Potsdamer Neueste Nachrichten
09.06.05
Zugkraft der Stammbahn reicht nicht
Bürgermeister der Region fordern "ganzheitlichen Ansatz" – dazu zählt auch
S-Bahn-Ringschluss
Stahnsdorf - Gestern wurde im Landtag ein gemeinsamer Antrag von CDU und SPD
beschlossen, wonach die Landesregierung die Finanzierung für den Wiederaufbau
der Stammbahn prüfen soll. Das kann für die drei Bürgermeister von Stahnsdorf,
Teltow und Kleinmachnow nur Teil und Beginn eines Gesamtkonzeptes für den
Schienen gebundenen Personennahverkehr sein. „Wir erwarten einen ganzheitlichen
Ansatz für die Region“, betonte Stahnsdorfs Gemeindechef Gerhard Enser (CDU)
gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.
„Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass man sich nach dem Kraftakt
„Stammbahn“ zurücklehnt und sagt: Das war’s“, so Kleinmachnows Bürgermeister
Wolfgang Blasig (SPD). Die Stammbahn sei ein guter Schritt in die richtige
Richtung, doch animiert Blasig zu einer komplexeren Sicht: „Was die Region
tatsächlich braucht, ist ein Gesamtkonzept“. Neben der Stammbahn gehöre die
Verlängerung der S-Bahn von Teltow nach Stahnsdorf sowie der S-Bahn-Ringschluss
bis Wannsee dazu. Diese Vorhaben seien lange diskutiert und zum Teil auch
geplant. Jetzt gelte es, „die Themen zu bilanzieren und auf ihre Wechselwirkung
zu untersuchen“, befand Enser. Dass die Landtagsfraktion der PDS gleichfalls
für eine integrierte Untersuchung der Verkehrsentwicklung in der Region
plädiere, wertete Blasig als Signal, „dass auch die Opposition im Landtag für weitere
Schritte zur Verfügung steht“.
Eine klare Absage erteilt das
Bürgermeister-Trio der wiederholt auflebenden Idee einer Straßenbahn von
Potsdam nach Teltow, wie es die Stahnsdorfer AG „Verkehrskonzepte“ jetzt wieder
vorgeschlagen hat. „Absoluten Blödsinn“, nannte Teltows Stadtchef Thomas
Schmidt (SPD) diesen Gedanken. Als „unselig, absurd und inakzeptabel“
bezeichnete sein Kleinmachnower Amtskollege den Vorschlag. Den geringsten
Wirkungsgrad bei Stamm-, S- und Straßenbahn bescheinigt Enser der Tram.
Die drei Bürgermeister betonten, dass die weitere Anbindung der Region an das
S-Bahnnetz sowie die Reaktivierung der Stammbahn eine Aufgabe für die kommenden
Jahrzehnte sei. „Nahe liegende Themen für die regionale Verkehrsentwicklung,
bei denen Geld fließt, sind der Ausbau der Landesstraßen“, verdeutlichte Enser.
So werde in den kommenden Wochen der Planfeststellungsbeschluss für die L40
erwartet, von der sich die gesamte Region eine deutliche Entlastung des
Durchgangsverkehrs nach Schönefeld und zum Güterverteilzentrum Großbeeren
verspricht. Zudem wird noch im diesem Jahr der Beginn des
Planfeststellungsverfahrens für die L77 erwartet.
Genauso vehement, wie Teltows Bürgermeister den Tram-Gedanken ablehnt, pocht er
auf die Gültigkeit abgestimmter Konzepte. „Angst und Bange“ werde ihm, wenn bei
der ÖPNV-Spardebatte der designierten Großen Koalition im Kreistag auch die
Einstellung des Zubringerverkehrs zum Teltower S-Bahnhof als mögliches
Folgeszenario beschrieben wird. Teltow baue gerade eine separate Busspur zum
S-Bahnhof, da wäre es völlig widersinnig, die Shuttlelinie einzustellen und den
Wirkungsgrad des S-Bahnanschlusses für die Region zu minimieren. Amtskollege
Blasig findet es bedenklich, solche Ängste zu schüren. Als Mitgestalter des
Koalitionsvertrages zwischen SPD und CDU, FDP und FBD stehe er zu dem Ansatz,
auch bei der kreiseigenen Havelbus Verkehrsgesellschaft (HVG) zu sparen. Wenn
in Reaktion darauf nun gedroht werde, relevante Linien zu streichen, „zwingt
uns das, über einen eigenen regionalen Verkehrsbetrieb nachzudenken“, so
Blasig.
Peter Könnicke