Potsdamer Neueste Nachrichten 24.12.04
„Der Wahlkampf muss mal aufhören“
Kleinmachnows Bürgermeister Wolfgang Blasig über Politikstile und
Missverständnisse ums Freibad
Sie haben ja Ihr Weihnachtsgeschenk bereits bekommen?
Das war ja schon ein sehr frühes Weihnachtsgeschenk. Für mich wurde es
sehr angenehm, als wir den Rathausmarkt Kleinmachnow übergeben durften. Es war
sehr spannend zu erfahren, ob die Leute Recht haben, die meinen, der Markt wird
nicht angenommen, sei für den Ort überflüssig und überdimensioniert. Oder
sollten die Recht behalten, zu denen ich auch gehörte und die sagten: Doch, der
Ort braucht eine Mitte. Damit begann für mich schon die Bescherung.
Sie haben nun selbst vor einigen
Tagen Ihren neuen Dienstsitz bezogen und müssen reichlich Treppen steigen, um
in Ihr Amtszimmer zu gelangen. Halten Sie das Rathaus für zu groß geraten?
In dem Augenblick, in dem das Haus genutzt wird und man die
Möglichkeiten kennen lernt, die das Haus hat, wird man nicht mehr sagen, es ist
zu groß. Für die Verwaltung entspricht es einem guten Standard. Die Frage ist,
ob man in der heutigen Zeit noch Bibliotheken bauen muss. Da sage ich eiskalt:
Man sollte es gerade heute tun und nicht zu klein. Und jeder, der den
Bürgersaal sieht, sagt: Schade, ein bisschen größer hätte er sein können. Wenn
etwas gut angenommen ist, ist es meistens zu klein.
Vor ein paar Tagen war noch einmal Bescherung: Die Wohlfühl-Umfrage der
PNN hat Kleinmachnow eine 2,5 als Durchschnittsnote beschert. Wie wohl fühlen
Sie sich mit dem Ergebnis?
Für mich gab es bei den Ergebnissen einige Überraschungen.
Insbesondere, und das mag vielleicht eigentümlich klingen, haben mich die guten
Bewertungen überrascht und zum Nachdenken gebracht. Dass Defizite beim
Nahverkehr gesehen werden, Anspruch und Wirklichkeit beim Zustand unserer
Straßen auseinander gehen, habe ich erwartet. Aber vor allem die guten Noten
für das Kita- und Schulangebot haben mich überrascht. Sehr gefreut hat mich das
Gefühl, in Kleinmachnow sehr gut einkaufen zu können, denn wir hatten ja vor
Jahr und Tag einen großen Abfluss unserer Kaufkraft aus dem Ort heraus.
Wie kommentieren Sie die 2,6 für Ihre Verwaltung?
Ich bin Realist genug zu sagen, ich habe die Bewertung schlechter
befürchtet und besser erhofft. Aber sie ist höchst wahrscheinlich gerecht. Dass
eine Verwaltung auch Recht und Ordnung durchsetzen muss und dabei manch einem
ordentlich auf den Fuß tritt, ist klar. Mit abstrakten Forderungen nach mehr
Transparenz kann man allerdings relativ wenig anfangen. Viel anfangen kann ich
mit der Möglichkeit zu überprüfen, ob man bei seinen nicht immer angenehmen
Entscheidungen nachvollziehbar ist. Es darf nicht der Eindruck der
Willkürlichkeit entstehen. Da sehe ich Ansätze für Verbesserung und mit dem
neuen Rathaus auch eine Chance, da hier alle Ämter beieinander sind. Die
Bewertung demoralisiert nicht, sie ist Ansporn.
Auch wenn es abstrakt klingt: die Forderung nach mehr Transparenz ist
wiederholt an den verschiedensten Stellen im Ort zu hören. Als der Bau eines
Funkmastes im Bannwald oder das Vorsprechen eines Investors für das Freibad
Bürger-Unmut erregten, war die Forderung eindeutig: Bürgermeister, sprich mehr
und eher mit uns! Sehen Sie da Verbesserungsbedarf?
Den wird es immer geben. Genau wie es Gruppen gibt, die meinen –
mitunter zu Recht –, dass man zu spät oder gar nicht mit ihnen gesprochen hat.
Man muss aber auch fair sein und eine Verwaltung und deren Chef dort einordnen,
wo sie hingehören. Eine Entscheidung für einen Funkmast wird nicht in
Kleinmachnow vorbereitet und getroffen. Wir sind Teilnehmer an einem großen
Prozess. Doch wenn es Ängste gibt, auch viele begründete, muss man das ernst
nehmen. In solchen Zeiten muss mehr miteinander gesprochen werden, auch über
das normale Maß hinaus. Das habe ich erkannt. Andererseits ist die Geschichte
mit dem Freibad sehr subtil zu betrachten. Es ist ja nicht so, dass dort der
Förderverein an einer Stelle überfahren wurde, wo er Entscheidungsbefugnisse
hätte. Interessant ist, dass der Verein genau den Ansatz verfolgt, den auch ich
habe, nämlich dieses Schwimmbad für die Menschen der Region zu erhalten.
Deshalb mache ich mir keine Sorgen, es ist nur eine Frage der Kommunikation.
Der Förderverein fühlte sich düpiert und seine Bemühungen um das Bad
unterlaufen, weil es in kleinster Runde ein Gespräch über den Verkauf des Bades
an einen Hamburger Unternehmer gab. Ist der noch im Gespräch?
Ja sicher. Ist dem Augenblick, in dem der sieht, dass seine
Vorstellungen von einem Betriebsmodell überhaupt eine Chance hätte, ist er
höchst interessiert, mit dem Förderverein in Kontakt zu kommen und sich beraten
zu lassen. Denn seine Idee war ja nichts anderes, als ein Bad ohne gemeindliche
Zuschüsse zu betreiben, wenn er die Möglichkeit hat, Synergien zwischen dem
Freibad und dem Sportforum auszunutzen. Das eine Gemeinde bei den
Eintrittspreisen das Mitspracherecht haben sollte, versteht sich bei dem Modell
von selbst. Mehr war es nicht. Und weniger auch nicht. Beim Förderverein und
anderen ist das so angekommen, als würde ich unter der Hand ein Schwimmbad
verkaufen. Das Bad ist nicht verkäuflich. Etwas, das 2,5 Millionen Euro
Sanierungskosten frisst und eine jährlichen Zuschuss von 200000 Euro braucht,
ist nicht zu verkaufen. Nun habe ich ja den klaren Auftrag der
Gemeindevertretung, bis März Modelle zu entwickeln. Das mache ich auch sehr
gerne. Und ich werde dabei unsere Nachbarn befragen, ob sie in einer
gemeinsamen Gesellschaft zum Betrieb dieses Bades teilnehmen wollen. Diese
Gretchenfrage muss nun definitiv gestellt werden.
In der Familie der Gemeindepolitik sind im vergangenen Jahr viele neue
Gesichter aufgetaucht. Inwiefern war für Sie als Bürgermeister 2004 ein
Lehrjahr?
Es ist nicht die erste Gemeindevertretung, der ich beigeordnet bin.
Jede hatte ihre eigenen Vorstellungen und Lernphasen. Wir hatten diesmal eine
schwierige Lernphase miteinander, denn zum einen ist die Zahl der
Gemeindevertreter gestiegen. Zum anderen empfindet sich diese
Gemeindevertretung als sehr kritisch, so dass außergewöhnlich viel hinterfragt
wird. Das macht es für eine kleine Gemeindeverwaltung nicht einfach.
Ich finde es legitim, wenn man im Wahlkampf mit provokanten Äußerungen und
nicht ausgewogenen Parolen arbeitet. Wenn man aber nach einem Jahr schlichtweg
nicht bereit ist, von diesen Aussagen abzurücken und obwohl man mittlerweile
andere Erkenntnisse gewonnen hat und wieder in Wahlkampfrhetorik zurückfällt,
verblüfft mich das. Ich habe zu lernen gehabt, dass große Politik auch in einem
kleinen Ort vorkommen kann.
Eines der ehrgeizigsten Ziele für dieses Jahr war, eine Lösung für den
Seeberg zu finden. Warum ist das nicht gelungen?
Einige sind da möglicherweise sehr blauäugig herangegangen, die sagten:
Man muss nur ordentlich politischen Druck aufbauen, denn wird die Telekom als
Grundstückeigentümerin schon klein beigeben und mit einem Super-Preis
rüberkommen. Ich wusste, dass es nicht so einfach wird, dafür verhandle ich
schon zu lange. Meine Aufgabe ist es, eine Lösung zu finden, die den Eigentümer
mitnimmt und die gewünschte Nutzung eines Campus dauerhaft sichert. Das ist schwer
genug, denn ich habe nicht alle Möglichkeiten der Welt. Die amerikanische
Methode wäre sehr einfach: Was wollt ihr, was wollen wir, was kostet es? Das
kann die öffentliche Hand nicht. Wenn wir etwas kaufen, dann nur zu dem Preis,
den der Seeberg im Moment wert ist. Ob das mal Baulandflächen werden, steht in
den Sternen. Sich jetzt vor diesem Hintergrund finanziell zu einigen ist
schwer. Das hat auch etwas mit Vertrauen zu tun. Und dass das Vertrauen der
Telekom etwas erschüttert ist, kann man sich vorstellen. Denn sie selbst hat in
vielen Sitzungen um Baurecht gerungen, ohne Erfolg. Insofern haben wir einen
Durchbruch, wenn wir jetzt überhaupt wieder verhandeln. Interessant wird es im
Frühjahr.
Mit welchen guten Vorsätzen gehen Sie ins neue Jahr?
Persönlich hat man immer ein paar Vorsätze. Ich hoffe für Kleinmachnow,
dass wir die guten die Ansätze ausbauen werden. Ich will auch im neuen Jahr
verstärkt mit allen ins Gespräch kommen und Ansprechpartner sein. Ich habe
natürlich eine starke Vorstellung von den Dingen, will mich aber keinem Dialog
verweigern. Ich will vor allem den Leuten, die mich nicht immer gerecht
behandeln, trotzdem als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Es ist mein
Vorsatz, dass ich es auch durchhalte. Ich will mehr in der Öffentlichkeit
präsent sein, wirken und vermitteln. Ich kenne Kleinmachnow und weiß, dass hier
Präsenz und das Gespräch sehr geschätzt werden – mehr als anderswo. Dem will
ich gerecht werden.
Das Gespräch führte Peter Könnicke