Potsdamer Neueste Nachrichten 07.03.05
Kein Vorbeikommen an den Bildern
Nach einigen "Verstrickungen" haben die bildenden Künstler das neue Rathaus
für sich gewonnen
Von Kirsten Graulich
Kleinmachnow – Nach einem Jahr Entwöhnung von den Kammerspielen setzen Kleinmachnows
bildende Künstler nun aufs neue Rathaus. Denn das hatte Bürgermeister Wolfgang
Blasig den Künstlern versprochen, und daran erinnert ihn nun auch eine
Zeichnung des Kleinmachnower Karikaturisten Harald Kretzschmar. Auch sie ist in
der Ausstellung zu sehen, die am Freitag im neuen Verwaltungssitz eröffnet
wurde.
Die Karikatur zeigt Blasigs
„Verstrickungen“ zum Thema auf, denn bevor die ortsansässigen Künstler das Haus
in Besitz nehmen konnten, hatten sie erst einmal einen Dämpfer erhalten. Lang
gehegt war die Hoffnung, unter dem neuen Rathausdach „Wurzeln zu schlagen und
die Türen offen zu halten“. Doch diesem Wunsch stand das bauliche Gehäuse
entgegen – an geeignete Wände für Bilder hatte die Gemeinde nicht gedacht.
Da also das herkömmliche Verfahren untauglich war, musste eine neue Lösung her,
zumal der Termin der Vernissage in bedrohliche Nähe gerückt war. In weiser
Voraussicht wurde deshalb unter der Ankündigung zur Festwoche vermerkt:
Programmänderungen vorbehalten! Freilich in winzigen Buchstaben. Doch die
Künstler waren fest entschlossen die Herausforderung anzunehmen und ließen
keine Zweifel daran, dass sie selbst mit dem Hammer die Nägel einschlagen
würden, notfalls hoch unter der Decke, damit ihre Bilder unter die Leute
kommen.
In der Folgezeit brach in der Verwaltung wackere Betriebsamkeit aus, um den
Bildern eine adäquate Heimstatt zu schaffen. Da wurden Metallschienen unter der
Decke installiert und Stellwände beschafft. Zwei Tage vor der Vernissage
starteten dann die Künstler durch, und weil sie auch Künstler im Improvisieren
sind, gelang die Inbesitznahme des Hauses. Als Antwort auf die Situation
platzierten sie die Stellwände quer im Foyer, um daran ihre Werke hängen zu
können. Die geraten so auch nicht in den Verdacht nur als Dekoration zum Bau zu
fungieren. Besucher kommen also nicht so einfach an den Bildern vorbei, sondern
ihnen unvermeidbar nah.
Absichtsvoll präsentiert deshalb auch der Grafiker Rainer Ehrt dem Betrachter
Porträts ehemaliger Bewohner des Ortes wie Maxie Wander, Walter Janka, Arnold
Schönberg, Adolf Grimme und Kurt Weill. Durchaus hintergründig wie die
Diskussionen am Abend der Ausstellung ergaben, denn bisher verhinderte wohl
eher Ratlosigkeit der Entscheidungsträger, dass der Bürgersaal den Namen des
Komponisten Kurt Weill erhielt. Die Künstler, so war zu vernehmen, setzen indes
auf Fortsetzung des Streitgespräches. Ehrt, der die Weiheworte zur Eröffnung
vor rund 200 Leuten sprach, erinnerte auch an die Kammerspiele und dass „die
Messen für dieses Haus noch lange nicht gesungen“ sind.
Das Kunstpotenzial des Ortes sucht also weitere Spielräume. Der Querschnitt,
der sich nunmehr bis Mitte Mai im Rathaus präsentieren wird, geriet
wohltemperiert. Katharina Schäfer von Baibus und Helga Schulze zeigen
vorzugsweise das Flair Kleinmachnower Idylle, begrenzt von vier Seiten des
Blattes. Der Bildhauer Michael M.Heyers fabuliert mit Lindenholz und Marmor
elementare Gleichnisse. Kraftvoll der Linienrhythmus einer märkischen
Landschaft, die Julia Ehrt auf Holz prägte, während die Wirkung bei Hermann
Lohrischs Holzplastik „Drei Gefangene“ aus dem Volumen des Materials erwächst.
Gerhard Geidels Wogen auf dem Bild „Brandung“ können durchaus auch symbolisch
zu aktuellen Vorgängen verstanden werden, ebenso verweist Benjamin Ortlebs
Mikrokosmos auf Gärprozesse. Hoch über Besucherköpfen parodieren Masken von
Petra Walter-Moll erstarrte Bedeutungshuberei. Ob die Menschenbäume Fridolin
Frenzels, schräg gegenüber, dem Trauma noch entkommen können, bleibt
abzuwarten. Vorerst jedenfalls zügelt die Saaldecke deren Aufstieg.