Potsdamer Neueste Nachrichten 09.03.05
Fundamentale Geschichte
Lange war der 8. Mai als Tag für die Einweihung des "Ortes der Erinnerung"
geplant – jetzt ist der Termin fraglich
Von Peter Könnicke
Kleinmachnow - „Es gab Perioden, in denen wir fünfmal in der Woche Graupensuppe,
oft mit Würmern, zu Mittag bekamen … Die Brotrationen wurden auf 200 Gramm
gekürzt, dazu gab es nur Marmelade.“
Bevor Barbara Michalskas Erinnerungen
an das Zwangsarbeiterlagers der Dreilinden Maschinenbau GmbH erstmals von der
Autorin Angela Martin in dem Buch „Ich sah den Namen Bosch“ aufgeschrieben
wurden, war dieses dunkle Kapitel der Kleinmachnower Geschichte 58 Jahre nahezu
unbekannt. „Lange schien der Prominentenvorort bei Berlin ohne Erinnerung zu
sein“, heißt es im vorletzten Satz des Buches, das mit der Aussicht endet, dass
Kleinmachnow in naher Zukunft den KZ-Häftlingen aus Polen und allen anderen
Zwangsarbeitern eine Gedenktafel widmen will.
Das Vorhaben ist inzwischen zwei Jahre alt. Nachdem vor drei Jahren die letzte
verbliebene Baracke des Arbeitslagers der NS-Rüstungsfabrik in Kleinmachnow
abgerissen war und man dem Appell folgte, eine Stätte des Erinnerns zu
schaffen, galt der 8. Mai 2005 als 60. Jahrestag der Befreiung als Termin der
Einweihung. Zuletzt war es Bürgermeister Wolfgang Blasig, der zu Jahresbeginn
einem Kleinmachnower in der Einwohnerfragestunde der Ortsparlamentssitzung
antwortete, die Gemeinde sei in den Vorbereitungen.
Inzwischen ist der Termin äußerst fraglich. Denn im Kulturausschuss wurde am
Montag deutlich, dass nicht nur die notwendigen Absprachen über die Inschrift
einer Gedenktafel zu spät stattfinden und Vorbereitungen einer feierlichen
Einweihung mit eingeladenen Zeitzeugen innerhalb von zwei Monaten kaum noch zu
leisten sind. „Das wäre nicht seriös“, mahnt Rudolf Mach vom Heimatverein, der
vor zwei Jahren ehemalige polnische KZ-Häftlinge nach Kleinmachnow einlud und
daher weiß, wie aufwendig die Organisation ist. Vor allem aber hat
Ausschussleiter und CDU-Gemeindevertreter Guido Beermann grundsätzliche
Bedenken zu dem bisherigen Verfahren – zu Kosten, Vergabe und Ausschreibungen.
In Auftrag gegeben wurde die Planung der Erinnerungsstätte von der Berliner
Gesellschaft für Stadterneuerung (GSW), die das Areal am Stahnsdorfer Damm
kaufte, um hier eine „Waldsiedlung“ mit 250 Wohneinheiten zu errichten. Der
„Ort des Erinnerns“ ist Teil einer Rahmenvereinbarung zwischen GSW und Kommune.
Doch unklar ist Beermann, wer die Kosten trägt. In einen Schreiben der für den
Verkauf des gesamten Baugeländes zuständigen Projekt- und
Entwicklungsgesellschaft (P+E) heißt es: Die Kosten werden von der GSW
übernommen und auf den Ablösebetrag für den gesamten Geländeverkauf
angerechnet. Was konkret das heißt, habe Beermann bislang vergeblich versucht,
in Erfahrung zu bringen. „Die Planungshoheit hat die Gemeinde, der Investor
bezahlt“, so die knappe Auskunft der P+E auf PNN-Anfrage. Dann wiederum wundert
sich Beermann, warum „nicht die notwendigen Verfahren eingehalten werden und
die Gemeindevertretung umfassend beteiligt wird“. Er sei nicht bereit,
„irgendetwas zu empfehlen, so lange keine Klarheit herrsche“.
„Penible Erbsenzählerei“ warf Viktoria Brammer dem Ausschussvorsitzenden
Beermann vor. „Wie es verrechnet wird, interessiert mich nicht“, so die PRO-Abgeordnete.
„Man sollte nicht formalisieren, wo es sinnlos ist“, appellierte
SPD-Fraktionschef Bernd Bültermann. Gemeindevertreterin Nina Hille hielt es für
berechtigt zu fragen, „wie das Verfahren gelaufen ist“. Doch dürfe dies den
weiteren Fortgang nicht behindern: Der Ausschuss sollte endlich empfehlen, wie
die Tafel beschriftet werden soll.
Die Empfehlung des Gremiums galt schließlich einem Textvorschlag des
Heimatvereins. Er soll auf einer Stahltafel zu lesen sein, die Teil der
Erinnerungsstätte ist. Die Fundamentplatten der ehemaligen Verwaltungs- und
Küchenbaracke des einstigen Lagers sind die beiden letzten verbliebene Relikte.
Die sichtbaren Konturen der Fundamente sollen durch etwa 20 Zentimeter hohe Corten-Stahlbänder
gestützt werden. Ein Rasenfeld wird die beiden Fundamente bedecken und deren
Grundrisse nachzeichnen. Die Informationsplatte besteht ebenfalls aus dem
rostig anmutenden Corten-Stahl. „In der Materialart spiegelt sich die
Produktionsgeschichte des Ortes wider“, meint Ole Saß vom Büro „Landschaft Planen
und Bauen“. Die Berliner Landschaftsarchitekten haben die Planungen inzwischen
abgeschlossen, die Denkmalpflegebehörden haben der Planung zur Sicherung der
Baureste des Zwangs- und Fremdarbeiterlagers bereits zugestimmt.
Der 8. Mai als Termin sei nicht zu halten, so der Ratschlag von
Heimatvereinschef Rudolf Mach, den „Ort der Erinnerung“ ohne Überlebende
einzuweihen. Machs Vorwurf: „Es hat keiner den Hut auf“, um einen angemessenen
Rahmen zu organisieren.