Die Grünen sind zerstritten. Die einen fühlen sich
okkupiert, die anderen ausgegrenzt.
Von Peter Könnicke
Kleinmachnow - Cornelia Behm musste sich gestern scharfe Attacken gefallen
lassen. In der Haushaltsdebatte des Bundestages fuhr Unions-Fraktionsvize
Friedrich Merz schweres Geschütz gegen Rot-grün auf. Doch schmerzlicher wird
die bündnisgrüne Bundespolitikerin das Scharmützel treffen, das sich seit
Monaten die Mitglieder ihres Ortsverbandes liefern. „Okkupation“, wirft
Ortsverbandschef Axel Göritz Berliner Grünen vor, die an der Basis im neuen
Zuhause ein anderes Politikverständnis fordern. „Verrat grüner Programmatik“
wird im Ortsverband gegen die eigenen Gemeindevertreter gegiftet. Und Behm
klagt: „Das ist ein ganz schrecklicher Zustand.“
Seit im vergangenen Jahr die Kandidaten
für die Kommunalwahl nominiert wurden, rumort es an der grünen Basis. Die
Unstimmigkeiten offenbarten sich zunächst unter den drei Mitgliedern der
Ortsparlamentsfraktion: Wortbeiträge konkurrierten miteinander, Argumente
widersprachen sich, Positionen waren gegensätzlich. Ende April kam es zum
Bruch: Fraktionschefin Nina Hille und Christian Grützmann kündigten ihrem
Mitstreiter Norbert Schröder die Zusammenarbeit auf und drängten ihn zum
Austritt aus der Fraktion. „Übertrieben und unangemessen“, empfand dieser den
Ausschluss. Seine Warnung, dass der Riss der Fraktion den gesamten Ortsverband
schwächen werde, ist heute Realität. Inzwischen ist die Basis heillos
zerstritten. „Es gibt zwei Lager“, schluchzt Sprecherin Barbara Sahlmann. Auf
der einen Seite stehen Schröder und dessen Anhänger. Sie werfen Hille und Co.
vor, grüne Forderungen nach mehr Transparenz und alternativer Politik
leichtfertig aufzugeben. Hille wiederum spricht von einer „völlig frei
agierenden Gruppe“, die auf fundamentale Positionen setze.
Lange mühte man sich, das Zerwürfnis zu verbergen, während hinter den Kulissen
heftig gestritten wurde. Jetzt entlädt sich die Spannung an dem strittigen
Vorhaben, am Stahnsdorfer Damm einen Baumarkt zu errichten. Während die grünen
Gemeindevertreter Hille und Grützmann sich unter bestimmten Umständen eine
Ansiedlung vorstellen können, pochen etliche Grüne an der Basis auf das
Wahlprogramm: „Nein zur Hornbach-Ansiedlung“, steht dort geschrieben. Auf einer
Mitgliederversammlung in der Vorwoche sei die ablehnende Position ohne
Widerspruch erneuert worden, betont Parlaments-Single Schröder und fordert
seine beiden Ex-Fraktionskollegen auf, sich wieder für die „grüne Programmatik“
im Ort einzusetzen.
Allein dieses Treffen vor Wochenfrist illustriert den Zustand der
Kleinmachnower Grünen. Sprecher Göritz spricht der Runde und dem gefassten
Beschluss jegliche Legitimation ab, weil die Sitzung offiziell abgesagt worden
wäre und „Leute abgestimmt hätten, die gar nicht Mitglied im Ortsverband sind.“
Sahlmann wiederum, zweite Sprecherin der Doppelspitze, habe selbst zu der
Sitzung eingeladen. Allerdings war man sich dort nicht sicher, ob man
tatsächlich Beschlüsse fassen darf. Also wurde abgestimmt, ob man abstimmen
soll. Hille und Grützmann indes, die gewählten Verfechter grüner Politik, waren
gar nicht da. Hille verspürt wenig Lust, den Prügelknaben zu geben: „Hornbach
ist doch nur ein Vorwand, der Fraktion vors Schienbein zu treten.“
Aber der Baumarkt ist mehr als ein Spielball in einem bündnisgrünen Ränkespiel:
Er ist für die Grünen Wahlversprechen, ein weiterer Beleg „unsolider
Ansiedlungs- und Finanzpolitik“ und Beweis, dass mit dem von Gemeinde und
Hornbach geschlossenen Kaufvertrag längst Fakten geschaffen sind, die
nachträglich zu akzeptieren seien. „Diesen Zwängen wollten wir uns nicht wieder
unterwerfen“, war Grünen-Sprecherin Sahlmann bereit, an Hornbach ein Exempel
des Widerstands zu statuieren. Nina Hille indes ist nach einem Jahr
Parlamentstätigkeit intime Kennerin der Kleinmachnower Haushaltslage: Ein Nein
zu Hornbach würde die Kommune Millionen kosten. Doch offenbar gibt es Probleme,
ihre Einsicht in die vermeintliche Notwendigkeit an der gesamten Basis zu
vermitteln. „Es kann nicht sein, dass die Fraktion im Hinterzimmer tagt,“ wird
sich mokiert.
Sollte vom erfolgreichsten Grünen- Ortsverband der Mark ein Scherbenhaufen
übrig bleiben? Ausgerechnet in Kleinmachnow, wo immer mehr grün gewählt wird
als anderswo im Land. Wo der enorme Siedlungsdruck und der Ausbau des
Teltowkanals ein grünes Gewissen brauchen, lähmen sich die potenziellen Kräfte
selbst. Grüner Politik bot sich in Kleinmachnow ein weites Feld: Bäketal,
Buschgraben, Kanalaue, üppige Bauten – leidenschaftlich und aus dem Bauch
heraus forderten die Alt–Vorderen Casperson, Behm und Mueller Augenmaß und
Nachhaltigkeit. Fast familiär ging es in der bündnisgrünen Stube Kleinmachnows
zu. Doch der Wandel, den der Ort erfahren hat, ging auch an den Bündnisgrünen
nicht vorüber. Heute sind es Polit-Profis, gewöhnt ans raue Berliner
Parteienklima, die in Kleinmachnow Ambitionen haben. „Die verlangen nach klaren
Strukturen und Regeln“, weiß Norbert Schröder. Politik aus Leidenschaft und
Politik des Kalküls – die Symbiose kann zu Spannungen führen. Doch wo Gräben
aufreißen, fehlt es an Führung und integrativem Talent. Bislang ist es
niemanden gelungen, in Kleinmachnow das grüne Bündnis wieder zu schließen.