Potsdamer Neueste Nachrichten 07.06.05

Aprilwetter auf dem Seeberg

Der sonntägliche Ortstermin begann mit Sonne. Dann zogen dunkle Wolken auf. Und am Ende standen alle im Regen

Von Peter Könnicke

Kleinmachnow - Das Wetter an diesem Sonntagnachmittag ist wie die jüngere Geschichte des Ortes: Mal Sonne, mal Regen. Kaum tut sich etwas Licht über dem Kleinmachnower Seeberg auf, verdunkeln auch schon wieder schwarze Wolken den Horizont. Zuletzt war es die Idee eines Campus, der die Sinne all jener erheiterte, die sich Gedanken um die Zukunft des grünen Plateaus am Machnower See machen. Dass nun die Internationale Schule einen Teil dieses Campus einzäunen will, trübt die Stimmung. Deshalb hat die Allianz „pro Seeberg“ am Sonntag zum Ortstermin gerufen: An den markanten Stellen wollte ihr Sprecher Mathias Schmitt-Gallasch zeigen, warum noch immer nicht eitel Sonnenschein herrscht.

Da ist zum einen ein mit „WA2“ gekennzeichneter Abschnitt. Dabei handelt sich um ein am Fuße des Seebergs gelegenes Waldstück, 13000 Quadratmeter groß und auf der aktuellen Planungsskizze als „Bildungsnahes Wohnen“ überschrieben. Was das konkret bedeutet, weiß keiner so genau. „Sinnlos“, nennt WIR-Gemeindevertreter John Banhart den Titel. „Hundertprozentig ist das noch nicht definiert“, räumt Herbert Franke, Chef des parlamentarischen Bauausschusses ein. Man spricht von Wohnungen für Schulpersonal, doch so sicher ist man sich im „Baudorado“ Kleinmachnow nicht, ob letzten Endes nicht doch für ganz profanen Wohnungsbau Bäume fallen sollen. „Ich wohne unweit der Eigenherd-Schule – das ist auch bildungsnah“, illustriert der Elternsprecher der Eigenherd-Schule die Schwammigkeit des Begriffs.

Überhaupt ist die Option, hier zu bauen, „ein arger Kompromiss“, wie Gemeindevertreter Hubert Faensen von der UBK/WIR-Fraktion betont. Lange war die Bebauung des Seeberges, der letzten grüne Oase der Gemeinde, tabu. Die Idee, mit der Berlin Brandenburg International School (BBIS), der Walddorf-Schule- und Kita sowie einer kommunalen Grundschule hier einen Bildungscampus zu verwirklichen, ist schön aber teuer. Da die Telekom AG als Eigentümerin des Seeberges mehr Geld verlangt, als BBIS und Waldörfer bezahlen können, würde die Gemeinde selbst tief ins Portmonee greifen, ein Stück Wald zu Bauland erklären, dieses dann zu Baulandpreisen von der Telekom kaufen und dort auf eigenes Risiko Wohnhäuser bauen. Bei „WIR in Kleinmachnow“ will sich John Banhart gar nicht ausdenken, was passiert, wenn das Geld knapp wird oder die Vermarktung nicht läuft. „Wird man dann aus jedem Quadratmeter das Maximum herauspressen und die Vorsätze vergessen, nur hochwertige Bebauung auf großen Grundstücken zuzulassen?“ Kleinmachnows Volksvertreter werden am Donnerstag, wenn im Ortsparlament über die Aufstellung eines B-Planes diskutiert wird, auch darüber streiten, ob sie ein Maß der Bebauung festlegen sollen. „Wenn gebaut wird, dann hochwertig“, fordert Faensen.

Der zweiten Haltepunkt der Sonntagswanderer befand sich unmittelbar an der Stelle, wo die Internationale Schule der Idee eines Campus, wie ihn sich Faensen vorstellt, einen Riegel vorschieben will. „Denn Campus“, so reflektiert Faensen den Sinn des Wortes, „bedeutet freies Feld.“ Die BBIS jedoch will ihr Schulgelände einzäunen. „Das verlangt der Sicherheitsstandard für internationale Schulen“, begründet Burkhard Dolata. Der BBIS-Manager bedauert, dass offenbar nicht schon bei Ankunft der Schule vor vier Jahren klar war, dass sie irgendwann einen kontrollierten Zugang benötigen wird. Blöderweise will die BBIS den Zaun quer über die Straße setzen, die über den Seeberg führt. Nach NS-Vergangenheit und DDR-Zeit, in denen der Seeberg öffentlich unzugänglich war, kommt es für den SPD-Politiker Jens Klocksin nicht in Frage, die Kleinmachnower wieder nur über einen Zaun gucken zu lassen. „Ich verstehe die harte Haltung nicht“, beklagt er die Kompromisslosigkeit der BBIS. Nach Jahren des Streits ist die Kommune bereit, den Campus-Gedanken in einem Bebauungsplan festzuschreiben. Mehr noch: Sie will selbst finanzielle Risiken übernehmen, ihre Bebauungsblockade lockern und Waldorf- sowie Internationaler Schule erlauben, im Landschaftsschutzgebiet zu bauen. „All dies ist zu rechtfertigen, setzt aber Entgegenkommen der BBIS bei der Zaun-Frage voraus“, befindet Klocksin.

CDU-Fraktionschef Ludwig Burkardt sieht das etwas anders. Er sieht die Kommune ziemlich weit gekommen im fast zehnjährigen Streit um den Seeberg, für den sie zwar die Planungshoheit hat, der ihr aber nicht gehört. Von einem gigantischen Telekom-Servicecenter mit 2500 Beschäftigten sowie über völlig unakzeptable Architekturentwürfe habe die Gemeinde alle Begehrlichkeiten auf den nun favorisierten Campus reduziert. Diesen nun aufs Spiel zu setzen, weil man sich mit einem Zaun schwer tut, will Burkardt nicht einleuchten. „Für wen soll der Seeberg an dieser Stelle denn eigentlich offen bleiben?“, fragte er sich vorgestern angesichts der einsamen Wandergruppe, die an diesem Sonntagnachmittag nahezu allein war auf dem Seeberg.

Beinahe scheint es so, als würde für einige der Farbtupfer, der mit der Internationalen Schule auf der Kleinmachnower Visitenkarte erscheint, etwas verwaschen sein. „Wenn die BBIS von Beginn an gesagt hätte, dass sie die Straße über den Seeberg sperren will, hätte es nie ein Akzeptanz für ihre Ansiedlung gegeben“, wagt Sozialdemokrat Klocksin zu behaupten. „Warum soll die Gemeinde für eine private Schule Zugeständnisse machen, während sie ihre eigenen Schulen reglementiert?“, fragt WIR-Vertreter Banhart.

Die Antwort müssen die Kleinmachnower Volksvertreter wohl selbst geben. Denn auch BBIS-Manager fragt mehr denn je, „ob hier die Chance besteht, das Konzept einer Internationalen Schule zu verwirklichen. Vielleicht gibt es ja am Donnerstag ein reinigendes Gewitter.