Potsdamer Neueste Nachrichten 27.01.05
Ehrung mit bitterem Nachgeschmack
Schützen- und
Heimatvereine gedachten des 64. Todestages von Dietloff von Hake. Der soll
treues Mitglied der NSDAP gewesen sein
Von Peter Könnicke
Kleinmachnow - Wie nähert man sich Kleinmachnow? Mit dieser Frage beginnt das
Kleinmachnower Autorenpaar Jankowiak seine Betrachtungen der „Grünen Oase im
märkischen Sand“, die vor zwölf Jahren erschienen sind. „Wie weit reichen die
Wurzeln des Ortes zurück? Was ist wichtig?“
Dem hiesigen Schützenverein war zusammen mit dem Heimatverein vor wenigen Tagen
ein Datum so wichtig, dass sie es mit einer Ehrung begingen: Zum 64. Todestag
des Gutsbesitzers Dietloff von Hake legten sie an dessen Grab an der Dorfkirche
einen Kranz nieder. Vor allem die zweibändige Familienchronik, mit der Dietloff
von Hake zugleich eine umfangreiche Geschichtsdarstellung über das Rittergut
verfasst hat, sieht Heimatvereinschef Rudolf Mach als ein Verdienst des Adligen.
„Dietloff von Hake wäre heute sicherlich bei uns im Heimatverein Mitglied“,
mutmaßte Mach während der Ehrung.
Vielleicht passt der Adlige aber doch nicht so gut in die Reihen der
Kleinmachnower Heimatforscher, die sich in den vergangenen Jahren über die
Ortsgrenzen hinaus einen Namen gemacht haben, weil sie – mit Mach an der Spitze
– nachhaltig das dunkle Kleinmachnower Kapitel während des Nationalsozialismus
aufgearbeitet haben. Dass vor dem Abriss der letzten Baracke eines Fremd- und
Zwangsarbeiterlagers eine umfangreiche Dokumentation über die Anlage
angefertigt wurde, eine Gedenktafel am einstigen Werktor der Dreilinden
Maschinenbauanstalt an KZ- und Fremdarbeiter erinnert und im Mai eine
Gedenkstätte am Stahnsdorfer Damm eingeweiht wird, sind Verdienste des
Heimatvereins. Um so mehr sollte der Hinweis etlicher Kleinmachnower
nachdenklich machen, sich Dietloff von Hake und seiner imposanten
Hinterlassenschaft – der von ihm in Auftrag gegebenen Hakeburg – mit Augenmaß
zu nähern. Denn Dietloff von Hake war überzeugtes Mitglied der NSDAP.
Der renommierte Kunsthistoriker Hubert Faensen, der in „Hightech für Hitler“
die Hakeburg wie kein anderer seziert hat, gibt in diesem Buch einen Brief des
Schwiegersohns von Dietloff von Hake wieder, in dem er ihn als „überzeugten PG“
(Parteigenossen) beschreibt. Im „Institut für Adelsforschung, einer
Internetplattform zum Deutschen Adel, findet sich Dietloff von Hake als
stellvertretender Vorsitzender des 1934 gegründeten Adelsgerichtshofes. Dieser
hatte zur Aufgabe, den deutschen organisierten Adel von einer Standes- in eine
Rassegemeinschaft umzuformen. Von Hake, Rechts- und Staatswissenschaftler,
wirkte in der „Abteilung für Rasse- und Abstammungsfragen“, der ein
Sachverständiger für Rasseforschung des Reichsministeriums des Innern zur Seite
stand. Nach einem Jahr lösten die Behörden des Dritten Reichs den
Adelsgerichtshof auf, der als inoffizielle Einrichtung nicht länger geduldet
werden sollte. Wie genau von Hake im Adelsgerichtshof wirkte und welche
Aktivitäten er in der NSDAP entwickelte, ist bislang weitgehend unbekannt.
Um die Geschichte Kleinmachnows zu beleuchten, komme man an Dietloff von Hake
nicht vorbei, so der Historiker Faensen. Er sei für den Ort interessant und
wichtig, doch man müsse ihm den richtigen Stellenwert geben. Die „plötzliche
Ehrung“ des Adligen nennt der geschichtsbewusste CDU-Ortschef Maximilian
Tauscher „völlig unnötig“. Solange der Kenntnisstand „unterbelichtet“ sei, wäre
mehr Zurückhaltung nötig. Der SPD-Orts- und Landespolitiker Jens Klocksin
findet es „problematisch, wenn kurz vor dem 60. Jahrestag der Befreiung von
Auschwitz NSDAP-Mitglieder geehrt werden“. Klocksin, selbst Mitglied im
Heimatverein, hält die Hake-Ehrung für „undurchdacht“. „Nicht die gelungenste
Form“ der Geschichtsarbeit nennt es der Bündnisgrüne Axel Mueller, seit wenigen
Tagen Vorstandsmitglied im Heimatverein. Gleichwohl hält er die
Auseinandersetzung mit der Frage um Dietloff von Hake für wichtig, „wir können
Geschichte nur wahrnehmen, wenn wir darüber reden.“ Mit kritischem Rückblick
meint Mueller: „Wir hätten im Heimatverein die Quellen besser studieren
sollen.“
Vereinschef Mach sieht die Kranzniederlegung inzwischen vor einem
„empfindlichen Hintergrund“. Er bemühe derzeit zu Dietloff von Hake
verschiedene Archive. Dem Wirken der Hake-Linie in Kleinmachnow, die den Ort
über Jahrhunderte dominiert haben, und vor allem dem 100. Jahrestag der
Fertigstellung der Hakeburg 2008 könne man sich aber nicht entziehen.
In der Schützengilde kann Vereinschef Bruno Jahre die Aufregung nicht
verstehen. Der Verein trägt den Namen „Dietloff von Hake“, woran Jahre auch
nach den Hinweisen auf die NSDAP-Mitgliedschaft nichts überdenkenswert findet.
„Die Literatur, die mir vorliegt, gibt nichts Negatives über Dietloff von Hake her“,
meint Jahre, der zugleich betont, dass es in seiner Familie selbst Opfer der
Nazi-Herrschaft gegeben habe und er daher nicht leichtfertig mit dem Thema
umgehe. Dass sich mit Professor Hubert Faensen ein äußerst profilierter
Historiker mit der Geschichte der Hakeburg und des Adelsgeschlechts beschäftigt
hat und auf Dietloff von Hakes Mitgliedschaft in der Partei der
Nationalsozialisten hinweist, beeindruckt Jahre kaum: „Da gebe ich wenig
drauf.“ Ihn würden weniger Meinungen, sondern Fakten und Unterlagen
interessieren. Auch dass der Schützenverein mit dem 64. Todestag des Adligen
ein ungewöhnliches Datum zum Anlass nahm, eine Ehrung ihres Namenspatrons zu
initiieren, hält Jahre für nicht unbegründet: „Irgendwann muss man ja mal
anfangen.“ Und schließlich sei der im Vorjahr gegründete Schützenverein nicht
der einzige, der sich um die Würdigung der Hakes verdient mache, sagt Jahre und
verweist auf die Bemühungen eines Fördervereins, die Alte Hakeburg wieder
aufzubauen. Untauglich ist der Hinweis, dass die CDU im Ort sich vor Jahren
darum bemüht hat, die Thälmannstraße wieder in Hakenheide umzubenennen. Denn
der Name hat wenig mit der Gutsherrenfamilie zu tun. Namensgeber ist
schlichtweg ein Haken im Straßenverlauf.