Potsdamer Neueste Nachrichten 19.03.05
"Lieber Kommunalpolitik ohne
Parteien"
Als Sympathisant für die Grünen zog Christian Grützmann ins
Gemeindeparlament – jetzt steht die grüne Frakion vor der Auflösung
Herr Grützmann, Sie sind zur Kommunalwahl 2003 als Sympathisant der
Grünen angetreten und haben auf der Liste von Bündnis90/Die Grünen kandidiert.
Schon nach wenigen Monaten überwarfen Sie sich mit Ihrem Fraktionsmitglied
Norbert Schroeder, der grüne Ortsverband gilt als zerstritten. Jetzt trat
Fraktionschefin Nina Hille aus der Partei aus und die Fraktion steht vor der
Auflösung. Wie sympathisch sind Ihnen die Grünen in Kleinmachnow noch?
Also ein Teil ist mir durchaus noch sympathisch, wenn ich an Gerhard Casperson,
Andrea Blanke und Frank Musiol denke. Aber dann gibt es leider die
Fundamentalisten, die aus Berlin gekommen sind und sagen, was wir in der Region
zu tun hätten. Die Ich-Bezogenheit dieser Leute ist mir überhaupt nicht
sympathisch.
Wie drückt sich denn dieser
vermeintliche Fundamentalismus aus?
Ein Beispiel ist die Schleusenbrücke: Da muss nach der Forderung der
Grünen unbedingt ein Radweg sein. Dabei übersehen sie, dass die ehemalige
Gemeindevertretung der Meinung war, die notwendigen Kosten von mehreren
Hunderttausend Euro können nicht aufgebracht werden. Auf dieser Brücke muss es
ein gutes Miteinander der Fußgänger, Rad- und Autofahrer geben, die Leute
müssen Rücksicht aufeinander nehmen. Das ist nur ein Beispiel, dass Vieles bei
den Grünen inzwischen so idealisiert ist, dass es schwer ist, wirklich etwas
zustande zu bekommen.
Also besteht für Sie grüne Politik darin, für alles Kompromisse zu
finden?
Man muss in jeder Hinsicht Kompromisse machen. Auch beim Bauen muss man
das Haus nicht unbedingt um den Baum herum bauen, man muss auch neue Bäume
anpflanzen können.
Kleinmachnows Ortsverband der Bündnisgrünen galt bislang als einer der
stärksten in Brandenburg. Nirgendwo wurde so viel Grün gewählt wie hier. Hat
das Image gelitten?
Auf jeden Fall sind die Sympathien gesunken. Die Leute, die aus der
DDR-Bürgerbewegung des Bündnis' 90 mit hohem ethischen kommen, werden nicht
mehr so berücksichtigt wie nach der Wende. Diese Leute können sich nicht mehr
so stark in Szene setzen, wie es in der ICH-Gesellschaft nötig wäre.
Welche Rolle spielen Protagonisten wie Cornelia Behm, die vor drei Jahren
zur Bürgermeisterwahl für Furore sorgte, die später in den Bundestag zog und
mit der in Kleinmachnow der Erfolg der Grünen eng verbunden wurde?
Cornelia Behm hat sich leider aus der Kommunalpolitik zurückgezogen.
Ich denke, es wäre notwendig gewesen, dass sie trotz ihres Bundestagsmandats
weiter kommunalpolitisch tätig bleibt. Auch wenn sie die Bürgermeisterwahl
gegen Wolfgang Blasig verloren hat, wäre sie in der Kommunalpolitik ein
notwendiger Widerpart gewesen.
Wo sehen Sie sich künftig in der Gemeindevertretung: Die Fraktion der
Bündnisgrünen gibt es da facto nicht mehr, Ihre bisherige Mitstreiterin Nina
Hille wird von anderen Fraktionen umworben. Wo sehen Sie sich am besten
aufgehoben?
Ich war ja schon immer ein Wanderer zwischen den Welten. Und
offensichtlich geht die Wanderschaft weiter. Nun sind die Dinge so, dass man
Kritiker nicht gern in den eigenen Reihen hat, vor allem dann nicht, wenn sie
etwas am eigenen Haus auszusetzen haben. Ob das Haus nun Kleinmachnow heißt, SPD
oder CDU - an allen ist etwas auszusetzen – an mir natürlich auch.
Konkret: Brauchen Sie als Gemeindevertreter eine Familie um sich herum
oder können Sie sich ein Single-Dasein vorstellen?
Man braucht immer Mitstreiter. Ich bin immer für Teamwork gewesen. Es
gibt in jeder Fraktion der Gemeindevertretung an der Kultur interessierte
Leute, die man für verschiedenste Projekte gewinnen kann.
Sie sind ja in der Situation, vergleichen zu können: Lange Zeit meldeten
Sie sich als Einwohner zu Wort, der „aus dem Dickicht kommt“, nun sind Sie
Gemeindevertreter: Was macht den Unterschied?
Ich arbeite jetzt mehr mit schriftlichen Anfragen. Das ist aber nicht
so effektiv, wie ich mir das vorstelle. Ich möchte prägnante Antworten auf
meine Fragen, bekomme sie aber nicht. Da geht es mir ähnlich wie früher in der
Einwohnerfragestunde. Ich habe nach etwas mehr als einem Jahr die Erfahrung
gemacht, dass ich noch schärfere Töne anschlagen muss.
Stellen Sie sich vor, wir hätten in wenigen Wochen Wahlen in Kleinmachnow.
Auf welcher Liste würden Sie kandidieren?
Wahrscheinlich auf keiner Parteienliste. In der Kommunalpolitik für
Gemeinden von der Größe Kleinmachnows müssten die Parteien verboten werden. Es
müsste mehr das Engagement der Bürger beachtet werden. Ich bin der Meinung, man
könnte die Wählerverdrossenheit abbauen, wenn man den parteilosen Flügel einer
Kommune, auch die Agenda-Bewegung stärker stützt. Bisher ist diese Art der
Opposition zersplittert. Kleinmachnow ist eine sehr progressive Gemeinde, in
der man es einmal mit solchen Prinzipien wie der des Bürgerhaushaltes probieren
sollte. Da haben Parteien nicht mehr das Sagen, sondern die Bürger. Ich würde
diesem parteilosen Flügel angehören und versuchen, die Kräfte für das Ziel
einer gebildeten und kulturvollen WIR-Gesellschaft zu bündeln.
Das Gespräch führte Peter Könnicke