PDS-Kreischef Klaus-Jürgen Warnick und Horst Hilzbrich
von der WASG sind beide Kleinmachnower. Was verbindet sie noch?
Kaum ein Zeitungsartikel über das neue Linksbündnis berichtet nicht über
Zwietracht zwischen PDS und WASG. Wie gut kennen und verstehen Sie sich
persönlich?
WARNICK: Von Streit zwischen uns kann überhaupt nicht die Rede sein.
Wir haben eine solide Basis gefunden und waren uns schnell einig, was man
pragmatisch machen und wie man vernünftig einen Wahlkampf organisieren kann.
HILZBRICH: Ich kenne Klaus-Jürgen Warnick
schon lange. Aber in der jetzigen Konstellation eines Linksbündnissses haben
wir uns erst kennen gelernt. Bisher haben wir keine gravierenden Probleme. Und
ich denke auch nicht, dass noch welche kommen.
Wie kann es denn gelingen, wenn man sich politisch noch nicht so gut
kennt, in den kommenden Wochen einen gemeinsamen Wahlkampf zu führen?
HILZBRICH: Wir werben in unserem Wahlkampf für die offene Liste der Linkspartei.PDS.
Über die Details will ich noch gar nicht so viel sagen, so lange die Liste noch
nicht steht.
WARNICK: Unsere Zusammenarbeit können wir verstärken. Wir müssen all unsere
Aktivitäten davon bestimmen lassen, was uns das Wahlgesetz vorschreibt. Aber
ich denke, es dürfte kein Problem sein, wenn wir auf unserer Wahlliste ein WASG-Mitglied
unter den ersten sechs haben.
Es gibt viele Diskussionen um die Besetzung der Listenplätze – zuletzt in
Bayern. Ist bei der Rangfolge die WASG vom guten Willen der PDS abhängigig?
HILZBRICH: Der 6. Listenplatz für Steffen Hultsch ist in Ordnung.
WARNICK: Es ist völlig egal, ob die WASG Platz vier oder sechs hat, weil man in
beiden Fällen in den Bundestag kommt. 20 Mandate sind in Brandenburg zu
vergeben. Und wenn wir über 25 Prozent bekommen, haben wir sechs Leute drin.
Das ist für meine Begriffe sehr realistisch. Niemand will es daran scheitern
lassen, dass wir uns um ein oder zwei Plätze streiten. Dafür ist das Projekt
einfach zu wichtig, nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa. So
etwas lasse ich nicht an einem Listenplatz oder Eifersüchteleien scheitern.
Sie haben natürlich gut reden, denn die PDS besetzt die vorderen
Listenplätze. Wie viel Prozent bringt der PDS das Bündnis mit der WASG?
WARNICK: In Brandenburg nicht so gewaltig viel. Gravierender kann es
schon in diesem Wahlkreis sein, weil wir hier überproportional viele Zuzügler
aus den alten Bundesländern haben, die nein zur PDS sagen, aber ja zu einer
Alternative. Hier, gerade in Kleinmachnow, könnte sich das für uns positiv
bemerkbar machen.
HILZBRICH: Das Wählerverhalten gestaltete sich bislang so, dass SPD gewählt
wurde oder CDU. Und die PDS hatte eine überzeugte Stammwählerschaft und eine
nicht zu unterschätzende Zahl an Protestwählern. Dann gibt es noch eine Menge
Nichtwähler, dort können wir motivierend wirken. Wobei es Unterschiede zwischen
alten und neuen Bundesländern geben wird. In den neuen ist die Sache
ausgereizter, während man in den alten Ländern durch die WASG auf
Stimmenzuwächse hoffen kann.
PDS-Spitzenkandidat Gysi sieht als ersten wichtigen Schritt eine
Vereinigung zwischen Linken aus Ost und West. Hier finden sich mit Ihnen zwei
aus dem Osten, ja sogar zwei aus dem gleichen Ort. Wo ist da die Bereicherung?
WARNICK: Ich halte es für eine Bereicherung, weil wir als PDS 15 Jahre
im Geschäft sind und jetzt Newcomer dazukommen. Die haben Ideen, die manchmal
einfach klingen, andererseits aber Dinge in Frage stellen, wo wir ein stückweit
betriebsblind geworden sind.
HILZBRICH: Ich war seit 1958 Mitglied der CDU und habe nach der Wende erfahren
müssen, wo ich hingeraten bin und bin ausgestiegen. Ich habe aber nie mit dem
Gedanken gespielt, in die PDS zu gehen. Jetzt haben wir eine Situation, in der
wir Alternativen fürs Land brauchen. Und da sind nicht ideologische
Trennlinien, sondern das Gemeinsame interessant.
Geben Sie sich damit zufrieden, allein durch die Existenz der Linkspartei
den Etablierten eine sozialere Politik aufzuzwingen oder streben Sie nach mehr?
Nach jüngsten Umfragen gibt es ja Spekulationen um eine Regierungsbeteiligung …
HILZBRICH: Wir haben in der WASG eine glasklare Aussage gemacht: Wir
werden uns an keiner Regierung beteiligen, die Sozialabbau betreibt. Es hat
keiner daran gedacht, mit SPD und Grünen zu koalieren, wir treten nicht als
irgendwelche Erfüllungsgehilfen an. Mit Sicherheit zeigt die Existenz einer
gebündelten Kraft bereits Wirkung. Wenn wir dem Land eine große Koalition
bescheren, ist das noch immer besser als schwarz-gelb.
WARNICK: Was eine linke Kraft bewirken kann, erfahren wir inzwischen jeden Tag.
Seit Monaten sind wir in den Schlagzeilen. Die großen Parteien haben höllisch
Angst, das spürt man doch aus jedem Wort von Platzeck und Schönbohm. Wenn die
Linkspartei 8 oder 10 Prozent schafft, hätte das zur Folge, dass die anderen
permanent nach links schielen. Hartz IV hätte es nie gegeben, wenn die PDS mit
8 Prozent im Bundestag gewesen wäre. Allein das Vorhandensein einer starken
Linken führt zu einem völligen Umdenken der etablierten Parteien. Allein die
Sorge, die Linkspartei könnte zu stark werden, wird eine andere Politik
bewirken.
Politische Gegner und Komsdfsdfsdfmentatoren werfen dem Linksbündnis vor,
es spiele nur mit den Enttäuschungen der Wähler im Osten. Echte Konzepte für
einen wirtschaftlichen Aufschwung und soziale Sicherheit habe die linke
Alternative nicht.
HILZBRICH: Wir müssen die Umverteilung nach oben über die Steuerpolitik
stoppen und ändern. Dann sind auch Gelder da, die jetzt dem Gemeinwesen fehlen.
Eigentlich können nur 10 bis 15 Prozent der Menschen mit dem zufrieden sein,
was momentan läuft. Alle anderen sind Verlierer, sicherlich in
unterschiedlicher Härte. Ein Teil von ihnen möchte es aber nicht so recht
wahrhaben.
WARNICK: Es gibt zwei Grundströmungen in der Politik. Die eine sagt, dass es
nichts bringt, den Reichen etwas wegzunehmen, damit ließe sich Politik nicht
finanzieren. Demnach gibt man den Reichen lieber Geld und hofft, dass sie es in
Wachstum und Arbeitsplätze finanzieren. Das Problem ist aber, dass das nicht
passiert, weil sie das Geld nehmen, um daraus noch mehr Geld zu machen, ohne es
zu investieren. Wir haben ein Überangebot an Arbeitskraft und ein Überangebot
an Geld. Die zweite Strömung – die wir vertreten – glaubt, dass man das wieder
ausbalancieren kann, indem der vorhandene Reichtum gleichmäßiger verteilt wird.
Wie soll das geschehen?
WARNICK: Einer unserer Vorschläge ist zum Beispiel eine dritte
Mehrwertsteuer für Luxusgüter, also 25 Prozent für alles, was mehr als 50000
Euro kostet. Ein vollkommen vernünftiger Vorschlag, der in andern Ländern schon
umgesetzt ist. Das einzige Hindernis ist doch, dass die, die es beschließen
müssten, vielleicht persönlich davon betroffen wären.
HILZBRICH: Mir kommt es auf Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Verlässlichkeit an.
Das sind wir den Wählern schuldig.
Haben Sie in Sachen Verlässlichkeit nicht ein Vermittlungsproblem mit
ihren Protagonisten Gysi und Lafontaine, die beide schon mal nach kurzer Zeit
ihr Amt hingeschmissen haben?
HILZBRICH: Das ist jetzt nicht mein Problem. Die meiner Ansicht nach
unhaltbare Debatte, Gysi und Lafontaine seien unsichere Kantonisten, will ich
nicht mitführen.
WARNICK: Ich habe große Probleme mit der pauschalen Verurteilung von Gysi und
Lafontaine, vor allem durch die Medien. Ich halte es für glaubwürdig, dass Gysi
sich damals den Fehler mit den Bonusflugmeilen nicht verziehen hat, er ist eben
sehr eitel. Und Lafontaine stand vor der Frage, ob er seine Ideale verrät oder
eine Politik gegen die eigene Regierung macht. Kann man nicht verstehen, dass
bei ihm damals die Schmerzgrenze erreicht war? Stattdessen steht einer wie
Rezzo Schlauch gut da, der eine Affäre einfach aussitzt. Das ist doch bigott.
Nachdem Sie beide sich erstmals trafen, hieß es, man könne sich gut
vorstellen, dass die WASG bei Wahlkampfterminen der PDS auftritt und beim
Verteilen von Flugblättern hilft. Das klingt eher nach Handlanger als nach
Partner …
WARNICK: Wir müssen auf das Wahlgesetz achten, da wir offiziell keine
gemeinsame Partei sind. Wir machen unsern Wahlkampf vor Ort gemeinsam und
gleichberechtigt, aber wir werden schon die Majorität sein, allein von der Zahl
her. Die WASG hat in Potsdam-Mittelmark gut 15 Mitglieder, wir haben 550.
HILZBRICH: Die WASG wird im Wahlkampf erkennbar bleiben und die Wähler
auffordern, für die offene Liste der Linkspartei.PDS zu stimmen. Wir haben
deutschlandweit seit Ende Mai über 3000 Mitglieder gewonnen und uns damit auf
über 9000 Mitglieder steigern können.
Wird es auf dem Landesparteitag am Samstag noch einmal eine Namensdebatte
geben? Wie wichtig ist Ihnen das Kürzel PDS, Herr Warnick?
Das Kürzel ist mir sehr wichtig, aber das wird auch sicher so
beschlossen werden. D und S würden mir reichen: Demokratie und Sozialismus.
Also Linkspartei PDS?
Die Linkspartei.PDS Brandenburg.
Legen Sie auf einen Namen wert, mit dem Sie sich identifizieren können,
Herr Hilzbrich?
In unserm Landesverband haben wir keine Probleme damit, die Linkspartei
zu unterstützen.
Das Gespräch führten Peter Könnicke und Volker Eckert
ZU DEN PERSONEN
Seit Anfang des Monats
ist Horst Hilzbrich Vorsitzender der WASG in Potsdam-Mittelmark. Der
64-jährige Polit-Neuling hat sich vorher als Organisator von
Montagsdemonstrationen engagiert, war allerdings zu DDR-Zeiten auch schon
einmal Stadtverordneter in Potsdam. Als die WASG gegründet wurde, ist er sofort
beigetreten. Der gebürtige Thüringer hat lange in Potsdam gearbeitet, später in
Berlin. Seit fünf Jahren lebt er mit seiner Frau im Kleinmachnower Norden.
Klaus-Jürgen Warnick ist PDS-Vorsitzender von Potsdam-Mittelmark und
sitzt für die Partei in der Kleinmachnower Gemeindevertretung. Der Ur-Kleinmachnower
managt für die PDS den Wahlkreis 20, zu dem auch Teltow, Kleinmachnow, Nuthetal
gehören. Vergangenen Herbst trat er als Direktkandidat zur Landtagswahl an,
unterlag aber dem Kleinmachnower SPD-Kandidaten Jens Klocksin. Von 1994 bis
1998 saß Warnick als damals Parteiloser und wohnungspolitischer Sprecher für
die PDS im Bundestag.