Potsdamer Neueste Nachrichten 16.12.04
Allgemeine Zerreißprobe
Für Kleinmachnows Grüne wird die Ansiedlung eines Hornbach-Baumarktes zum
Spagat / Für die Gemeinde geht es um Millionen
Von Peter Könnicke
Kleinmachnow - Den Bündnisgrünen in Kleinmachnow steht eine weitere Zerreißprobe
bevor. Wenn heute die Gemeindevertreter darüber abstimmen, ob beim Land die
Erlaubnis für den Bau eines Hornbach-Marktes beantragt werden soll, wollen die
grünen Fraktionäre Nina Hille und Christian Grützmann dafür votieren. „Das wäre
dann die nächste Stufe der Eskalation“, sagt die aus Kleinmachnow kommende
Landeschefin der Bündnisgrünen, Katrin Schröder.
Denn mit ihrer Ja-Stimme würde sich die
Fraktion auch in der finalen Abstimmung gegen die mehrheitliche Position des
Ortsverbandes stellen, der die Ansiedlung eines Bau- und Gartenmarktcenter am
Stahnsdorfer Damm ablehnt. Dass Fraktion und Teile der Basis unterschiedliche
Ansichten und Auffassungen haben, hat in den vergangenen Monaten zu einem
schmerzlichen Riss durch Kleinmachnows grünes Bündnis geführt. Dienstagabend
hat der Ortsverband seine Hornbach-Ablehnung – in Abwesenheit von Hille und
Grützmann – bekräftigt. Zwar blieb für die Runde ungeklärt, welche finanziellen
Auswirkungen ein Verzicht auf den Baumarkt tatsächlich haben würde – man hätte
sich gern von den beiden Abgeordneten erklären lassen, weshalb mit einer Absage
an Hornbach ein millionengroßes Loch in der Gemeindekasse entstehen würde. Doch
grundsätzlich blieben die elf Grünen, die an diesem Abend die Basis bildeten,
bei ihrem Urteil, „die verfehlte Finanzpolitik von Bürgermeister Blasig“ nicht
zu legimitieren. Für „unseriös“ halten sie das Hornbach-Geschäft deshalb, weil
der ausgehandelte Kaufpreis von 10,2 Millionen Euro bereits in andere Projekte
geflossen ist. Mit dem Kaufpreis bekäme die Gemeinde etwa 6 Millionen Euro
zurück, die sie in die Erschließung der 5,3Hektar großen Hornbach-Fläche
gesteckt hat. Als reiner Gewinn blieben etwa 4,2 Millionen Euro – Geld, das
schon gebucht ist. Käme der Baumarkt nicht, würde etwa für das neue Rathaus
eine Deckungslücke von 3,65 Millionen Euro entstehen. Vor allem hier sehen die
Grünen rot: „Wir haben das Rathaus in der Größe immer abgelehnt und wollen es
durch Zwänge im Nachhinein nicht auch noch absegnen“, deklariert
Grünen-Ortssprecherin Barbara Sahlmann. Gerade weil die Grünen mit einem
Bürgerhaus mehr Transparenz für die Gemeindefinanzen verlangen, „haben wir
überhaupt keine Veranlassung, die jetztige Situation zu heilen“, befand Michael
Martens. Diese „Kamikaze-Politik“ sei alles andere als nachhaltig und
verantwortungsbewusst.
Mit einem einstimmigen Beschluss forderten die elf Basisgrünen ihre Fraktion
auf, heute gegen eine Hornbach-Ansiedlung und somit für eine „glaubwürdige und
zukunftsfähige Politik“ zu stimmen – so, wie man es sich auch ins Wahlprogramm
geschrieben hat. Einzig Axel Mueller, selbst langjähriger Gemeindevertreter und
heute Chef der bündnisgrünen Kreistagsfraktion, „missbilligte“ die
Einflussnahme auf die beiden Abgeordneten. „Sie allein entscheiden nach ihrem
Gewissen“, unabhängig davon, dass sie vor einem Jahr vom Ortsverband für die
Kommunalwahl nominiert worden sind.
Auch Hille und Grützmann bedienen das Argument der Glaubwürdigkeit: In den
Fachausschüssen hätten sie für eine Ansiedlung des Baumarktes gestimmt, weil
ihnen das Risiko, die Kommune könnte in eine finanzielle Schieflage geraten,
bewusst geworden sei. Sich heute abend anders zu verhalten wäre unglaubwürdig,
so Grützmann.
Riskant ist das Geschäft mit Hornbach zweifelsfrei. Selbst für die gemeindeeigene
Planungs- und Entwicklungsgesellschaft (P+E), die bei der Vermarktung des
Entwicklungsgebietes am Stahnsdorfer Damm Regie führt, hat das
Genehmigungsrisiko „deutlich an Brisanz gewonnen“. Denn ein Gerichtsurteil aus
dem Vorjahr verbietet außerhalb von Zentren die Ansiedlung großflächigen
Einzelhandels. Deshalb will die Gemeinde beim Land beantragen, dass für
Kleinmachnow eine Ausnahme gemacht wird. Wie die Antwort ausfällt, ist völlig
offen. Die Spannbreite reiche von totaler Ablehnung über eine Genemigung unter
Auflagen bis zur kompletten Befürwortung, so Egbert Neumann, Sprecher im
zuständigen Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung. Das so genannte
Zielabweichungsverfahren sei eine ganz normale Möglichkeit der Landesplanung,
auf veränderte Gegebenheiten zu reagieren. Ein Abschluss muss im Benehmen mit
der Gemeinde und den zuständigen Fachbehörden erreicht werden.
Für den Fall einer Absage aus Potsdam hat Kleinmachnows PDS-Gemeindevertreter
und Finanzausschuss-Chef Klaus-Jürgen Warnick keine Antwort parat. Ohnehin kann
er sich dieses Szenario nicht vorstellen: „Wer für 145 Millionen Euro auf der
grünen Wiese den Lausitzring bauen kann, wird doch wohl einem Baumarkt
zustimmen, für den das Land nichts weiter leisten muss als eine Unterschrift
unter einer Erlaubnis.“ Dem bündnisgrünen Gemeindevertreter Norbert Schröder,
dem Hille und Grützmann vor Monaten die gemeinsame Fraktionsarbeit aufgekündigt
haben, ist das zu blauäugig: „Man hat sich überhaupt keine Gedanken um
Alternativen und Handlungsspielräume für den Fall gemacht, dass Hornbach nicht
kommt.“