Potsdamer Neueste Nachrichten 03.05.05
Geschichte im Turm
Im einstigen Kontrollturm der Grenzübergangsstelle Drewitz/Dreilinden entsteht
ein Mauermuseum
Kleinmachnow - Wenn alles nach Plan geht, gibt es in zwei Jahren an der
ehemaligen Grenzübergangsstelle Drewitz-Dreilinden ein Mauermuseum. Zwar dürfte
es weniger stark frequentiert werden als das am Checkpoint Charlie an der
Berliner Friedrichstraße. Aber dafür wird es in einem authentischen Gebäude der
DDR-Grenzer, dem ehemaligen Kommandantenturm, eingerichtet.
Der Kleinmachnower Verein Checkpoint Bravo kümmert sich seit 1998 um die
Rettung des desolaten Gebäudes an der Autobahn 115, das einst die Zentrale der
weiträumigen Grenzanlage bildete. Gründerin war damals die Kleinmachnower
Gemeindevertreterin Viktoria Brammer. Zusammen mit dem Verein organisierte sie
zum 10. Jahrestags des Mauerfalls eine viel beachtete Ausstellung über die
einstige Grenzübergangsstelle Drewitz/Dreilinden. Fotos, Dokumente und Modelle
des Kontrollpunkts erinnerten an ein Stück deutsch-deutscher Geschichte. Schon
damals gab es die Idee einer ständigen Erinnerungsstätte auf dem Turmgelände.
Nach langem Mühen ist nun der Weg für die Sanierung des von Graffiti
überzogenen Turms mit Hilfe von ABM-Kräften und seine Umwandlung in ein Museum
frei. Dafür stehen 114000 Euro zur Verfügung, die sich aus Zuschüssen des
Landes Berlin, der Gemeinde Kleinmachnow, Eigenmitteln des Vereins und Spenden
zusammensetzen. Der Europarc Dreilinden überlässt den Kommandantenturm dem
Verein für 25 Jahre mietfrei; der Vertrag trat am Samstag in Kraft.
Das Sanierungskonzept sieht laut Vereinschef Peter Boeger die Erneuerung des
löchrigen Dachs und die Verglasung der zerschlagenen Fenster vor. Außerdem
müssen Innenwände erneuert werden. „Wir wollen am Wachturm die Spuren der
Zerstörung und Alterung nicht tilgen, sondern dokumentieren auch ein Stück
Umgang mit der Grenze nach dem Fall der Mauer“, sagt Boeger. Die künftige
Ausstellung in dem Turm soll gelungene und gescheiterte Fluchtversuche
dokumentieren und zeigen, wie das Grenzregime vor und nach 1961 ausgesehen hat.
Vielen ist der Ort noch in unangenehmer Erinnerung. „Wer als Westdeutscher oder
West-Berliner die Grenzübergangsstelle Drewitz passieren wollte, musste auf
lange Wartezeiten, Befragungen und mitunter schikanöse Kontrollen gefasst sein.
Immer wieder wurden hier auch DDR-Flüchtlinge aus den Autos von
Transitreisenden geholt und anschließend zu mehrjährigen Gefängnisstrafen
verurteilt. Das darf nicht vergessen werden, deshalb müssen die letzten steinernen
Zeugnisse erhalten werden“, sagt Boeger. Eingesetzt wurde in Dreilinden auch
die so genannte „Technik 5“ – das Durchleuchten der Fahrzeuge mit
Gammastrahlen, um Flüchtlinge aufzuspüren, die sich zwischen der Ladung von
Lastwagen versteckt hatten. „Die Existenz einer solchen mit Cäsium 137
betriebenen Anlage unterlag strikter Geheimhaltung“, berichtet Boeger. Nach dem
Fall der Mauer seien die Geräte schnell und konspirativ beseitigt worden. pek/TSP