Potsdamer Neueste Nachrichten 26.02.05
Kleinmachnower "Jein"
Mit "Der Jasager" und "Der Neinsager" wird heute das Rathaus eingeweiht –
eine treffliche Wahl
Von Peter Könnicke
Kleinmachnow - Im Februar war Kleinmachnow Bezirk des Monats. Eigentlich sind
es Berliner Stadtteile, die auserwählt werden, bei der Varieté-Show am „Blauen
Montag“ im Tempodrom die Revue zu gestalten. Diesmal also Kleinmachnow. „Alle
Welt wandert in den Speckgürtel. Da war es an der Zeit für eine Eingemeindung“,
begründet „Blauer Montags“-Sprecher Moriz Hoffmann-Axthelm die Wahl.
Der Versuch der Vereinnahmung hatte
nicht ganz die gewünschte Wirkung. Zumindest der Feuilletonschreiber einer
hauptstädtischen Zeitung, der regelmäßig zu Gast beim „Blauen Montag“ ist, machte
sich auf den Weg vor die Tore der Stadt, um herauszufinden, wie es im Bezirk
des Monats aussieht. Begeistert war er nicht, vor allem der Rathausmarkt, den
er „quasi als Einkaufspassage“ empfindet, überzeugt ihn nicht. „Man mag sich
gar nicht vorstellen, wie es um Groß Machnow bestellt ist“, fragt er sich
angesichts des Bauvolumens im Zentrum Kleinmachnows.
Vielleicht weiß der Mann nicht, dass er Öl ins Feuer derjenigen gießt, die die
künstlich geschaffene Ortsmitte samt Rathaus für zu groß geraten halten. Noch
immer nicht kann sich der ortsansässige Architekt und CDU-Gemeindevertreter
Fred Weigert mit der „kosmopolitischen Architektur“ anfreunden. Für Anne von
Törne, Vereinschefin der „Bürger für gute Lebensqualität in Kleinmachnow,
„wirkt das dreistöckige Rathausgebäude mit seiner strengen Glas- und
Klinkerfassade überdimensioniert“. Sie hält den Namen „Kanzleramt", wie
der Volksmund das Haus nennt, für gerechtfertigt.
Heute nun soll das Rathaus feierlich eingeweiht werden. In einem Saal mit 199
Plätzen, den Politik und Kultur zum Herzen Kleinmachnower Lebens machen sollen,
wird mit Kurt Weills Oper „Der Jasager“ und Bertolt Brechts Schauspiel „Der
Neinsager“ eine ganze Festwoche eröffnet. Nicht wenige finden das Lehrstück
passend für den Ort. Welcher Name zu dem Saal passt, ist indes eine Frage ohne
Antwort.
Kurt Weill lautet ein Vorschlag aus der Kunst- und Kulturszene. Der jüdische
Komponist lebte vier Jahre in Kleinmachnow, bevor er 1933 vor den Nazis nach
Frankreich und später in die USA floh. „Mit der Benennung in „Kurt-Weill-Saal“
wird ein ehemaliger Einwohner Kleinmachnows und hervorragender Künstler
geehrt“, meint auch die PDS-Fraktion des Ortsparlamentes und warb im
Kulturausschuss um Zustimmung für diesen Vorschlag.
Hier fand am Mittwoch das Doppelstück vom Jasager und Neinsager seine jüngste
Auflage. Kurt Weill sei ein sehr guter Vorschlag, so der allgemeine Tenor, nur
der Zeitpunkt der Taufe sei nicht der richtige. „Nicht Kurt Weill ehrt den
Saal, sondern der Saal soll Kurt Weill ehren“, meinte etwa WIR-Gemeindevertreter
John Banhart. Daher wolle er erst sehen, ob der Saal auch dauerhaft die
Qualität hat, die zu diesem Namen verpflichtet. Ohnedies will der CDU-Politiker
Guido Beermann wie auch Frank Nägele von der SPD den Saal nicht nur als Zentrum
der Kultur verstanden wissen: „Es ist der Ort, in dem die Gemeindevertretung
arbeitet.“ Beermann plagt das ungute Gefühl, man würde etwas „übers Knie
brechen“, gebe man dem Saal jetzt den Namen Kurt Weill. Und trotz des Einwandes
von Gemeindevertreterin Nina Hille, dass „ein Kind einen Namen braucht“,
entschied sich der Ausschuss für Kultur, dem Saal eine Zeit zum Reifen zu
lassen.
Woher das ungute Gefühl, warum das Zögern? Liegt es daran, dass die
Vorbereitung des heutigen Festaktes und der folgenden Gala-Woche zuweilen wenig
kulturvoll zuging? Hinter den Kulissen wurde heftig gestritten, warum jener
Künstler nicht mitmachen dürfe, dieser nicht eingeladen sei, ein anderer gar
nicht Bescheid wüsste. Da gibt es Unmut über die Zweiteilung des Ortsparlamentes:
Die Größe des Saals zwang den Bürgermeister dazu, eine Hälfte der
Volksvertreter zur heutigen Premiere einzuladen, die anderen zur morgigen
Aufführung. In die zweite Reihe degradiert fühlen sich die einen, Neid beklagen
andere. Warum, so wundert man sich schließlich, lädt überhaupt der
Bürgermeister ein und nicht der Chef der Gemeindevertretung? Und selbst die
Frage, was denn an Kulturaktivitäten nach der Festwoche stattfinden soll, hat
zu Zerwürfnissen geführt, noch ehe die Saaltür geöffnet wurde.
Gemeindevertreter Christian Grützmann, der sich gern als Strippenzieher der
Kultur in Kleinmachnow sieht, zerriss in aller Öffentlichkeit im Ortsparlament
ein Papier mit Vorschlägen zur Nutzung des Saals, weil er sich nicht vom
Bürgermeister unterstützt sieht.
Eine Kultur des Neids, politisches Gerangel, Streit um Kompetenzen und ein
Platz in der Mitte des Ortes, über dessen Ausstrahlung man zweigeteilt ist: Und
hinter all dem soll ruhigen Gewissens der Name Kurt Weill stehen? Gar nicht zu
unzutreffend steht heute an dem Ort, wo sich all diese Kleinmachnower Facetten
vereinen, „Bürgersaal“.