Potsdamer Neueste Nachrichten 12.03.05

Reaktion erforderlich

Peter Könnicke

Man kann geteilter Meinung sein, ob es richtig war, den Brief des CDU-Politikers Fred Weigert an den Vorstand des Kleinmachnower Heimatvereins in die Öffentlichkeit zu geben. Man mag es für richtig halten, eine äußerst bedenkliche Auffassung zum 8. Mai 1945 dort zu diskutieren, wo sie geäußert wurde. Doch unstrittig ist: Mit dem Moment, in dem der fragwürdige Inhalt des Schreibens bekannt wird, kann sich die Reaktion nicht darin erschöpfen, das Bekanntwerden zu beklagen.

Doch das hat Kleinmachnows CDU bislang getan: Sie hat beklagt, dass öffentlich wurde, dass einer ihrer Mandatsträger den 8. Mai 1945 eher als Tag der Eroberung sieht und nicht als Tag der Befreiung oder des Kriegsendes. Sie räumt lediglich ein, mit der ein oder anderen Wortwahl ihres Parteifreundes nicht glücklich zu sein. Doch sie versäumt es, diese zu benennen und ihrem Fraktionskollegen deutlich aufzuzeigen, dass eine Grenze im Interpretationsspielraum der deutschen Geschichte überschritten wurde. Kein Wort der Christdemokraten, dass man in den Äußerungen Anlass für eine Auseinandersetzung sieht. Kein Widerspruch, wenn einer aus ihrer Mitte in die rechte Ecke gerückt wird, weil er sich einer Sprache bedient hat, die der rechten Ideologie gefährlich nahe kommt. Stattdessen provoziert man mit dem Schweigen eine Polarisierung zwischen rechtsextrem und ultralinks. Man nährt den Vorwurf zu dulden, dass Geschichte verfälscht dargestellt wird. Das macht es noch schwieriger, eine angemessene Diskussion zu führen. Man bereitet das Schlachtfeld, auf dem sich Ideologen und Polemik wetzen und Verhältnismäßigkeit jeglichen Wert verliert.

Weigert habe sich „vergaloppiert“, meint der Kleinmachnower SPD-Politiker Jens Klocksin. Doch ein untadeliger Demokrat, denn als solchen sieht die CDU Weigert, muss Akzeptanz und Konsens wiederherstellen können – jedoch nicht durch Schweigen. Auch sollten sich alle, die sich Demokraten nennen, der Stärke von Demokratie bewusst sein: Nämlich miteinander zu reden statt sich Redeverbot zu erteilen.

Dass Kleinmachnow in dieser Woche für negative Schlagzeilen sorgt, ist auch dem Versäumnis der Gemeinde geschuldet, sich um eine angemessene Würdigung des 8. Mai Gedanken zu machen. Nahezu fiktiv wird von dem Vorhaben gesprochen, an diesem Tag eine Gedenkstätte für ehemalige KZ-Arbeiter einzuweihen. Konkret gehandelt hat kaum einer. Abprachen wurden vertagt, Zuständigkeiten auf andere verwiesen. Wo es nicht gelungen ist, acht Wochen vor dem 60. Jahrestag des 8. Mai 1945 diesem Datum einen würdigen Rahmen zu geben, ist Platz für falsche Bilder.