Potsdamer Neueste Nachrichten 24.11.04

Zerrissenes Bündnis in Kleinmachnow

Die Grünen sind zerstritten. Die einen fühlen sich okkupiert, die anderen ausgegrenzt.

Von Peter Könnicke

Kleinmachnow - Cornelia Behm musste sich gestern scharfe Attacken gefallen lassen. In der Haushaltsdebatte des Bundestages fuhr Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz schweres Geschütz gegen Rot-grün auf. Doch schmerzlicher wird die bündnisgrüne Bundespolitikerin das Scharmützel treffen, das sich seit Monaten die Mitglieder ihres Ortsverbandes liefern. „Okkupation“, wirft Ortsverbandschef Axel Göritz Berliner Grünen vor, die an der Basis im neuen Zuhause ein anderes Politikverständnis fordern. „Verrat grüner Programmatik“ wird im Ortsverband gegen die eigenen Gemeindevertreter gegiftet. Und Behm klagt: „Das ist ein ganz schrecklicher Zustand.“

Seit im vergangenen Jahr die Kandidaten für die Kommunalwahl nominiert wurden, rumort es an der grünen Basis. Die Unstimmigkeiten offenbarten sich zunächst unter den drei Mitgliedern der Ortsparlamentsfraktion: Wortbeiträge konkurrierten miteinander, Argumente widersprachen sich, Positionen waren gegensätzlich. Ende April kam es zum Bruch: Fraktionschefin Nina Hille und Christian Grützmann kündigten ihrem Mitstreiter Norbert Schröder die Zusammenarbeit auf und drängten ihn zum Austritt aus der Fraktion. „Übertrieben und unangemessen“, empfand dieser den Ausschluss. Seine Warnung, dass der Riss der Fraktion den gesamten Ortsverband schwächen werde, ist heute Realität. Inzwischen ist die Basis heillos zerstritten. „Es gibt zwei Lager“, schluchzt Sprecherin Barbara Sahlmann. Auf der einen Seite stehen Schröder und dessen Anhänger. Sie werfen Hille und Co. vor, grüne Forderungen nach mehr Transparenz und alternativer Politik leichtfertig aufzugeben. Hille wiederum spricht von einer „völlig frei agierenden Gruppe“, die auf fundamentale Positionen setze.

Lange mühte man sich, das Zerwürfnis zu verbergen, während hinter den Kulissen heftig gestritten wurde. Jetzt entlädt sich die Spannung an dem strittigen Vorhaben, am Stahnsdorfer Damm einen Baumarkt zu errichten. Während die grünen Gemeindevertreter Hille und Grützmann sich unter bestimmten Umständen eine Ansiedlung vorstellen können, pochen etliche Grüne an der Basis auf das Wahlprogramm: „Nein zur Hornbach-Ansiedlung“, steht dort geschrieben. Auf einer Mitgliederversammlung in der Vorwoche sei die ablehnende Position ohne Widerspruch erneuert worden, betont Parlaments-Single Schröder und fordert seine beiden Ex-Fraktionskollegen auf, sich wieder für die „grüne Programmatik“ im Ort einzusetzen.

Allein dieses Treffen vor Wochenfrist illustriert den Zustand der Kleinmachnower Grünen. Sprecher Göritz spricht der Runde und dem gefassten Beschluss jegliche Legitimation ab, weil die Sitzung offiziell abgesagt worden wäre und „Leute abgestimmt hätten, die gar nicht Mitglied im Ortsverband sind.“ Sahlmann wiederum, zweite Sprecherin der Doppelspitze, habe selbst zu der Sitzung eingeladen. Allerdings war man sich dort nicht sicher, ob man tatsächlich Beschlüsse fassen darf. Also wurde abgestimmt, ob man abstimmen soll. Hille und Grützmann indes, die gewählten Verfechter grüner Politik, waren gar nicht da. Hille verspürt wenig Lust, den Prügelknaben zu geben: „Hornbach ist doch nur ein Vorwand, der Fraktion vors Schienbein zu treten.“

Aber der Baumarkt ist mehr als ein Spielball in einem bündnisgrünen Ränkespiel: Er ist für die Grünen Wahlversprechen, ein weiterer Beleg „unsolider Ansiedlungs- und Finanzpolitik“ und Beweis, dass mit dem von Gemeinde und Hornbach geschlossenen Kaufvertrag längst Fakten geschaffen sind, die nachträglich zu akzeptieren seien. „Diesen Zwängen wollten wir uns nicht wieder unterwerfen“, war Grünen-Sprecherin Sahlmann bereit, an Hornbach ein Exempel des Widerstands zu statuieren. Nina Hille indes ist nach einem Jahr Parlamentstätigkeit intime Kennerin der Kleinmachnower Haushaltslage: Ein Nein zu Hornbach würde die Kommune Millionen kosten. Doch offenbar gibt es Probleme, ihre Einsicht in die vermeintliche Notwendigkeit an der gesamten Basis zu vermitteln. „Es kann nicht sein, dass die Fraktion im Hinterzimmer tagt,“ wird sich mokiert.

Sollte vom erfolgreichsten Grünen- Ortsverband der Mark ein Scherbenhaufen übrig bleiben? Ausgerechnet in Kleinmachnow, wo immer mehr grün gewählt wird als anderswo im Land. Wo der enorme Siedlungsdruck und der Ausbau des Teltowkanals ein grünes Gewissen brauchen, lähmen sich die potenziellen Kräfte selbst. Grüner Politik bot sich in Kleinmachnow ein weites Feld: Bäketal, Buschgraben, Kanalaue, üppige Bauten – leidenschaftlich und aus dem Bauch heraus forderten die Alt–Vorderen Casperson, Behm und Mueller Augenmaß und Nachhaltigkeit. Fast familiär ging es in der bündnisgrünen Stube Kleinmachnows zu. Doch der Wandel, den der Ort erfahren hat, ging auch an den Bündnisgrünen nicht vorüber. Heute sind es Polit-Profis, gewöhnt ans raue Berliner Parteienklima, die in Kleinmachnow Ambitionen haben. „Die verlangen nach klaren Strukturen und Regeln“, weiß Norbert Schröder. Politik aus Leidenschaft und Politik des Kalküls – die Symbiose kann zu Spannungen führen. Doch wo Gräben aufreißen, fehlt es an Führung und integrativem Talent. Bislang ist es niemanden gelungen, in Kleinmachnow das grüne Bündnis wieder zu schließen.