Potsdamer Neueste Nachrichten 30.04.05

Ein Berg voller Kompromisse

Auch beim Sicherheitsbedürfnis der Internationalen Schule muss man sich in Kleinmachnow einigen

Von Peter Könnicke

Kleinmachnow - Wohl kaum ein Wort ist in den vergangenen Jahren für den Seeberg in Kleinmachnow mehr strapaziert worden als „Kompromiss“. Bei der Frage, ob, wie und in welchem Umfang das Ensemble der ehemaligen Reichspostanstalt und das weitläufige Areal entwickelt werden kann, hat kein Plan und keine Überlegung sofortigen Zuspruch bekommen. Seit fast zehn Jahren wird das Ringen um eine Gestaltung des Plateaus begleitet von der Suche nach einem Konsens mit allgemeiner Gültigkeit. In der Idee, auf dem Gelände einen Campus mit mehreren Schulen zu errichten, glaubte man sich am Ziel. Seit ein paar Tagen wird der Kompromiss auf eine harte Probe gestellt.

Die Absicht der Berlin Brandenburg International School (BBIS), das von ihr benötige Schulgelände einzuzäunen, hat unschöne Erinnerungen geweckt. Jahrzehnte war das Gelände hermetisch abgesperrt – erst von den Nationalsozialisten, dann von der SED, die hier ihre Kaderschmiede hatte. „Noch lange nach der Wende erschien es den Einwohnern von Kleinmachnow wie eine ferne, geheimnisvolle Insel“, schreibt Kulturhistoriker Hubert Faensen in seinem Buch über den Seeberg. Würde nun ein Zaun die Straße kreuzen, die über den Seeberg führt, und somit der Gang über das Plateau am BBIS-Gelände enden, würde „eine unglückliche Geschichte aufleben“, mahnt Faensen in seiner Eigenschaft als Gemeindevertreter, als der er immer Offenheit und Öffentlichkeit für den Seeberg verlangt hat. Mit einem Zaun würde „eine alltägliche bürgerliche Freiheit einer Angstpsychose weichen“, so Faensen.

Auch unter Kleinmachnows Sozialdemokraten wird die Vergangenheit bemüht, um zu verhindern, dass die Zukunft des Seeberges verbaut werde. „Die Kleinmachnower Bürger haben in der friedlichen Revolution Ende der achtziger Jahre auf dem Seeberg Zäune beseitigt und Tore geöffnet. Es darf nicht sein, dass nun wieder Zäune errichtet werden“, rebelliert SPD-Ortschef Frank Nägele. „Keine neuen Mauern innerhalb von Kleinmachnow“, appelliert auch der Bündnisgrüne Gerhard Casperson, einer der Kleinmachnower Protagonisten der Wende-Bewegung.

Doch es gibt auch Verständnis für das Sicherheitsbedürfnis der internationalen Schule. „Weltfremd“ nennt etwa PRO-Kleinmachnow-Mitstreiter Thomas C. Barth jene, die meinen, der Campus einer internationalen Schule könne frei zugänglich sein. An der Munich International School in Starnberg kann man die Kleinmachnower Frage sehr gut nachvollziehen. „Das Sicherheitsbedürfnis internationaler Schulen hat sich extrem erhöht“, sagt Verwaltungschef Schnor. Auch in München verhandle man derzeit mit Behörden, um das Schulgelände einzuzäunen. Das Klientel sei gefährdeter als an anderen Schulen, weshalb Botschaften und Wirtschaftsunternehmen, die ihren Mitarbeitern internationale Schulen empfehlen, auf gegebene Sicherheitsstandards Wert legen.

Auch BBIS-Geschäftsführer Burkhard Dolata kennt die Sicherheitsansprüche, von Botschaften, Konzernen und Eltern. Das Bedürfnis, künftig 800 Schüler auf dem weitläufigen Seeberg unter Kontrolle zu haben, ergebe sich aber auch allein aus pädagogischen Gründen. „Da unterscheiden wir uns überhaupt nicht von anderen Schulen“, so Dolata. Wenn es in den vergangenen drei Jahren ohne Zaun ging, dann allein deshalb, weil die bislang anderthalb genutzten Schulgebäude überschaubar seien. Für ihren Campus plant die BBIS zunächst vier der sechs bestehenden Seeberg-Bauten zu erwerben sowie Sport- und Freiflächen anzulegen.

Das Kaufinteresse der BBIS ist einer der wichtigsten Faktoren in der Rechnung, die die bisher ungeklärte Zukunft des Seeberges lösen soll. Es ist längst ein offenes Geheimnis, dass sich die Gemeinde müht, neben der Planungshoheit für das Areal auch die Eigentumsrechte für das Gelände zu bekommen. So könnte sie frei vom Vermarktungsdruck anderer den Seeberg als letzten geschlossenen Grünzug behutsam entwickeln. Doch kann sie nicht die kompletten 46 Hektar von der Deutschen Telekom kaufen, so dass die BBIS mit ihrem Interesse für einen nicht unerheblichen Teil der Fläche mit im Boot sitzt. Daher blicken einige in Kleinmachnow mit Sorge, wie viele Wellen geschlagen werden, ob das Boot zu kentern droht oder jemand von Bord geht. BBIS-Manager Dolata jedenfalls läutet die Alarmglocken: „Die Frage der Sicherheit ist für uns ein K.O.-Kriterium“, die Schule hätte auf dem Seeberg nur eine Zukunft, wenn gewisse Sicherheitsstandards gewährt sind.

Andererseits wird Dolata nicht daran gelegen sein, den attraktiven Standort leichtfertig aufzugeben. Die gegenseitige Abhängigkeit scheint zu groß, um die Zukunft eines Seebergs als Campus scheitern zu lassen. Daher wird auch in dieser Frage das gefunden werden müssen, was für den gesamten Seeberg gesucht wird: ein Kompromiss.