Potsdamer Neueste Nachrichten 12.02.05
Gala mit Disharmonien
Mit einer kulturellen Festwoche wird Kleinmachnows Rathaus eingeweiht – auch
seine Problemzonen
Kleinmachnow – Es geht um Entscheidungen beim Brecht/Weill-Lehrstück „Der
Jasager“ und „Der Neinsager“, mit dem am 26. Februar der Bürgersaal des neuen
Kleinmachnower Rathauses eingeweiht wird und das Auftakt einer ganzen Festwoche
ist. Der Symbolcharakter des Stückes ist unübersehbar, denn auch am
Aufführungsort werden Entscheidungen getroffen. Allerdings sitzen am
Premierenabend die kommunalen Entscheidungsträger im Parkett, während die
Spielschar auf der Bühne darüber sinniert, dass in jeder Lage über Entschlüsse
neu nachgedacht werden muss.
Auf einer Pressekonferenz informierten gestern Künstler des eigens initierten
Kulturbeirates und Bürgermeister Wolfgang Blasig über die
Gemeinschaftsproduktion Festwoche, die dem Verwaltungsneubau zu einem starken
kulturellen Auftakt verhelfen soll. Mit „nicht so teuer wie man denkt“,
umschrieb Blasig die Kosten für den Festakt. 2500 Euro stehen zur Verfügung.
Doch möglich wird die Festwoche erst, weil die Künstler auf jegliches Honorar
verzichten. Trotz viel Engagements war im Pressegespräch auch Missklang
unüberhörbar, den Kulturbeirats-Chef Jürgen Vittig auch in Worte fasste. So
hätte es der Gemeinde gut zu Gesicht gestanden, mit der Eröffnung des Saales
einen prominenten ehemaligen Mitbürger zu ehren: Kurt Weill. Auch der Grafiker
Rainer Ehrt pflichtete dem bei, da die Taufe „Kurt-Weill-Saal“ das richtige
Signal gewesen wäre und damit auch an demokratische Traditionen in Deutschland
angeknüpft werden könne, die 1933 abbrachen. Zwar habe bisher keiner Nein
gesagt zum Vorschlag des Beirates, stattdessen verschanze man sich hinter
längeren Bedenkzeiten. „Vielleicht ist Kurt Weill zu groß für so einen kleinen
Saal", zeigte sich Blasig bedenklich. Beirat und Bürgermeister hoffen,
dass die Kommunalpolitiker statt eines Jain, sich demnächst zu einem Ja
durchringen werden, gemäß des Brechtschen Lehrsatzes: „Wichtig zu lernen ist
vor allem Einverständnis“.
Das Doppelstück wird vom Regie-Duo
Antonia Braun und Bernhard Hanuschik auf die Bühne gebracht, die musikalische
Leitung liegt in den Händen von Kantor Karsten Seibt. Rund 50 Mitwirkende
werden an dem Samstagabend und dem darauffolgendem Sonntag auf der Bühne
stehen, darunter Solisten, Kammerchor und Orchester der evangelischen Kantorei
Kleinmachnow. Dem personellen Aufwand geschuldet ist auch die eingeschränkte
Platzzahl von 150, gegenüber 199 Plätzen, die sonst die Saalkapazität hergibt.
Mit einer Künstler-Gala wird die Festwoche am 6. März ausklingen. Mitwirkende
sind Alt- und Neubürger, die ein musikalisch-literarisches Kaleidoskop unter
Regie von Frank Lüdecke gestalten. Unter anderem wird der Autor Martin Ahrends
lesen, die Jazzband „Elevator“ spielen und das Atelier Ali Thompson neueste
Modekreationen vorstellen. Auch die bildenden Künstler wollen mit einer
Ausstellung in der Festwoche dabei sein, die am 4. März eröffnet wird.
Weil leere Wände so langweilig sind, wie der Maler Fridolin Frenzel befand,
würden er und seine Kollegen auch gern für weitere Ausstellungen im Rathaus
sorgen. Angesichts der überwiegend gläsernen Durchblicke in Foyer und
Treppenhaus sind Hängeflächen jedoch kaum vorhanden. Ein schwieriges
Unterfangen, dass der Sicht des Architekten geschuldet sei, wie Bürgermeister
Blasig einräumte, der das Problem nun als Herausforderung an die Künstler
weitergab. Auch die Kulturverantwortliche Gabriele Frost gestand, dass ihr die
fehlenden Wandflächen schon manch schlaflose Nacht bereitet hätten. Einzige
Lösung, so Frost, sind variable Stellflächen. Wenn also am 2. März die Künstler
mit ihren Bildern kommen, wird vor allem Improvisation gefragt sein. Die
Festwoche sei deshalb auch als Test zu verstehen wie Künstler und Publikum das
Haus annehmen, meinte Blasig. Ein Kulturkonzept ist das nächste Ziel des
Beirates, der auch die Aktivitäten des Trägervereins einbeziehen will, der sich
für das Kulturhaus Kammerspiele engagieren möchte. Kirsten Graulich