Potsdamer Neueste Nachrichten 20.11.04
"Hier steht keine explosive Entladung bevor"
Kleinmachnows neuer SPD-Ortschef Frank Nägele über das Klima im Ort,
Politikstile und Werte der Gemeinde
SPD-Vorsitzender in Kleinmachnow – gibt es keine anderen Freitzeitmöglichkeiten?
Es ist wichtig, in einer Kommune Aufgaben zu übernehmen, um die
Gemeinde ein Stück voranzubringen. Dazu gehören nicht nur die öffentlichen
Aufgaben. Dazu gehört es auch, innerhalb einer Partei am Karren zu ziehen.
Was fordert Sie an Kleinmachnow
heraus?
Kleinmachnow hat – gerade innerhalb der SPD – eine spannende Vielfalt.
Diese Vielfalt ist auch eine Herausforderung. Ich finde es wichtig, die damit
verbundenen, unterschiedlichen Interessen zu einen, um miteinander Politik zu
gestalten. Wo unterschiedliche berufliche Biografien, Lebensbilder und
Erfahrungen aufeinander treffen, ist es eine Herausforderung, die Fäden
zusammenzuführen.
Gerade Kleinmachnow wird als brisante Mischung beschrieben, in der
unterschiedliche Biografien aufeinander treffen. Die „ZEIT" hat jüngst die
Atmosphäre im Ort als so explosiv beschrieben, da sollten Sie eher
Sprengstoffexperte werden als Parteivorsitzender.
Ich finde, dass die Bilder überzeichnet werden. Das sind Klischees, die
wiedergegeben werden. Hier prallen nicht Welten aufeinander. Um im Bilde zu
bleiben: hier steht auch keine explosive Entladung bevor. In der Luft liegt
eine produktive Spannung. Jemand, der seit mehr als 15 Jahren in Kleinmachnow
lebt, hat ganz andere Beziehungen zu den Menschen und dieser Gemeinde. Der
nähert sich Problemen manchmal auf andere Art als die, die gerade hierher
gezogen sind. Es ist deshalb natürlich nicht immer einfach, eine gemeinsame
Ebene zu finden, zumal sich die Politikstile nicht immer entsprechen. Der eine
haut laut drauf, der andere sucht eher sanft nach Lösungen. Wo die einen auf
Suche nach Kompromissen sind, sind andere entweder für oder gegen etwas und
können sich den Mittelweg nur schwer vorstellen.
Welchen Stil bevorzugen Sie?
Ich bin ein Freund des Mittelweges.
Welches Erbe hat Ihnen Ihr Vorgänger in der Kleinmachnower SPD
hinterlassen?
Ein sehr erfolgreiches Erbe. Jens Klocksin hat mit dem
Ortsvereinsvorstand fünf Wahlkämpfe erfolgreich gemeistert. In allen fünf haben
wir besser abgeschnitten, als es zu erwarten war, auch wenn die Ergebnisse
wegen gewisser Rahmenbedingungen nicht immer gut waren.
Die CDU im Ort hat es vor einem Jahr gespalten, weil es nicht gelungen
ist, unterschiedliche Ansätze und Ansichten zusammenzuführen. Ist die SPD von
dieser Zerreißprobe verschont geblieben oder befindet sie sich gar mittendrin?
Die SPD ist weit weg von jeglicher Zerreißprobe. Was stattfindet, ist
Meinungsbildung. Und diese ist deshalb so engagiert, weil es drei starke Pole
gibt: Der Ortsverein ist stark, der Bürgermeister hat - wieder gewählt - eine
sehr starke Position, und die Fraktion ist sehr selbstbewusst. Ich sehe das als
produktiv an. Bisher hatten wir am Ende der Diskussionen Ergebnisse, die die
Gemeinde nach vorn gebracht und uns als Partei auch ein Gesicht gegeben haben.
Daran möchte ich festhalten. Das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können.
Wichtig ist mir dabei: Die Fronten sind nicht Ost und West, sie sind auch nicht
alt und jung. Das hat mit Politikstilen, mit beruflicher Stellung und mit
Lebenserfahrungen zu tun.
Meist spiegelt sich Ortspolitik nur in der Arbeit der Gemeindevertreter
wider. Wie groß ist der Einfluss des SPD-Ortsvereins auf das, was die Fraktion
nach außen verkauft?
Groß. Das hat sehr viel zu tun mit dem Vorstand und dem Vorsitzenden.
Ich habe genug Selbstbewusstsein zu sagen, dass wir die Konstellation eines
Dreiecks haben: eine starke, engagierte Fraktion, einen sozialdemokratischen
Bürgermeister und einen einflussreichen Vorstand. Das liegt auch daran, dass
der Fraktionsvorsitzende und der Bürgermeister im Vorstand des Ortsvereins
sind. Hier ist deshalb der Ort der politischen Meinungsbildung. Im Vorstand
werden wir Wege suchen, um gemeinsam vorwärts zu kommen.
Das klingt nach Bündelung des personifizierten Streitpotenzials der SPD?
Das war ein Wunsch von mir. Wir haben mit Jens Klocksin, Wolfgang
Blasig und Bernd Bültermann drei prominente Politiker dieser Gemeinde im
Ortsvereinsvorstand. Dabei sind weitere engagierte Frauen und Männer. Wir haben
damit die richtige Zusammensetzung, um hin und wieder zu streiten. Das ist
produktiv. So lässt sich Neues entwickeln.
Wodurch unterscheidet sich die SPD von anderen Parteien in Kleinmachnow?
Wir sind die einzige Partei, der es bisher gelungen ist, sowohl das
alte Kleinmachnow zu vertreten, wie auch Vertrauen bei Neuzugezogenen zu
gewinnen. Das ist Verpflichtung, aber auch eine große Chance. Wir haben deshalb
eine besondere Verantwortung für Einrichtungen, die mit Kleinmachnow ganz fest
verbunden sind, wie das Freibad oder die Kammerspiele. Da ist es Aufgabe der
SPD, im Rahmen des finanziell Machbaren Wege zu suchen, wie wir das erhalten
können. Und wenn ich auf das „neue Kleinmachnow" schaue, ist es richtig,
ein anderes Verständnis für Verkehr einzufordern. In unserer Gemeinde sollten
nicht zuerst Autos, sondern Fußgänger und Radfahrer Vorfahrt haben. Zum „neuen
Kleinmachnow" gehört auch die Diskussion um einen dritten
Grundschulstandort.
Es ist in den letzten Wochen viel geklagt worden über einen Ausverkauf
alter Kleinmachnower Werte wie Freibad und Kammerspiele. Von der Politik
geforderte Bekenntnisse für diese Einrichtungen blieben aus.
Die Kammerspiele sind für mich ein Juwel des Ortes. Sie geben
Kleinmachnow ein kulturelles Gesicht. Wir können nicht einerseits kulturelle
Traditionen der Vergangenheit hervorheben, uns aber andererseits der Stätten
entledigen, in denen Kultur stattfindet. Deshalb werde ich nicht nur aktiv im
Trägerverein, sondern auch über die SPD die Kammerspiele intensiv begleiten.
Beim Freibad sehe ich mit Interesse die neuesten Entwicklungen. Mir geht es
darum, dass das Bad in seinem Charakter erhalten bleibt. Es muss ein Bad für
die Kleinmachnower bleiben.
Ist es nicht verwunderlich, dass an der Spitze des Trägervereins für die
Kammerspiele oder auch unter den Aktivisten für den Erhalt des Freibades
Neu-Kleinmachnower stehen, andererseits sich der Bürgermeister als einer mit
Kleinmachnower Wurzeln immer wieder Vorwürfe gefallen lassen muss, nicht
genügend um die Traditionsstätten zu kämpfen?
Das ist vielleicht vor den unterschiedlichen Erfahrungen der
vergangenen Jahre zu verstehen. Wenn ich eine Gemeinde führe, die nicht immer
wohlhabend war, habe ich ein anderes Verhältnis zu bestimmten Einrichtungen als
wir es haben, die erst seit fünf Jahren hier leben und eine florierende
Gemeinde sehen. Deshalb kann ich es nachvollziehen, wenn andere Lösungen
verfolgt werden, auch wenn ich diese Lösungen nicht immer teile. Aber deshalb
geht kein Riss durch Kleinmachnow. Sowohl bei den Kammerspielen wie auch beim
Freibad sind es Alt- und Neu-Kleinmachnower, die sich für den Erhalt einsetzen.
Hier zeigt sich, die Integration ist gelungen.
Das Gespräch führte Peter Könnicke