Potsdamer Neueste Nachrichten 08.12.04
„Ich kann mir erlauben zu sagen, was ich denke“
Der WIR-Abgeordnete John Banhart gilt als Enfant terrible der Kleinmachnower
Gemeindevertretung. Er kann damit gut leben.
Warum sind Sie ein unmöglicher Mensch?
Bin ich einer?
Nun, Sie haben sich jüngst beim
Bürgermeister beklagt, dass Informationen bewusst zurückgehalten werden und
Ihre Arbeit als Gemeindevertreter manipuliert werde. Darauf nannte er Sie einen
„unmöglichen Menschen“.
Stimmt, sonst wirft er mir immer vor, unanständig zu sein. Jetzt war es
der unmögliche Mensch. Es kam wohl zum ersten Mal vor, dass ihm jemand in
dieser Form gesagt hat, was offensichtlich war, denn Parlamentskollegen haben
ja verklausuliert bestätigt, dass sie die fehlenden Unterlagen auch als Bestandteil
der Sitzung gesehen hätten.
Fühlen Sie sich allein im Regen gelassen, wenn Sie der einzige sind, der
die Dinge so benennt, wie er sie empfindet?
Ich habe es ja leichter als die anderen. Ich bin nicht Mitglied einer
großen Partei und kann mir erlauben, alles so zu sagen, wie ich es denke. Ich
glaube sogar, dass die anderen ganz froh darüber sind, dass jemand die Dinge
offen ausspricht. Es ärgert mich nicht. Jeder hat seinen persönlichen Stil.
Hat Ihnen noch niemand einen Kurs in Diplomatie empfohlen?
Man hat mir schon mehr Zurückhaltung nahe gelegt.
Und?
Offene Worte tun unserem Parlament gut.
Weshalb dieses forsche Auftreten? Sind es eher persönliche
Befindlichkeiten oder fühlen Sie sich vom Auftrag Ihrer Wähler getrieben, für
mehr Transparenz und kritische Auseinandersetzungzu sorgen?
Den Wählerauftrag bekomme ich nicht täglich mit. Es ist nicht so, dass
meine Wähler mich permanent anrufen und mir sagen, was sie von meiner Arbeit
halten. Doch es gibt positives Feedback, natürlich nicht von allen 500 Leuten,
die uns gewählt haben. Ich glaube jedoch schon, dass ich das tue, was die
Wähler von mir erwarten, denn es ist exakt das, was wir versprochen hatten.
Es gibt aber nicht nur freundliche Reaktionen. Auf der Homepage von WIR
wird Ihnen „versprochen“ dass Ihnen die Angriffe auf den Bürgermeister und
andere Gemeindevertreter „heftig heimgezahlt werden“.
Das gehört dazu. Ich kann nicht nur austeilen, ich kann auch
einstecken. Und wenn jemand meine Politik nicht gut findet, soll er mir
erklären, warum. Manchmal kann man aber nicht diskutieren, weil das auf der
Ebene passiert: „Ihr Wessis kommt hierher und wollt alles besser wissen.“ Was
will man da noch machen?
Gibt es einen Ost-West Konflikt in Kleinmachnow?
Es sieht oberflächlich betrachtet wie ein Ost-West-Konflikt aus. Das
ist es aber nicht. Es ist vielleicht eher ein Generationskonflikt. Zwischen
denen, die mit ihren Familien hierherkommen, Forderungen stellen und
mitbestimmen wollen und denen, die bislang hier im Ort den Ton angegeben haben
und ganz andere Bedürfnisse und Vorstellungen haben.
Inzwischen gehen Sie mit dem Image, hin und wieder drastisch
draufzuhauen, recht kokett um. Vor einigen Tagen kündigten Sie an, sehr
ungehalten zu reagieren, wenn die geplante Eigenherd-Turnhalle wesentlich
teurer wird als vereinbart. „Sie wissen, was das heißt“, signalisierten Sie in
der Gemeindevertretersitzung.
Wir sind ja bereits im Wahlkampf deutlich und bestimmt aufgetreten. Es
gehört sich so, dass wir das jetzt weiterführen. Es passiert immer wieder, dass
der Bürgermeister oder seine Verwaltung versuchen, uns auszutricksen. Ich fühle
mich ausgetrickst, wenn ich unvollständige Unterlagen bekomme oder der
Bürgermeister behauptet, er müsse meine Anfragen nicht beantworten, weil ein WIR-Logo
draufsteht. Ich fühle mich hintergangen, wenn unvollständige oder minimale
Auskünfte kommen. Wenn überhaupt kein Entgegenkommen da ist, fühlt man sich
angegriffen und wird ungehalten. Ich kann mir auch eine andere Zusammenarbeit
vorstellen.
Würde es Kleinmachnow schaden, wenn Sie diese reibungsvolle
Auseinandersetzung einstellen?
Auf jeden Fall. Ein Blick auf die aktuellen Themen genügt. Nehmen Sie
die Verkehrsberuhigung: Es war ein langer Kampf, bis wir einen Maßnahmeplan
hatten. Jetzt ist er größten Teils auf der Strecke geblieben, denn die
wichtigen Elemente sind nicht genehmigt worden. Wir haben uns den Antrag
angesehen, wie ihn Kleinmachnows Verwaltung an das Verkehrsamt gestellt hat.
Uns war sofort klar, dass er abgelehnt wird, weil er der Straßenverkehrsordnung
widerspricht. Das provoziert Verstimmungen. Oder die dritte Grundschule: Der
Bürgermeister bringt das Projekt einfach nicht richtig auf den Weg. Die Eltern
haben ein Recht zu erfahren, auf welche Schule ihre Kinder kommen, was für ein
Profil sie hat, wann die Ganztagsschule kommt, welche Lehrer da sind, wie das
Gebäude aussieht. Doch das steht 10 Monate nach dem Errichtungsbeschluss alles
noch nicht fest. Das schadet dem Ort.
Nach einem Jahr Parlamentstätigkeit haben sich Sichtweisen geändert. Etwa
bei der Grünen-Fraktion, in der man der Ansiedlung eines Baumarktes inzwischen
aufgeschlossener gegenübersteht als vor zwölf Monaten und dies mit der
Gesamtverantwortung für das Wohl der Kommune begründet. WIR ist zu dieser
Erkenntnis offenbar nicht gekommen.
Uns war schon vorher bekannt, dass der Hornbach-Markt nur dazu dient,
schnell viel Geld für die Gemeinde einzunehmen. Uns war klar, dass wir das Geld
brauchen, um die Verbindlichkeiten aus dem überdimensionierten Rathaus zu
begleichen. Und wir lehnen das nach wie vor ab. Geändert hat sich vielleicht
unsere Argumentation. Ursprünglich haben wir gegen einen Baumarkt
verkehrspolitisch argumentiert, doch ich glaube, das ist gar nicht der Kern.
Ich würde es mehr strukturpolitisch sehen. Ich möchte dort am Stahnsdorfer Damm
ein Gewerbegebiet haben mit kleinen und mittelständischen Unternehmen, die uns
gute Jobs bringen. Bei einer Hornbach-Ansiedlung würden kaum neue Arbeitsplätze
entstehen, denn die ziehen von Ludwigsfelde hierher und werden ihre Leute
mitbringen. Der Region bringt es gar nichts, da wir schon vier Baumärkte haben.
Glaubt man anderen Stimmen, wird der zum Totengräber der
Kommunalfinanzen, der gegen die Hornbach-Ansiedlung ist.
Es wäre natürlich schon eine ernsthafte Last. Letztlich wären es 10
Millionen Euro, die Hornbach angeblich bereit ist zu zahlen, von denen 4
Millionen direkt in die Gemeindekasse fließen. Das ist schon eine Menge. Doch
eine Ablehnung würde nicht das Ende bedeuten. Wir könnten die Durststrecke
überstehen und bei einer besseren Wirtschaftslage andere Gewerbe ansiedeln.
Ist es nicht mehr eine Frage des Prinzips, dass Sie als Gemeindevertreter
vor Tatsachen und somit unter Entscheidungsdruck stehen und meinen: „Nein, das
mach' ich nicht mit."
Ein wenig schon, denn es war und ist gängiges Schema hier in der
Gemeindepolitik, dass man unter Zeitdruck zu Entscheidungen genötigt wird. Doch
ich wäre bei diesen Summen durchaus bereit, über meinen Schatten zu springen,
wenn ich der Meinung wäre: Das muss jetzt sein. Aber ich bin eben nicht dieser
Meinung.
Sie sagten vor etwa einem Jahr, Sie seien nicht in die Kommunalpolitik
gegangen, um sich nur Freunde zu machen. Dass Sie Gegner haben, wird allein an
Ihrem Verhältnis zum Bürgermeister deutlich. Spüren Sie auch Sympathien?
Ja, die gibt es. Unter den Abgeordneten, die nach einer langen Sitzung
noch ein Bier trinken. Das sind Leute, die eine ähnliche Motivation für die
Kommunalpolitik haben.
Spricht man an der Bar anders als im Gemeindesaal?
Ja, das ist anders. Was im öffentlichen Saal besprochen wird, ist stark
von Taktik und dem Zwang des Prozederes geprägt. Es gibt ja leider außerhalb
der Anträge und Anfragen gar keine Möglichkeiten zu diskutieren. Beim Bier
können sie die Argumente natürlich austauschen.
Also stimmt es, dass Politik mehr am Stammtisch als in den Parlamenten
gemacht wird?
In Parlamenten wird wenig diskutiert. Da musste ich mich am meisten
umstellen. Ich habe gelernt, dass es überhaupt keinen Sinn macht, einen guten
Vorschlag zu machen. Man muss Anträge stellen. Die gehen dann durch die
Ausschüsse bis in die Gemeindevertretersitzung, wo sie dann bestätigt oder
abgewürgt oder zurück in die Ausschüsse verwiesen werden - ein ineffizienter
Kreislauf, bei dem wenig rauskommt.
Aber das ist nicht nur in Kleinmachnow so.
Das ist überall so. Ich glaube, ich verstehe jetzt, warum in der
Politik zu wenig herauskommt. Politik ist eine extrem ineffiziente Art der
Meinungsführung und -findung.
Was bedeutet das für WIR?
Wir müssen weiter versuchen, die außerparlamentarische Arbeit zu
pflegen, Leute zu informieren und aktiv den Kontakt mit den Bürgern zu suchen.
Irgendetwas müssen wir anders machen als die Parteien, sonst können wir nichts
bewegen. Das ist ein schwieriger Weg.
Bekommt WIR dabei Zulauf an neuen Mitgliedern?
Ja, aber leider kaum Alt-Kleimachnower. Das liegt daran, dass wir um
Umfeld der Eigenherd-Schule entstanden sind. Da haben wir uns als ziemlich
homogene Gruppe zusammen gefunden. Wir haben schon kaum Mitglieder, deren
Kinder in der Steinweg-Schule sind. 20-Jährige finden unseren Verein
wahrscheinlich stinklangweilig. Und ältere Menschen müssen wir erst noch für
uns gewinnen.
Heißt das, es wird WIR nicht mehr geben, wenn Ihre Kinder die Grundschule
verlassen?
Vielleicht. Aber vielleicht ändert sich auch unsere Zusammensetzung.
Wir sind dafür offen. Möglicherweise spornen wir andere Bürger an, nach uns die
Bewegung weiterzuführen. Ich habe in München 1981 eine Studentengruppe
gegründet, die heute noch unter dem selben Namen existiert. Dort bin ich schon
längst vergessen, aber die Idee lebt weiter. Möglicherweise passiert das auch
mit WIR. Es ist wichtig, dass Bürger ihre Sache selbst in die Hand nehmen und
nicht alles den Parteien überlassen. Vielleicht kriegen wir bei der nächsten
Wahl einen Bürgermeister, der mit den Leuten spricht, der Kompromisse sucht und
von sich aus eine Vision für den Ort entwickelt. Dann wird vieles einfacher
werden, aber unabhängige Bürger im Gemeindeparlament werden immer gebraucht werden.
Das Gespräch führte Peter Könnicke