Potsdamer Neueste Nachrichten 02.07.05

"Kein Aufruf, Rot-Grün zu wählen"

Cornelia Behm über den geplanten Wahlkampf und die Situation der brandenburgischen Grünen

Frau Behm, die Grünen kommen seit Jahren in Brandenburg bei Landtags- und bei Bundestagswahlen nicht über die Fünf-Prozent-Hürde und im Moment ist die Stimmung für SPD und Grüne auch nicht besonders gut. Wie viel Prozent erhoffen sich die Grünen in Brandenburg bei der vorgezogenen Bundestagswahl?

Ich hoffe, dass wir über die magische Fünf-Prozent-Grenze kommen. Das ist auch mental für die Mitglieder im Land wichtig. Auch wenn bei einer Bundestagswahl die fünf Prozent in Brandenburg nicht entscheidend sind, es macht aber nicht dauernd den Eindruck, dass es sich in der Mark ohnehin nicht lohnt.

Bei vielen Grünen gibt es die Hoffnung, dass Rot-Grün-Wähler, also die, die mit der Erststimme die SPD und mit der Zweitstimme die Grünen gewählt haben, aus Enttäuschung über die SPD nun mit beiden Stimmen Grün Wählen, und dass SPD-Wähler überlaufen.

Wir werden diesmal nicht dazu auffordern, Rot-grün zu wählen, wir werben um Erst- und Zweitstimme. Die erste werten wir als Zuspruch für unsere Politik, die zweite macht uns stark im Bundestag.

Für kleine und so mitgliederarme Parteien – die Grünen haben nur 630 Mitglieder in Brandenburg – ist ein aufwändiger Wahlkampf schwer zu schultern. Die FDP verzichtet bundesweit fast komplett auf den Straßenwahlkampf. Welche Art von Wahlkampf werden Brandenburgs Grüne führen?

Mit Sicherheit auch den klassischen Straßenwahlkampf. Wir werden auch Plakate kleben, so grässlich das auch ist – sonst heißt es immer gleich, wir kämen im Straßenbild nicht vor. Aber wir werden hauptsächlich thematisch arbeiten, Touren durch das Land machen, Unternehmen besuchen und dort die Erfolge der rot-grünen Politik dokumentieren.

Die Grünen bei den Unternehmen?

Ja, daran kann man bestens demonstrieren, dass die Grünen nicht die mit den Stricksocken und dem Müsli sind – sondern dass die auch wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Kompetenzen und Erfolge haben. Wir waren schon in den vergangenen drei Jahren viel im Land unterwegs und haben Unternehmen besucht. Da ändert sich auch etwas. Bei unseren Wahlkampftouren wollen wir auch zeigen, dass es Unternehmen gibt, die von unserer Politik profitiert haben. Der Spruch ist zwar schon älter, aber er stimmt noch immer: „Mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben“ – das geht und das wollen wir zeigen.

Welche Themen-Schwerpunkte werden sie in ihrem Wahlkampf setzen?

Wir sind zwar noch in der genauen Planung – aber soviel steht fest: Es wird um Familienpolitik – also die Vereinbarkeit von Familie und Beruf –, Bildung, Ökologie, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, Bürgerrechte und Beteiligungsrechte der Bürger gehen. Wir werden nicht nur Wirtschaftstouren durch Brandenburg machen. Sondern wöchentliche Touren zu unterschiedlichen Themen – etwa zu Innovation, Natur, Kultur, Energie und Agrarpolitik. Und wir werden etwas zum Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner-Heide machen.

Wie sollen die Touren ablaufen?

Das steht noch nicht genau fest. Aber da ich in diesem Jahr wieder um meinen Urlaub und damit um meine Fahrradtour komme, werden wir wohl viel mit dem Rad machen – es soll ja auch etwas Spaß machen.

Cornelia Behm und ein kleines grünes Wahlkampfteam strampelt auf Stimmenfang durch die Mark?

Wir wollen nicht allein radeln. Die Touren sollen offen sein, für alle, die mit wollen. Es geht auch ums Entdecken: Es gibt so viele Dinge, die sich in Brandenburg bewegt haben – auch dank unserer Politik –, und die nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen, es aber wert sind; die wollen wir zeigen.

Brandenburgs grünste und beste Seiten?

Nicht nur. Wir wollen auch auf Probleme aufmerksam machen. Wir sind doch jetzt schon, da wo wir können, in den Hartz-Beiräten vertreten, engagieren uns in Bürgerinitiativen, unterstützen lokale Gruppen und Initiativen. Das hängt doch alles eng mit so urgrünen Themen wie Bürgerrechten, Ökologie und sozialen Problemen zusammen.

Sie haben es eben selbst gesagt: „...da wo wir können“. Die Grünen haben ihre Mitglieder hauptsächlich im Berliner Umland. In der Peripherie sind Grüne äußerst rare Erscheinungen – wie wollen sie da für Präsenz sorgen – auch mit Blick auf Landtagswahlen?

Obwohl wir so wenige Mitglieder haben, denke ich, dass wir kein wichtiges Thema vernachlässigt haben – alle können wir natürlich nicht bedienen, da fehlt uns das Personal. Es ist aber richtig: Es bringt nichts, immer nur am Grünen-Stammtisch zu sitzen und über grüne Politik zu philosophieren. Wir müssen uns zeigen. Die Mitglieder müssen sich überall, auch wenn es in einigen Orten nur ein oder zwei sind, zeigen, müssen Themen besetzen und offensiv vertreten. Die Leute müssen spüren und erleben, wofür Grüne stehen. Und, das muss in der Kommunalpolitik anfangen. Nur über aktive Arbeit können wir überall zeigen, wofür wir stehen und dass wir den Leuten auch konkrete Hilfe und politische Alternativen zu bieten haben.

Gerade den Brandenburger Grünen wird ein veritables Ost-West-Problem nachgesagt. Besonders die aus Berlin ins Umland gezogenen Grünen und die ostdeutschen Bündnis90-Mitglieder liegen sich oft in den Haaren.

Der Eindruck trügt. Das kann ich ihnen aus eigener Erfahrung sagen.

Sie sind Mitglied im völlig zerstrittenen Ortsverein Kleinmachnow ...

Und gerade dort sind es eben nicht Ost- und West-Grüne, die sich beharken. Da sind sich die Zugezogenen in die Haare geraten. Die, die schon immer wussten wie es zu gehen hat und die, die erst jetzt angefangen haben, sich politisch zu engagieren. Noch dazu geht da meist um Kommunalpolitik und die ist immer schwierig und berührt oft persönliche Befindlichkeiten und Interessen. Es ist nun leider so, dass ich und mein Mann scheinbar noch die Einzigen sind, die zwischen beiden Lagern wie zwischen zwei Welten wandeln und vermitteln können. Aber: Es ist definitiv kein Ost-West-Problem. das sieht man auch im Havelland, wo ebenfalls viele Grüne aus Westberlin und Westdeutschland hingezogen sind. Dort läuft es hervorragend. Wenn es Probleme gibt, dann liegt es meistens an den Personen.

Das Interview führte Peter Tiede