Potsdamer Neueste Nachrichten 08.06.05

Ungarische Noten am Weinberg-Gymnasium Budapester Schüler zu Gast in Kleinmachnow

Kleinmachnow – „Hier fahren fast alle mit dem Rad zur Schule“, hat Barbara Soost gleich kurz nach ihrer Ankunft in Kleinmachnow festgestellt. Bei ihr zu Hause sei so etwas leider nicht so einfach möglich. Nicht nur weil die Schule der 16-jährigen Budapesterin auf einem Hügel steht, es gebe auch nur wenige Radwege in ihrer Heimatstadt.

Auch ihre Mitschüler, die zehn Tage Gäste des Weinberg-Gymnasiums waren, zeigten sich beeindruckt, dass so viele Kleinmachnower Rad fahren und auf den Straßen keine Löcher sind wie bei ihnen zu Hause. Überhaupt sei Deutschland viel schöner, sauberer und sicherer, sagen sie und die Leute hier wären viel näher an der Natur. Manche hätten gleich hinterm Haus einen Wald und ganz toll sei, dass es in den Städten so viele Parkanlagen und Bäume gibt. Die Lobeshymnen kommen in fließendem Deutsch, denn die 20 ungarischen Schüler lernen in der Deutschen Schule in Budapest. Dort ist Deutsch Unterrichtssprache und die Schüler absolvieren auch ein deutsches Abitur, das ihnen ermöglicht, in Deutschland zu studieren.

An dieser Schule unterrichtete auch Doris Frese drei Jahre. Seit vier Jahren ist sie Lehrerin am Weinberg-Gymnasium und als die Schule sich um ausländische Schulpartnerschaften bemühte lag es natürlich nahe, dass sie ihre ehemalige Schule in der ungarischen Hauptstadt vorschlug. „Die Idee gefiel auch dem Schulleiter, denn im Rahmen der EU-Erweiterung können die Schüler so den osteuropäischen Raum näher kennenlernen“, sagt Doris Frese. Seit drei Jahren fahren nun in jedem Schuljahr deutsche Schüler für zehn Tage nach Budapest und umgekehrt kommen die ungarischen Partner nach Kleinmachnow. Untergebracht sind sie in Familien deutscher Schüler, mit denen sie gemeinsam das Wochenende verbrachten. „Wenn man gemeinsame Interessen hat ist das kein Problem“, meint Benjamin Ritzel, der mit seinem ungarischen Gast viel Fußball spielte. Einige Stunden drückten deutsche und ungarische Schüler auch gemeinsam die Schulbank und für die Gäste war der Kurs „Darstellendes Spiel“ besonders interessant, denn dieses Fach gibt es bei ihnen nicht. Auf dem Programm standen auch Fahrten nach Dresden, Potsdam und Berlin. Begeistert waren sie vor allem von der modernen Architektur, besonders vom Potsdamer Platz. „Das ist Berlins bester Platz und dort will ich mal wohnen!“, schrieb ein begeisterter Schüler in der Auswertung.

Ohnehin wünschen sich die meisten später mal in Deutschland zu studieren. „Hier sind die Menschen ruhiger, sie haben weniger Stress im Leben“, glaubt Melinda, die sich für Technik interessiert und Ingenieurin werden möchte. Nur das deutsche Essen sagt ihr nicht sonderlich zu, denn hier würden die Leute so viel Gemüse essen. Zu Hause gebe es mehr Fleischgerichte und alles sei schärfer gewürzt, erzählt sie. Doch richtig kritische Anmerkungen zum deutschen Alltag und deutschen Verhaltensweisen kommen nur zögerlich, denn Ungarn sind höflich. So wird auch das eher unterkühlte Begrüßungsritual zwischen deutschen Jugendlichen nur erstaunt registriert: „Bei uns umarmt man sich und es gibt Wangenküsschen.“ Auch ein übel gelaunter Busfahrer und eine Stadtführerin, die griesgrämig ihr Programm abspulte, wird auf höfliche ungarische Art kommentiert: „Langweilig“. Kirsten Graulich