bei anderen Indoor-Spielplätzen gesehen haben.
Praktische Erfahrungen können Kinder auch auf dem künftigen Sand- und Wasserspielplatz
sammeln, der auf dem 3700 Quadratmeter großen Außengelände eingerichtet werden
soll. Ebenso ist dort ein Musik-Klanggarten und eine Balancierstrecke
vorgesehen. Zusätzlich sind Clown- und Zauberveranstaltungen sowie
Puppentheater geplant, nach Voranmeldung auch Kindergeburtstage.
Neugierig schauen Nachbarn über den Zaun. In der Siedlung hat sich bereits
herumgesprochen, dass aus dem einstigen Schandfleck ein bauliches Juwel mit
quirligem Inhalt werden soll. „Die Resonanz ist durchweg positiv und alle
wollen wissen, wann wir eröffnen“, erzählt Katharina Schumacher. Aus der
Finanzierung machen sie ein Geheimnis – man hat den Eindruck, dass sich zwei
Idealisten ihren Lebenstraum verwirklichen. Auf einen Termin wollen sie sich
dabei nicht festlegen, weil dann zu viel Druck entstehe. Im nächsten Jahr soll
es sein, soviel ist sicher. Kirsten Graulich