Potsdamer Neueste Nachrichten 27.07.05

"So ein Projekt lässt man nicht scheitern"

PDS-Kreischef Klaus-Jürgen Warnick und Horst Hilzbrich von der WASG sind beide Kleinmachnower. Was verbindet sie noch?

Kaum ein Zeitungsartikel über das neue Linksbündnis berichtet nicht über Zwietracht zwischen PDS und WASG. Wie gut kennen und verstehen Sie sich persönlich?

WARNICK: Von Streit zwischen uns kann überhaupt nicht die Rede sein. Wir haben eine solide Basis gefunden und waren uns schnell einig, was man pragmatisch machen und wie man vernünftig einen Wahlkampf organisieren kann.

HILZBRICH: Ich kenne Klaus-Jürgen Warnick schon lange. Aber in der jetzigen Konstellation eines Linksbündnissses haben wir uns erst kennen gelernt. Bisher haben wir keine gravierenden Probleme. Und ich denke auch nicht, dass noch welche kommen.

Wie kann es denn gelingen, wenn man sich politisch noch nicht so gut kennt, in den kommenden Wochen einen gemeinsamen Wahlkampf zu führen?

HILZBRICH: Wir werben in unserem Wahlkampf für die offene Liste der Linkspartei.PDS. Über die Details will ich noch gar nicht so viel sagen, so lange die Liste noch nicht steht.

WARNICK: Unsere Zusammenarbeit können wir verstärken. Wir müssen all unsere Aktivitäten davon bestimmen lassen, was uns das Wahlgesetz vorschreibt. Aber ich denke, es dürfte kein Problem sein, wenn wir auf unserer Wahlliste ein WASG-Mitglied unter den ersten sechs haben.

Es gibt viele Diskussionen um die Besetzung der Listenplätze – zuletzt in Bayern. Ist bei der Rangfolge die WASG vom guten Willen der PDS abhängigig?

HILZBRICH: Der 6. Listenplatz für Steffen Hultsch ist in Ordnung.

WARNICK: Es ist völlig egal, ob die WASG Platz vier oder sechs hat, weil man in beiden Fällen in den Bundestag kommt. 20 Mandate sind in Brandenburg zu vergeben. Und wenn wir über 25 Prozent bekommen, haben wir sechs Leute drin. Das ist für meine Begriffe sehr realistisch. Niemand will es daran scheitern lassen, dass wir uns um ein oder zwei Plätze streiten. Dafür ist das Projekt einfach zu wichtig, nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa. So etwas lasse ich nicht an einem Listenplatz oder Eifersüchteleien scheitern.

Sie haben natürlich gut reden, denn die PDS besetzt die vorderen Listenplätze. Wie viel Prozent bringt der PDS das Bündnis mit der WASG?

WARNICK: In Brandenburg nicht so gewaltig viel. Gravierender kann es schon in diesem Wahlkreis sein, weil wir hier überproportional viele Zuzügler aus den alten Bundesländern haben, die nein zur PDS sagen, aber ja zu einer Alternative. Hier, gerade in Kleinmachnow, könnte sich das für uns positiv bemerkbar machen.

HILZBRICH: Das Wählerverhalten gestaltete sich bislang so, dass SPD gewählt wurde oder CDU. Und die PDS hatte eine überzeugte Stammwählerschaft und eine nicht zu unterschätzende Zahl an Protestwählern. Dann gibt es noch eine Menge Nichtwähler, dort können wir motivierend wirken. Wobei es Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern geben wird. In den neuen ist die Sache ausgereizter, während man in den alten Ländern durch die WASG auf Stimmenzuwächse hoffen kann.

PDS-Spitzenkandidat Gysi sieht als ersten wichtigen Schritt eine Vereinigung zwischen Linken aus Ost und West. Hier finden sich mit Ihnen zwei aus dem Osten, ja sogar zwei aus dem gleichen Ort. Wo ist da die Bereicherung?

WARNICK: Ich halte es für eine Bereicherung, weil wir als PDS 15 Jahre im Geschäft sind und jetzt Newcomer dazukommen. Die haben Ideen, die manchmal einfach klingen, andererseits aber Dinge in Frage stellen, wo wir ein stückweit betriebsblind geworden sind.

HILZBRICH: Ich war seit 1958 Mitglied der CDU und habe nach der Wende erfahren müssen, wo ich hingeraten bin und bin ausgestiegen. Ich habe aber nie mit dem Gedanken gespielt, in die PDS zu gehen. Jetzt haben wir eine Situation, in der wir Alternativen fürs Land brauchen. Und da sind nicht ideologische Trennlinien, sondern das Gemeinsame interessant.

Geben Sie sich damit zufrieden, allein durch die Existenz der Linkspartei den Etablierten eine sozialere Politik aufzuzwingen oder streben Sie nach mehr? Nach jüngsten Umfragen gibt es ja Spekulationen um eine Regierungsbeteiligung …

HILZBRICH: Wir haben in der WASG eine glasklare Aussage gemacht: Wir werden uns an keiner Regierung beteiligen, die Sozialabbau betreibt. Es hat keiner daran gedacht, mit SPD und Grünen zu koalieren, wir treten nicht als irgendwelche Erfüllungsgehilfen an. Mit Sicherheit zeigt die Existenz einer gebündelten Kraft bereits Wirkung. Wenn wir dem Land eine große Koalition bescheren, ist das noch immer besser als schwarz-gelb.

WARNICK: Was eine linke Kraft bewirken kann, erfahren wir inzwischen jeden Tag. Seit Monaten sind wir in den Schlagzeilen. Die großen Parteien haben höllisch Angst, das spürt man doch aus jedem Wort von Platzeck und Schönbohm. Wenn die Linkspartei 8 oder 10 Prozent schafft, hätte das zur Folge, dass die anderen permanent nach links schielen. Hartz IV hätte es nie gegeben, wenn die PDS mit 8 Prozent im Bundestag gewesen wäre. Allein das Vorhandensein einer starken Linken führt zu einem völligen Umdenken der etablierten Parteien. Allein die Sorge, die Linkspartei könnte zu stark werden, wird eine andere Politik bewirken.

Politische Gegner und Komsdfsdfsdfmentatoren werfen dem Linksbündnis vor, es spiele nur mit den Enttäuschungen der Wähler im Osten. Echte Konzepte für einen wirtschaftlichen Aufschwung und soziale Sicherheit habe die linke Alternative nicht.

HILZBRICH: Wir müssen die Umverteilung nach oben über die Steuerpolitik stoppen und ändern. Dann sind auch Gelder da, die jetzt dem Gemeinwesen fehlen. Eigentlich können nur 10 bis 15 Prozent der Menschen mit dem zufrieden sein, was momentan läuft. Alle anderen sind Verlierer, sicherlich in unterschiedlicher Härte. Ein Teil von ihnen möchte es aber nicht so recht wahrhaben.

WARNICK: Es gibt zwei Grundströmungen in der Politik. Die eine sagt, dass es nichts bringt, den Reichen etwas wegzunehmen, damit ließe sich Politik nicht finanzieren. Demnach gibt man den Reichen lieber Geld und hofft, dass sie es in Wachstum und Arbeitsplätze finanzieren. Das Problem ist aber, dass das nicht passiert, weil sie das Geld nehmen, um daraus noch mehr Geld zu machen, ohne es zu investieren. Wir haben ein Überangebot an Arbeitskraft und ein Überangebot an Geld. Die zweite Strömung – die wir vertreten – glaubt, dass man das wieder ausbalancieren kann, indem der vorhandene Reichtum gleichmäßiger verteilt wird.

Wie soll das geschehen?

WARNICK: Einer unserer Vorschläge ist zum Beispiel eine dritte Mehrwertsteuer für Luxusgüter, also 25 Prozent für alles, was mehr als 50000 Euro kostet. Ein vollkommen vernünftiger Vorschlag, der in andern Ländern schon umgesetzt ist. Das einzige Hindernis ist doch, dass die, die es beschließen müssten, vielleicht persönlich davon betroffen wären.

HILZBRICH: Mir kommt es auf Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Verlässlichkeit an. Das sind wir den Wählern schuldig.

Haben Sie in Sachen Verlässlichkeit nicht ein Vermittlungsproblem mit ihren Protagonisten Gysi und Lafontaine, die beide schon mal nach kurzer Zeit ihr Amt hingeschmissen haben?

HILZBRICH: Das ist jetzt nicht mein Problem. Die meiner Ansicht nach unhaltbare Debatte, Gysi und Lafontaine seien unsichere Kantonisten, will ich nicht mitführen.

WARNICK: Ich habe große Probleme mit der pauschalen Verurteilung von Gysi und Lafontaine, vor allem durch die Medien. Ich halte es für glaubwürdig, dass Gysi sich damals den Fehler mit den Bonusflugmeilen nicht verziehen hat, er ist eben sehr eitel. Und Lafontaine stand vor der Frage, ob er seine Ideale verrät oder eine Politik gegen die eigene Regierung macht. Kann man nicht verstehen, dass bei ihm damals die Schmerzgrenze erreicht war? Stattdessen steht einer wie Rezzo Schlauch gut da, der eine Affäre einfach aussitzt. Das ist doch bigott.

Nachdem Sie beide sich erstmals trafen, hieß es, man könne sich gut vorstellen, dass die WASG bei Wahlkampfterminen der PDS auftritt und beim Verteilen von Flugblättern hilft. Das klingt eher nach Handlanger als nach Partner …

WARNICK: Wir müssen auf das Wahlgesetz achten, da wir offiziell keine gemeinsame Partei sind. Wir machen unsern Wahlkampf vor Ort gemeinsam und gleichberechtigt, aber wir werden schon die Majorität sein, allein von der Zahl her. Die WASG hat in Potsdam-Mittelmark gut 15 Mitglieder, wir haben 550.

HILZBRICH: Die WASG wird im Wahlkampf erkennbar bleiben und die Wähler auffordern, für die offene Liste der Linkspartei.PDS zu stimmen. Wir haben deutschlandweit seit Ende Mai über 3000 Mitglieder gewonnen und uns damit auf über 9000 Mitglieder steigern können.

Wird es auf dem Landesparteitag am Samstag noch einmal eine Namensdebatte geben? Wie wichtig ist Ihnen das Kürzel PDS, Herr Warnick?

Das Kürzel ist mir sehr wichtig, aber das wird auch sicher so beschlossen werden. D und S würden mir reichen: Demokratie und Sozialismus.

Also Linkspartei PDS?

Die Linkspartei.PDS Brandenburg.

Legen Sie auf einen Namen wert, mit dem Sie sich identifizieren können, Herr Hilzbrich?

In unserm Landesverband haben wir keine Probleme damit, die Linkspartei zu unterstützen.

Das Gespräch führten Peter Könnicke und Volker Eckert

 

ZU DEN PERSONEN

Newcomer und Polit-Profi

Seit Anfang des Monats

ist Horst Hilzbrich Vorsitzender der WASG in Potsdam-Mittelmark. Der 64-jährige Polit-Neuling hat sich vorher als Organisator von Montagsdemonstrationen engagiert, war allerdings zu DDR-Zeiten auch schon einmal Stadtverordneter in Potsdam. Als die WASG gegründet wurde, ist er sofort beigetreten. Der gebürtige Thüringer hat lange in Potsdam gearbeitet, später in Berlin. Seit fünf Jahren lebt er mit seiner Frau im Kleinmachnower Norden.

Klaus-Jürgen Warnick ist PDS-Vorsitzender von Potsdam-Mittelmark und sitzt für die Partei in der Kleinmachnower Gemeindevertretung. Der Ur-Kleinmachnower managt für die PDS den Wahlkreis 20, zu dem auch Teltow, Kleinmachnow, Nuthetal gehören. Vergangenen Herbst trat er als Direktkandidat zur Landtagswahl an, unterlag aber dem Kleinmachnower SPD-Kandidaten Jens Klocksin. Von 1994 bis 1998 saß Warnick als damals Parteiloser und wohnungspolitischer Sprecher für die PDS im Bundestag.